Django Unchained

Tarantino ist wirklich ein Genie!
Es gibt nur sehr wenige Regisseure und Drehbuchautoren, die es konstant schaffen sehr gute Stoffe abzuliefern. Quentin ist auf jeden Fall einer davon. Seine Filme sind Kult (auch wenn das Wort oftmals überstrapaziert wird, hier trifft es zu), und „Pulp Fiction“ kann man mittlerweile sogar mit Fug und Recht als Meilenstein der Filmgeschichte bezeichnen. Aber auch „Inglourious Basterds“ oder „Kill Bill“ sind schon beinahe moderne Klassiker. Das liegt zum einen an der Art und Weise wie Tarantino seine Werke in Szene setzt, aber vor allem an seinen bis ins letzte Detail ausgefeilten, vor genialen wie wahnwitzigen Ideen nur so strotzenden Drehbüchern. Und mit „Django Unchained“ hat er für mich sein bisher bestes Skript seit „Pulp Fiction“ zu Papier gebracht.

Natürlich kommen auch hier wieder viele Tarantino-typische Eigenheiten wie in seinen früheren Filmen vor. Viele skurrile Typen, pointierter Witz, brutalstmögliche Gewalt und extrem fein geschliffene Dialoge. Doch ist hier alles noch einen Hauch skurriler, witziger, brutaler und ausgefeilter geschrieben als in seinen Vorgängern. Angefangen beim eloquenten, eiskalten und dennoch sympathischen Dr. King Schulz, über die Figur des „Big Daddy“ und seiner tumben Ku-Klux-Klan-Brüder oder den absolut wahnsinnigen, menschenverachtenden Calvin Candie. Hier haben alle Charaktere noch mehr Tiefe als in Tarantinos früheren Filmen.
Auch die Inszenierung ist absolut fantastisch und kurzweilig gelungen. So verfliegen die immerhin knapp drei Stunden Laufzeit wie im Fluge, was dramaturgisch natürlich ein gutes Zeichen, aber trotzdem sehr schade ist. Ich hätte noch stundenlang zuschauen können. Die Kameraarbeit ist gewohnt episch und setzt auch noch die brutalste Ballerorgie in ein wunderschönes Ballett aus Blei und Blut um. Ja in diesem Falle darf man auch das Wörtchen schön benutzen. Denn so gewalttätig und barbarisch die Actionszenen auf den ersten Blick erscheinen mögen, sie sind ähnlich wie bei „Kill Bill“ auch hier wieder teils comicartig übertrieben und werden dadurch zu großer Kunst. Allerdings behält es sich Tarantino auch vor in einigen Szenen nicht alles zu zeigen. Und gerade diese Ab- bzw. Wegblenden treffen einen dann relativ unvorbereitet. Die zuvor ästhetisierte Brutalität wird dadurch ein Stück weit realer. Auch das ist meisterlich, und definitiv eine Weiterentwicklung in Tarantinos Arbeitsweise, nicht nur ultracoole Schießereien (bei denen der Kinosaal oft in berstendes Lachen ausgebrochen ist), sondern phasenweise mit realem Anspruch. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes großes Kino.
Darstellerisch ist „Django Unchained“ auch wieder vom allerfeinsten. Jamie Foxx als Titelfigur macht seine Arbeit richtig gut (auch wenn das einige meiner Kollegen anders sehen), aber seine Rolle ist nun mal weitestgehend so angelegt, dass er quasi mit angezogener Handbremse spielen muss, um sein wahres Anliegen nicht zu offensichtlich zu machen. Als er schließlich doch auffliegt, kann er auch endlich Gas geben und so wandelt er sich gegen Ende zur wohl coolsten Socke seit langem. Christoph Waltz spielt den Dr. Schulz auch wieder großartig. Die vorgebrachte angebliche Ähnlichkeit im Spiel zu seinem Hans Landa aus „Inglourious Basterds“ sehe ich übrigens nicht, da die beiden Figuren außer einer großen Eloquenz und eines gewissen süffisanten Charmes überhaupt nichts gemein haben. Waltz komödiantisches Talent ist wirklich zum niederknien und auch in den ernsten Momenten weiß er zu überzeugen. Allerdings kann ich die vielen Nominierungen und Preise nicht nachvollziehen, denn zum einen ist er für mich eindeutig ein Hauptdarsteller und wurde somit in der falschen Sparte campaigned und zum zweiten gab es zwei noch bessere Nebendarstellungen. Auf der einen Seite Samuel L. Jackson, als zwielichtiger alter „Privatnigger“ von Candie (seine beste Rolle seit „Pulp Fiction“) und natürlich das absolute Highlight des Films: Leonardo DiCaprio als Calvin Candie. Er strahlt in seinen wenigen Szenen über allem! Legt der den Überfiesling anfangs noch etwas reserviert und eher schleimig-hinterhältig an, so bricht spätestens nach der Bibliotheksszene in der Django und Schulz auffliegen im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los (er entspricht sozusagen dem schlafenden Drachen, der hier u.a. verarbeiteten „Nibelungen“-Sage, der von Siegfried beim Versuch Brunhilde zu befreien geweckt wird)! DiCaprio übertrifft sich damit selbst und liefert ebenfalls seine mit Abstand beste Leistung seit „Gilbert Grape“ ab! ER hätte daher den Globe gewinnen müssen, und ER hätte bei den Oscars nominiert werden müssen! Dieses Jahr wurde er wirklich eines Oscars beraubt! das muss man leider so drastisch sagen.
Tarantino hat dagegen seinen zweiten Drehbuch-Globe absolut zurecht bekommen und sollte auch bei den Oscars abräumen! So sehr ich „Liebe“ als Film schätze und hoffe, dass er mit mehr Goldjungen als dem Best Foreign Language Film nach Hause geht, der Original Screenplay-Preis sollte Quentin gehören. Selten war ein Skript so grandios ausgefeilt. Dass er keinen Regie-Spot bekommen hat ist zwar ärgerlich, geht aber bei der hammerharten Konkurrenz auch in Ordnung. Er hätte höchstens den Spot von Zeithlin bekommen können. Gewinnen hätte aber eh Affleck müssen, der ebenfalls nicht nominiert ist (dafür hätte Lee rausfallen müssen).
Aber wie das auch immer bei den Oscars ausgeht, ob „Django Unchained“ nun einen oder gar mehrere Preise einsacken kann oder nicht; Quentin hat sich wieder mal selbst übertroffen! Ein Fest von einem Film.

Andere Meinungen zum Film:
Dennis von Die Academy
Stephan von Die Academy
Luisa von Die Academy

Wertung90
USA – 2012 – 2 Std. 45 Min.
Regie: Quentin Tarantino
mit Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington und Samuel L. Jackson
Genre: (Italo-)Western, Action

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