Gravity

1

Sieben Jahre sind seit dem letzten Erfolgsfilm „Children Of Men“ des mexikanischen Regisseurs Alfonso Cuarón vergangen. Und es liegt nahe, dass es vor allem die akribische Arbeit an dem Nachfolger „Gravity“ war, welche diese lange Pause bewirkt haben dürfte. Wie schon hinlänglich zuvor erwähnt, bin ich kein Science-Fiction-Kenner oder gar ein Genrefan. Folglich war es wohl vor allem die etwas zweiflerische Neugier, nachvollziehen zu wollen, warum das Werk in sämtlichen Oscar-Listen ganz vorn mit dabei ist, die mich gleich am Startwochenende ins Kino getrieben hat. Andererseits dachte ich: Wenn ein Genie wie James Cameron den Film als besten Weltraum-Film aller Zeiten betitelt, musste dies letzten Endes einfach seinen Grund haben. Und nun kann ich aus voller Kehle bestätigen: Er hat definitiv Recht mit dieser kolossalen Aussage!

„Gravity“ kann ohne jede Frage als virtuoses, einzigartiges Meisterwerk betitelt werden – und das in jeglicher Hinsicht! Die ersten, hinführenden und ohne einen einzigen Schnitt auskommenden Minuten konnten zwar meine Skepsis noch nicht verwischen, was dann aber folgte, war ein absoluter Hochgenuss! Der Film bot anderthalb Stunden voller nervenzerreißender Spannung. Noch niemals zuvor habe ich ein Werk von derartiger visueller Brillanz, Ausdruckskraft und Nachwirkung gesehen. Endlich einmal hat sich die 3D-Technik vollends gelohnt und es wäre eine Sünde, ihn sich lediglich im Wohnzimmer anzusehen, weil so die essentielle, visuelle und akustische Wirkung verloren gehen würde. Die Arbeit mit so genannten Weitwinkelobjektiven bewirkt eine durchgängig atemberaubende Atmosphäre, wodurch man mithilfe einer Vielzahl technischer Mittel fortwährend den Eindruck hatte, direkt involviert zu sein. Der von verschiedenen Richtungen eindröhnende Ton war umwerfend und die actionreichen Szenen verängstigten den Zuschauer. Man fühlte sich stets so, als ob einem Weltraumteile nur so um die Ohren flogen. In technischer setzt „Gravity“ schlicht und ergreifend neue Maßstäbe.

Nichtsdestotrotz haben mich auch verschiedene, kleine Feinheiten wie etwa die akustische und cinematographische Fokussierung auf den Atem, den Herzschlag und die Gesichtszüge der Hauptdarstellerin zutiefst beeindruckt. Hinzu kam eine schlüssige Handlungsführung, überraschend einfallsreiche Dialoge und nicht zuletzt die fesselnde Angst vor dem, was nach den beklemmenden, horrorartigen Momenten der Stille noch passieren könnte. Insbesondere der Kontrast zwischen dem kalten, bedrohlichen All und der sympathischen, zutiefst nachvollziehbaren Charakterzeichnung der zwei (einzigen) Protagonisten ist den Machern bis zur Perfektion gelungen. Obschon ich viele der anderen Oscar-Favoriten noch nicht kenne, wäre es zweifelsohne ein Skandal, wenn man den Film nicht für den Schnitt, die geniale Kameraarbeit, den Ton und die Effekte mit einem Goldjungen auszeichnen wird. (Mein bisheriger Favorit „Elysium“ rückt somit meilenweit in den Hintergrund.) Auch an der musikalischen Untermalung, für die der verhältnismäßig unbekannte Steven Price verantwortlich war, gibt es von meiner Seite nichts auszusetzen. Monumentale, eindonnernde Passagen und minimalistisch-einfühlsame Klänge wechselten sich stimmungsvoll miteinander ab. Darüber hinaus empfand ich die Filmlänge als optimal – weder zu kurz, noch (wie bei Science-Fiction-Filmen oftmals vorkommend) überlang, ebenso das Spiel mit den symbolhaften, einander konträren Elementen und Symbolen.

Darstellerisch hatte ich nichts Überragendes erwartet, doch auch diesbezüglich wurde ich eines besseren belehrt. Sandra Bullocks Leistung in der Rolle der Dr. Ryan Stone muss man neidlos als hervorragend anerkennen, weil sie letzten Endes den gesamten Film mit ihrer Mimik & Gestik sowie vielen tollen Monologen trug. Man konnte sich mit ihren Emotionen und Gedanken stets identifizieren und litt mit ihrem aussichtslos anmutenden Schicksal bis zum Schluss mit. Dass sie eine vielseitige Darstellerin ist, hat sie nun eindrucksvoll unter Beweis gestellt, gerade weil die Rolle ihr vermutlich unglaublich viel abverlangt hat. Bullock wäre eine Nominierung wirklich zu wünschen, wenn auch vielleicht nicht der zweite Sieg. Der Fokus des Geschehens wurde bewusst häufig auf die Hauptpersonen und ihre realistische Gefühlslage gelegt und auch Clooney gefiel mir in seiner kurzen Screentime als Matt Kowalski recht gut. Schließlich brachte er auch fein dosierte, humoristische Facetten in die Handlung. Sowohl die persönliche Vorgeschichte der zwei Protagonisten als auch ihre persönliche Entwicklung steuerte selbstredend eine gewisse Theatralik bei, jedoch keine Sentimentalität, was ebenfalls lobend erwähnt werden muss. Abgerundet wurden die Performances durch eine für mich vollkommen unerwartete Wendung gegen Ende des Films und einer fabelhaften Botschaft: „Gib niemals auf, auch wenn die Lage aussichtslos erscheinen mag.“

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, ist Cuaróns „Gravity“ ein Gesamtkunstwerk, nach dem man erstmal wieder zu einem ruhigen Pulsschlag zurückfinden muss und das mich überdies dafür öffnen kann, dem Genre des Science-Fiction-Thrillers höhere Anerkennung zu zollen beziehungsweise grundsätzlich mehr Chancen zu gehen. Eine solch hohe Wertung hat zumindest noch kein ähnlich gearteter Film von mir erhalten und das wird sicher auch lange Zeit so bleiben. Seht ihn euch unbedingt im Kino an – ihr werdet es keinesfalls bereuen!

Wertung40

USA 2013 – 90 Minuten
Regie: Alfonso Cuarón
mit: Sandra Bullock & George Clooney
Genre: Science-Fiction / Thriller

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Filme, Reviews. Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.