Side Effects

Side Effects

Mit SIDE EFFECTS stellt Regisseur Steven Soderbergh (Traffic, Erin Brockovich, Sex, Lies & Videotipes) seinen angeblich letzten Kinofilm vor und liefert einen soliden Psychothriller mit einigen Wendungen ab, die für geübte Zuschauer sich vorahnen lassen, aber den Filmgenuss insgesamt kaum schmälern.

Von der allerersten Einstellung an erinnert SIDE EFFECTS eher an die Anmutung eines Independent-Films, der sich am klassischen Kino-Handwerk orientiert und nicht am aufgeblasenen Blockbuster-Kino der letzten Dekade, welches dem Werk zugute kommt. Auch die minimale musikalische Untermalung sollte lobenswerte Erwähnung finden, wenngleich dem Thriller eine inhaltliche Fokussierung, anstelle von verschiedenen Handlungsebenen sicherlich gut getan hätte, aber dazu gleich mehr.

Die Handlung kreist um Emily (Rooney Mara bekannt aus Social Network, Oscarnominierung für The Girl with the Dragon Tattoo von David Fincher), eine junge Frau, die zunächst selbstbewusst wirkt, sich aber rasch als ein ziemliches Nervenbündel entpuppt. Ihr Mann, ein Börsenmakler, saß wegen Insidergeschäften ein paar Jahre im Knast. Jetzt kommt er frei und Emily nicht mit der neuen Situation zurecht: Sie hat bereits eine Vergangenheit aus wechselnden Therapeutenbesuchen und wiederholtem Medikamentenmissbrauch hinter sich und nun kommen ihre Depressionen zurück. Nächtliches Schlafwandeln, viel zu viele Pillen in immer neuen Rezepturen und Kombinationen, ein gut aussehender Nervendoktor und ein Selbstmordversuch im Auto sind die Zwischenstationen auf einem Weg, der nach einer guten halben Filmstunde damit endet, dass Emily im Medikamentenrausch einen Mord begeht und sich dann erst einmal schlafen legt. Am nächsten Morgen ruft sie dann schockiert die Polizei und kann sich ansonsten an nichts erinnern. Die Ermittler haben ihre Zweifel. Doch jetzt kommt ihr Psychiater Jonathan Banks ins Spiel. Der versucht zu beweisen, dass sie nicht wusste, was sie tat. Die Behörden suchen sich nun einen neuen Sündenbock und wollen ihm beweisen, dass zumindest er als der Behandelnde das hätte wissen müssen und konzentrieren sich auf ärztliches Fehlverhalten. Ein Nebenwirkung ganz eigener Art.

Soweit die Ausgangsposition von Steven Soderbergh. Der Mittelteil bietet das sarkastische Portrait einer medikamentensüchtigen amerikanischen MittelStandsgesellschaft, in der in erster Linie frustrierte Ehefrauen, depressive Geliebte und burnoutgeplagte Karriereweiber mit ganzen Paletten von Pillen inklusive der jeweiligen t und Verträglichkeitshelfer jonglieren, und Ärzte ein Vielfaches ihrer Honorare als Interessenvertreter bestimmter Pharmafirmen verdienen. Medikamentengebrauch ist, so suggeriert zumindest der Film mit bissigem Unterton, längst zum Standardverhalten der Moderne geworden. Drogen und ihre Funktion im spätkapitalistischen Kontext aus Leistungsstress, Effizienzdenken und Selbstoptimierung interessieren Soderbergh schon lang. Mit Traffic, einem Verschnitt aus Mafia-Thriller und Familienmelodram, hat er seine vermutlich beste Film über das Thema gemacht und 2001 den Regie-Oscar gewonnen und zudem weitere für Drehbuch und Schnitt eingeheimst, sowie Benicio del Toro zum Darstelleroscar geführt.

Trotzdem ist auch diese Pharmathematik nur ein Seitenstrang in Side Effects, gewissermaßen selbst eine Nebenwirkung des Films, auch wenn dieser jetzt als »Psychopharmaka-Thriller« beworben wird.

Im letzten Filmdrittel rückt dann der von Jude Law gespielte Psychiater Jonathan Banks ganz in den Vordergrund. Während er noch nicht versteht, was geschieht, wird er zum Spielball fremder Kräfte und sein Leben entgleitet ihm allmählich. So wird diese Story um ihre zwei Figuren zu einem Psycho-Thriller, der gar nicht mehr vage an Hitchcock erinnert, auch wenn er nur selten die Klasse des Meisters erreicht. SIDE EFFECTS ist ein Drama um Schuld und um deren Übertragung von einer Figur auf eine andere und um Manipulation und überzeugt eher durch formelle Aspekte und die durchweg guten, bis sehr guten darstellerischen Leistungen von Rooney Mara, Jude Law, Catherine Zeta-Jones und Ann Dowd, anstatt einer brillianten Geschichte oder überraschenden Storytwists. Dies versucht der Film zwar, aber geübte Thrillerfans dürften schnell erahnen in welche Richtung der Film laufen wird. Außerdem bleibt Channing Tatums Figur zu blass um Nachhaltigkeit auszulösen, welches dem Film sicherlich auch zugute gekommen wäre.

Wertung65

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