Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger (OT: Life of Pi)

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Nach den positiven Kritiken im Forum, hervorragenden Einspielergebnissen in Deutschland sowie der Verkündung von insgesamt 11 (!) Oscarnominierungen, hatte sich wirklich eine gewisse Spannung und Erwartungshaltung meinerseits aufgebaut, und das, obwohl ich der Handlung (und im Übrigen auch dem Genre des Tierfilms) von Anbeginn nicht allzu viel abgewinnen konnte. Dennoch gab ich „Life Of Pi“, auch wenn die Romanvorlage nicht kenne, eine Chance beziehungsweise versuchte ich es nach Sichtung der ersten Minuten mehr und mehr krampfhaft.

Von Ang Lee, der mit „Brokeback Mountain“ ein überaus mutiges und vielschichtiges Drama geschaffen hat, hätte ich mir Einiges mehr versprochen. Die Produktion wirkte für mich wie eine obskure Mischung aus „Slumdog Millionär“ und dem etwas unbekannteren „Zwei Brüder“, was an sich ja nicht unbedingt etwas Schlechtes wäre. Allerdings waren die genannten Filme spannender und weniger langatmig. Die Geschichte eines Protagonisten, welcher rückblickend über sein außergewöhnliches Leben berichtet, gibt an sich so viel her, doch wurde daraus von Lee und dem Team leider meines Erachtens in vielerlei Hinsicht erschreckend wenig gemacht. Dies trifft vor allem auf die darstellerischen Leistungen des gesamten Ensembles zu. Suraj Sharma spielte zwar stellenweise sehr bemüht, aber eben kaum glaubhaft. Der gealterte Pi, gespielt von Irrfan Khan, war dagegen eine krasse Fehlbesetzung und bot eine absolut karge und nahezu emotionslose Darbietung. Während seiner Sequenzen zeigte er jedenfalls nur einen einzigen Gesichtausdruck und leierte seinen Text ohne Höhen und Tiefen nur so herunter, was wohl einer der größten Makel des Films ist, schließlich hätte das Geschilderte emotional zutiefst berühren können. Auf diese Weise dargeboten, tat es dies aber nicht im Ansatz! Schauspielerisch gab es kein einziges Highlight und, da gerade das in meinen Augen das Herzstück eines Films bilden sollte, war ich bitter enttäuscht! Hinzu kamen teilweise haarsträubend einfach gestrickte, nichts aussagende Dialoge sowie inhaltlich krasse Fehler. (Beispielsweise ist die Konvertierung zu mehreren Glaubensgemeinschaften beziehungsweise der Ausbruch aus dem indischen Kastensystem überhaupt nicht möglich!) Da konnte auch Gérard Depardieu in einer kurzen Nebenrolle nichts retten. Darüber hinaus war die Laufzeit im Zuge dieser Schwächen viel zu lang und so gab es viele Momente, in denen ich mich zwingen musste, nicht gelangweilt aus dem Kino zu gehen…

Dass ich es nicht getan habe, lag vor allem an den wenigen, positiven Aspekten der Literaturverfilmung. So ist die visuelle Gestaltung durchaus gelungen! Die Animation der Tiere wirkte nahezu lebensecht und keinesfalls künstlich. Gerade die Szenen, in welchen Pi sich in animalischer Gesellschaft auf dem Rettungsboot befindet, waren reizvolle Lichtblicke und zeugten von einer akribischen, professionellen Arbeit der Effektkünstler. 3D lohnte sich insbesondere deswegen, wenn auch nicht für die erste halbe Stunde. Die angenehme Filmmusik gefiel mir zwar, doch halte ich sie nicht für auszeichnungswürdig, weil es einfach einige andere Scores in dieser Saison gab, die einen mehr in ihren Bann zogen. Gleiches gilt für den nominierten Song. Er war gut, mehr aber auch nicht!

In der Gesamtheit gibt der deutsche Filmuntertitel also leider genau das wieder, was er beinhaltet und hält sein Versprechen insofern, als das man „Life Of Pi“ wegen eklatanter Mängel in Bezug auf die Darstellungen, das Drehbuch, die Emotionen und die Spannunspunkte als „Schiffbruch“ deklarieren kann, der sehr viel mehr Liebe erfahren hat, als er meines Erachtens verdient hätte. Über die technischen Aspekte und die sehenswerten Bilder kann man, wie angesprochen nicht meckern, doch wenn dies die einzigen Pluspunkte eines Oscarfavoriten sind, reicht mir das einfach bei Weitem nicht! An bloßen Effekten sieht man sich schließlich irgendwann satt. Auf emotionaler Ebene ließ mich der Streifen jedenfalls vollkommen kalt!

Andere Meinungen zum Film:
Frank von Die Academy
Johannes von Die Academy


USA/Taiwan – 2012 – 2 Std. 5 Min.
Regie: Ang Lee
mit Suraj Sharma, Irrfan Khan und Adil Hussain
Genre: Drama, Abenteuer

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