W.E.

Pop-Queen Madonna trat ein zweites Mal hinter die Kamera und wurde für ihr romantisches Drama über die spirituelle Verbindung zweier Frauen aus verschiedenen Generationen von den Kritikern wie erwartet mehr belächelt, anstatt beachtet. Vielleicht ist W.E. in der Konzeption etwas überambitioniert, in der Realisierung aber die Revidierung eines Vorurteils wert.

Man schreibt das Jahr 1998, und nicht nur in Manhattan fiebert jeder der bevorstehenden Auktion entgegen, bei der die Besitztümer des Duke und der Duchess of Windsor unter den Hammer kommen sollen. Diese bewegende Liebes- und Lebensgeschichte zwischen der geschiedenen Wallis Simpson (Andrea Riseborough), jener ebenso attraktiven wie charismatischen Amerikanerin, die das Herz des angehenden britischen Königs Eduard VIII. (James D’Arcy) eroberte, fasziniert noch heute. So stark war die Liebe der beiden, dass der Thronfolger im Dezember 1936 für sie sogar auf Macht und Krone verzichtete. Doch auch Wallis brachte bedeutsame Opfer für diese unvergleichliche Beziehung. Für die junge Wally Winthrop (Abbie Cornish), die mitten in den Zwängen einer unglücklichen Ehe mit dem reichen, aber gewalttätigen William Winthrop (Richard Coyle) steckt, ist die Versteigerung weit mehr als ein glamouröser Zeitvertreib. Die ehemalige Sotheby’s-Mitarbeiterin ist von den einzigartigen Exponaten und allem, wofür sie stehen, wie bezaubert und entwickelt eine leidenschaftliche Faszination für W.E.

Sie machen sich keine Vorstellung, wie scher es ist, die größte Romanze der Welt zu leben.“

W.E.“ beschreibt das Gefühl der Einsamkeit und die Suche nach einer Antwort. In ausgedehnten, sehnsüchtigen Bildern erzählt Madonna die Geschichte einer jungen Frau, die nach außen hin alles zu haben scheint und innerlich doch so zerrüttet ist. Wem kann man sich anvertrauen, wenn doch der ständige Neid um dein oberflächliches Glück in jedem Blick und jeder Geste deines Gegenübers mitschwingt? Warum sieht niemand die unerträglich kalte und brutale Person, zu der deine einst große Liebe geworden ist? Und warum hast du nicht die Kraft, dich aus deiner Lage selbst zu befreien? Die junge Wally Winthrop (Abby Cornish) befindet sich in diesem Sumpf der Verzweiflung und beginnt, sich einen Kokon zu weben, der sie von ihrer Außenwelt beinahe gänzlich abschirmt. Eine Auktion einiger persönlicher und zum Teil sehr intimer Besitztümer des Dukes und der Duchesse von Windsor verführt sie in eine romantische Welt, in der es möglich war, dass eine gewöhnliche Frau einen Prinzen heiratet. Wally nimmt uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit und wir machen Bekanntschaft mit Wallis Simpson, der Frau, die England kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges in panischen Aufruhr versetzte. König des vereinigten Königreichs Eduard VIII verließ damals für sie aus Liebe den Thron, denn eine Heirat mit einer Bürgerlichen war ausgeschlossen. Diese Geschichte dürfte vielen noch gut im Gedächtnis sein, wurde sie erst kürzlich in Tom Hoopers „The Kings Speech“ am Rande thematisiert. Nun widmet sich Madonna gänzlich und allein Wallis und Eduard, kurz „W.E.“.

Der clevere Titel beschreibt die verknüpften Themen: Die Geschichte von Edward VIII und Wallis Simpson – und die Frage, ob das „Wir“ (WE) in einer Liebe dem Druck der Beziehungsjahre standhält und nicht in „Sie“ und „Er“ auseinanderbricht.

Mit ihrer außergewöhnlichen Erzählweise, die Geschichte über eine dritte Person zu erleben, schafft es Madonna, Fiktion und Tatsachen auf ganz natürlichem Wege zu verschmelzen. Die Ende der 90er Jahre organisierte Auktion in New York sorgte damals für enormes Aufsehen, denn mit neun Tagen Dauer und einem Reinerlös von 23,4 Millionen Dollar setzte diese Veranstaltungen neue Rekorde. Über wertvollen Schmuck, edlem Porzellan, vornehmen Möbelstücken und ganz intimen Gebrauchsgegenständen durchschreitet Madonnas Protagonistin ein Tor zum Herzen der Duchesse. Ihre eigene Leidensgeschichte ermöglicht ihr einen traurigen Blick in das Leben der berühmten Frau und tritt mit ihr in einen ungewöhnlichen, aufwühlenden, tragischen und erkenntnisreichen Dialog.

Abby Cornish (Bright Star) als New Yorkerin Wally und Andrea Riseborough (Alles was wir geben mussten) als die berühmte Wallis Simpson werden in „W.E.“ zu Seelenschwestern, zu Verbündeten, zu engsten Vertrauten. Beide schaffen es, ihre ganz eigene Geschichte eindrucksvoll zu erzählen und meistern dabei den Spagat, mit ihrem Schauspiel den Kinogänger vollkommen einzunehmen, ohne die jeweils andere abzudrängen. Es ist ein ausgeglichenes Wechselspiel zwischen Abby Cornish und Andrea Riseborough, in dem sie sich sowohl ergänzen, als auch zu darstellerischen Höchstleistungen antreiben. Ruhig und aufwühlend zugleich erarbeiten sich die beiden Frauen gemeinsam Hand in Hand eine ganz elementare Frage über die Liebe, die den Kinogänger unvermittelt mitten ins Herz trifft: Worin misst sich wahre Liebe? An dem, was der Einzelne für seine große Liebe opfert? Der König hat dem Thron für die Frau, die er liebt abgedankt und alle Welt sieht mit romantisch verklärtem Blick bewundernd zu ihm auf. Doch was ließ Wallis zurück, die Frau, der ein solch großes Opfer dargelegt wurde und der man lediglich mit Neid und Missachtung entgegentrat? Und sind Aufopferung und Verlust wirklich die Dinge, an denen man das Ausmaß von Liebe messen sollte?

„W.E.“ erzeugt eine einnehmende und kraftvolle Stimmung und trotz kleiner Längen, kann man sich dem Sog dieses Films und den üppigen Kulissen, sowie langsamen Kamerafahrten und der opulenten Musik nicht entziehen. Manchmal drängt sich die Tragik, untermalt mit den überbordenden, hochdramatischen Musikstücken, komponiert vom polnischen Filmkomponisten Abel Korzeniowski (oscarwürdiger Score zu A Single Man), nahezu auf, so dass man Momente des Durchatmens zwingend braucht, aber vergeblich sucht. Das wird den einen oder anderen mitten ins Herz treffen oder Andere heftig kritisieren. Mir persönlich gefiel dieser Stil und erinnert in seinen stärksten Momenten an Stil und Dramatik an Stephen Dandrys The Hours oder Tom Fords A Single Man, dessen Fan Madonna ist.

Madonna schafft in „W.E.“ viele intensive Momente, die durch die ständigen Höhe- und Tiefpunkte der beiden Heldinnen eine Achterbahnfahrt der Gefühle erzeugen. Sehenswert ist der Film meines erachtens aber durchaus und für die Kostüme von Arianne Phillips hätte es den Oscar geben müssen, sowie weitere Nominierungen für die Korzeniowskis Filmmusik und den Song „Masterpice“, der zurecht mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Besonders hervorhaben möchte ich außerdem Andrea Riseborough, die eine wahrliche Entdeckung ist und zurecht für ihre Wallis Simpson-Interpretation den Hollywood Spotlight Award erhalten hat, sowie die Kamera- und Tonarbeit.


Vereinigtes Königreich – 2011 – 2 Std. 00 Min.
Regie: Madonna
mit Abbie Cornish, James D’Arcy und Andrea Riseborough
Genre: Drama

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