Liebe (OT: Amour)

Michael Haneke hat sich wieder einmal selbst übertroffen. Waren seine vorherigen Werke schon allesamt große Filmkunst, so hat er für mich mit „Amour“ nun endgültig sein Meisterstück abgelegt! (siehe auch die Rezension von Johannes). Dieser Film geht mitten ins Herz und man ist zwei Stunden lang gefesselt. Dazu braucht es im übrigen keine große Bühne, keine opulente Ausstattung oder buntes Effektefeuerwerk. Nein, hier wird einfach das alltägliche Leben vieler von Krankheit und Gebrechlichkeit betroffener Senioren gezeigt, in all seinen schönen aber auch sehr hässlichen Momenten.

Und natürlich geht es um die Liebe, das drückt schließlich schon der Filmtitel aus. Haneke zeigt auf berührende Art und Weise welche Facetten alte, gewachsene Liebe besitzen kann.

Georges liebt Anne zutiefst und innig, und sie ihn ebenso, auch wenn das manchmal nach außen hin einen anderen Anschein zu haben pflegt. Denn Liebe ist natürlich nicht nur eitel Sonnenschein. Liebe ist auch grauer Alltag, immergleiche Routine. Liebe ist Schmerz, besonders der gegenseitig zugefügte und wenn auch subtil. Liebe ist Sturheit, auch wenn sie dem Partner Lasten abzunehmen versucht. Liebe ist Wut, über Dinge die einem nicht passen, die man aber auch nicht ändern kann. Liebe ist Ratlosigkeit, wenn man nicht mehr ein noch aus weiß. Liebe ist Missverständnis, wenn man den Anderen vor etwas schützen möchte was er oder sie nicht mal im Traum als Last empfinden würde, auch wenn es nach außen so rüberkommt. Liebe ist manchmal auch Einsamkeit, wenn man dem Anderen nicht mehr alles geben kann und an seine persönlichen Grenzen kommt. Und Liebe ist Hass, und sei es der Selbsthass weil man dem Partner  zuviel aufzubürden gedenkt.

Liebe ist aber gottseidank auch Vertrauen, in sich und in den Partner. Liebe ist blinde Zuversicht, dass immer jemand für einen da sein wird, auch wenn man das als zuviel empfindet. Liebe ist Verbundenheit, wenn man den Partner eigentlich besser kennt als er oder sie sich selbst. Liebe ist auch das Bewusstsein immer geliebt zu weden, egal was und wie schlimm es noch kommt. Liebe ist Geborgenheit, stets zu wissen, dass es einem woanders schlechter ergehen würde. Und Liebe ist auch, tja, Erlösung?!

All dies und vieles mehr thematisert Haneke in „Liebe“. Kaum ein Filmtitel war daher bisher passender wie ich finde.

Die beiden Hauptdarsteller geben übrigens eine unglaubliche Performance ab, besonders bei Emmanuelle Riva möchte ich gar von einer Jahrhundertleistung sprechen! Wie sie den Zuschauer teils nur mit einem kleinen Blick, einer kurzen Geste in den Bann zieht und ganz tief berührt das ist vollendete Schauspielkunst. Jean-Louis Trintignant spielt den knorrigen, verzweifelten Alten aber auch mit einer unglaublichen Verve. Man merkt, dass hier zwei lebende Legenden des französischen Films auf Augenhöhe agieren. Jede bisherige Nominerung bei diversen Preisen war daher absolut gerechtfertigt. Und gerade das fehlen von Riva bei den Globes stösst mir daher sauer auf. Sie hätte wohl nicht nur diesen Preis, sondern auch einen Oscar wohlverdient! Zumindest eine  Nominierung wäre schön, wenn auch nach aktuellem Stand eher unwahrscheinlich! Die jeweiligen Auslandspreise müssten aber im Sack sein! Da gibt es m. E. keinerlei Alternativen!

„Liebe“ ist wirklich für jedermann zu empfehlen, auch wenn es stellenweise natürlich harte Kost ist. Aber so ist nun mal das Leben und so bleibt man am Ende mit ratlosem Blick in die eigene Zukunft zurück und hofft einerseits, dass es einem nie selbst so wie Anne ergehen möge, aber andererseits auch dass man doch genauso viel Liebe erfahren wird.

Meinungen aus der Blogosphäre:
Johannes von Die Academy
Stefan von Die Academy


Frankreich, Deutschland, Österreich – 2010 – 2 Std. 6 Min.
Regie: Michael Haneke
mit Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva und Isabelle Huppert
Genre: Drama

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