Das Bourne Vermächtnis (OT: The Bourne Legacy)

„Sag mal Edward: Wo warst du eigentlich beim Avengers-Film?“ – „…ich werde dich finden! Und wenn ich dich gefunden habe, werde ich dich töten!“ – „So sauer kannst du gar nicht sein?“ – „Und warum nicht?“ – „Weil du nicht grün wirst.“

Die Hauptfrage war sehr simpel: Kann ein Bourne-Film ohne Jason Bourne (also Matt Damon) überhaupt funktionieren? Denn die Hauptperson heißt nicht Jason Bourne, sondern Aaron Cross und ist eine Art „verbesserter“ Jason Bourne. Wenn man so will: Jason Bourne 2.0! Mit der Beantwortung bin ich als großer Fan der bisherigen drei Filme sehr zwiegespalten. Aber alles der Reihe nach:

Der Roman The Bourne Legacy war der erste, der nicht mehr von Robert Ludlum geschrieben wurde sondern von Eric Van Lustbader und handelte von einem älteren David Webb/Jason Bourne. Es war auch geplant, dass der vierte Film der Reihe mit eben diesem Titel wieder mit dem Gespann Paul Greengrass/Matt Damon und Autor Tony Gilroy. Leider zerstritten sich Greengrass und Gilroy so dermaßen über die Ausrichtung des Filmes (Greengrass wollte alles wie gehabt, während Gilroy für einen Neuausrichtung war), dass das Projekt zuerst ohne Regisseur und dann ohne Hauptdarsteller auskommen musste. Gilroy – mit einer Regie-Oscar-Nominierung für Michael Clayton im Rücken – enterte kurzerhand selber den Regieposten und ging stur seinen Weg des Neuanfangs der Reihe. Ohne Jason Bourne. Aaron Cross sollte der neue starke Mann sein und mit Jeremy Renner hatten mal auch einen passenden Hauptdarsteller gefunden. Dazu noch Rachel Weisz und Edward Norton in weiteren großen Nebenrollen, ein paar bekannte Hollywoodgesicher in kleinere Nebenrollen und zum krönenden Abschluss drei schnelle Blicke auf Figuren aus dem Vorgänger Das Bourne Ultimatum: David Strathairn als Noah Vosen, Joan Allen als Pamela Landy und Paddy Considine als Simon Ross. Denn Das Bourne Vermächtnis spielt zur genau gleichen Zeit und parallel zu Das Bourne Ultimatum.

Ist der Film aber auch so stark wie der dritte Film der Reihe? Nein, ist er nicht. Vor allem am Anfang zieht sich der Film doch etwas in die Länge. Es ist zwar irgendwie spannend Aaron Cross durch seine Tour durch den Schnee zu verfolgen und einen sichtlich ergrauten Edward Norton bei der Planung und Durchführung der Tötung der Super-Agenten zuzusehen, aber doch zieht sich das alles sehr schnell in die Länge. Es ist noch nicht mal so, dass mir der schnelle Schnitt oder die Wackelkamera von Greengrass gefehlt hat. Was mir fehlte, war einfach dieses Bourne-Feeling.

Leider bekam ich dieses Feeling erst mit dem Zusammentreffen der von Rachel Weisz gespielten Dr. Marta Shearing und Aaron Cross in dem Zuhause von Shearing. Dort erledigt Cross einige feindliche Agenten und endlich war ich wieder mitten drinnen und konnte es förmlich auf der Zunge schmecken: Das Bourne-Feeling! Die Action war knackig und gut in Szene gesetzt und man fiebert tatsächlich mit den Figuren mit. Was uns Gilroy danach serviert, ist ein gutes Start-Up für folgende Filme: Cross und Shearing wachsen einem irgendwie ans Herz und auch wenn die Story nicht die beste ist, kann man sich gut unterhalten fühlen. Ich hoffe, dass wird im nächsten Teil besser, Mr. Gilroy! Auch die folgenden Action-Sequenzen sind vollkommen in Ordnung und gut in Szene gesetzt. Das Hauptproblem ist wirklich die Story und dass mit Edward Norton als Gegenspieler Eric Byer irgendwie zu blass blieb; auch hier fordere ich – sollte er für den fünften Teil eingeplant sein – eine Steigerung. Stattdessen gibt es mind. 2-3 Sub-Bösewichte die genau so schnell wieder verschwinden, wie sie eingeführt wurden.

Natürlich ist mir bewusst, dass man neue Figuren erst dem Zuschauer näher bringen muss. Vor allem wenn man vorher drei Filme mit einer komplett anderen Hauptfigur hatte und diese Filme Meilensteine ihres Genres und in ihrer Machart waren. Aber diese Art Prolog auf über zwei Stunden aufzublähen mit einer durchwachsenen Story und einem fast schon langweiligen Anfang, bei dem man potenzielle Zuschauer direkt vergrault? Da bin ich von Gilroy besseres gewöhnt.

Trotzdem blicke ich gespannt auf den weiteren Weg, den Cross und Shearing einschlagen werden; hoffentlich dicht im Nacken: Eric Byer. Sollte das Tempo von Anfang an angezogen werden und stimmig mit der Story verflochten sein, können auch Fans der alten Trilogie sich auf neue Abenteuer mit Aaron Cross freuen; und dann braucht man auch nicht unbedingt die Rückkehr von Jason Bourne. Ich für meinen Teil würde es mir wünschen, dass The Bourne [WHATEVER] den alten Geist in sich aufsaugt und mächtig Gas gibt; und zwar ab der ersten Sekunde und nicht erst nach 30 bis 45 Minuten.


USA – 2012 – 2 Std. 15 Min.
Regie: Tony Gilroy
mit Jeremy Renner, Rachel Weisz und Edward Norton
Genre: Spionage, Action, Thriller

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