Liebe (OT: Amour)

In Liebe, wie der Film hierzulande heißt, geht es um ein altes Musikprofessoren-Ehepaar, die innig und etwas zurückgezogen in ihrer altmodischen Pariser Wohnung leben. Überschattet wird diese liebevoll aufgebaute Existenz von einem Schlaganfall, den Frau Anne erleiden musste. Von da an ist sie rechtsseitig gelähmt und auf die Hilfe ihres Gatten Georges angewiesen.

Lange musste man warten, bis man endlich den neuen Film von meinem Landsmann Michael Haneke zu Gesicht bekam. So nutzten meine Freundin und ich gleich die erst mögliche Chance um Amour zu sehen. Ich glaube, ich war noch nie um 16:30 in einer Kino-Vorstellung und rechnete vor allem auch nicht damit, dass um diese Zeit und bei diesem Film im Originalton sonderlich viele Zuschauer anwesend sein werden.. Falsch gedacht! Der Saal war gut besucht, hat aber wohl mit der hohen Erwartungshaltung einiger Cineasten zu tun.

Was ich nun 127 Minuten lang zu sehen bekam, war außerordentlich bedrückend, ergreifend, schön und beängstigend zugleich. Haneke ist dafür bekannt, dass er keinerlei Hintergrundmusik in seinen Filmen verwendet. Wozu auch! Das stimmige Drehbuch, die klug durchdachten Kameraeinstellungen, die triste und doch so harmonisierende Szenerie und vor allem das atemberaubende Spiel der Haupt- und Nebendarsteller lassen es gar nicht zu, dass man irgendeine Untermalung von Musik braucht oder gar vermisst. Vor allem die beiden Hauptakteure „Georges“, Jean Louis Trintignant und „Anne“, Emmanuelle Riva spielen, trotz oder vielleicht sogar wegen ihren hohen Alters, die Rollen ihres Lebens. Das waren keine schauspielerische Darbietungen, sondern reinste Kunst auf allerhöchstem Niveau.

Es ist ein Film wie er sein soll. Ihn zu sehen erfüllt und regt gleichzeitig einen dazu an, nachzudenken. Ich bin nun mit meiner Freundin schon bald über 4 Jahre zusammen und grübelte des öfteren, wie ich in manchen Situationen reagieren würde. Was mir stark aufgefallen ist und wofür ich Herrn Haneke äußerst dankbar bin, ist die Tatsache, dass ich seit ich diesen Film gesehen habe, viel bewusster durch den Alltag gehe. Viele von uns, und ich zähle mich absolut dazu, leben in den Tag hinein, ohne sich großartig Gedanken zu machen, was nächsten Monat, nächstes Jahr oder in den nächsten 50 Jahren passieren könnte. Es bedarf nur eines Schicksalsschlages und für uns ganz normale Sachen wie essen, trinken oder auf die Toilette gehen könnten zum Verhängnis werden. Dieser Film zeigt auf sehr direkte und doch subtile Art, wie das Leben verlaufen kann und wie schmal eigentlich der Grat zwischen Liebe und Leid ist. Prädikat: besonders wertvoll!

Andere Meinungen zum Film:
Heiko von Die Academy
Stefan von Die Academy


Frankreich, Deutschland, Österreich – 2010 – 2 Std. 6 Min.
Regie: Michael Haneke
mit Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva und Isabelle Huppert
Genre: Drama

Über Johannes Marksteiner

Hauptberuflich: Radio-Redakteur und Sprecher Nebenberuflich: Passionierter Cineast
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