Sein letztes Rennen

Sein letztes Rennen

Paul Averhoff (grandios: Dieter Hallervorden) war einst ein großer Marathonläufer, eine Legende, Gewinner der Goldmedaille in Sydney 1958. Zu seiner Zeit. Jetzt, mit weit über 70, zieht er nach wiederholten Stürzen seiner Frau Margot (überragend: Tatja Seibt) nach vielen glücklichen Jahren aus dem vertrauten Zuhause aus – auch weil Tochter Birgit (Heike Makatsch) sich nicht kümmern kann; sie jettet als Flugbegleiterin durch die ganze Welt und ist nur selten greifbar. Im Altersheim, wo Paul sich plötzlich zwischen Singkreis und Bastelstunde entscheiden muss, drängt sich die entscheidende Frage auf: Das soll es gewesen sein?

Nicht mit Paul. Um nicht in tiefe Depression zu verfallen, zieht er seine alten Rennschuhe an und beginnt im Heimpark zu laufen. Tag für Tag. Runde für Runde. Anfangs schleppend und jämmerlich, dann aber immer schneller. Seine Heim-Mitbewohner halten ihn für verrückt, zumal er behauptet, für den Berlin-Marathon zu trainieren und ihn auch gewinnen zu wollen. Als sich Margot dazu überreden lässt, ihn wie früher mit strenger Hand zu trainieren, und Paul in einem Rennen gegen den jungen Pfleger Tobias (mal in einer sympatischen Rolle: Frederick Lau) gewinnt, schlägt die Zurückhaltung der Bewohner jedoch in Begeisterung um.

Die „trüben Tassen“ werden wieder lebhaft, sie erinnern sich an ihren Helden aus vergangenen Tagen, feiern mit ihm und feuern ihn an. Und im Altersheim geraten die Abläufe durcheinander…Die deutsche Tragikomödie von Kilian Riedhof, der mit dem TV-Film „Homevideo“ seinen Durchbruch feierte, überrascht mit einem Dieter Hallervorden, der hier seine Karrierbestleistung abliefert und sich berechtigte Hoffnung auf den deutschen Filmpreis machen dürfte. Ebenso grandios agiert hier Tatja Seibt als seine Mentorin und Ehefrau. Heike Makatsch, die in der Hildegard Knef-Biografie „Hilde“ beweisen konnte, was in ihr steckt, überzeugte Kritiker mit ihrer Darstellung als rastlose und überforderte Tochter, ich persönlich finde ihre Geschichte unnötig und deplatziert. Auch die Darstellung von Katrin Sass hat mir als „Light-Variante“ von Nurse Ratched (Einer flog übers Kuckucksnest) nicht so gut gefallen. Ihre Wandlung kam mir zu extrem und Schablonenhaft daher. Frederick Lau (Deutscher Filmpreisträger für seine überragende Leistung in „Die Welle“) darf mit einer eher sympatisch angelegten Rolle als Pfleger glänzen und zeigt einmal mehr, dass er im Grunde zu den ganz großen deutschen Jungschauspielern aus Deutschland zählt.

Vergesst den Trailer, der zeigt eher die lustigen Szenen des Films, die mal gerade die Hälfte des Films ausmachen, ansonsten zeigt er ein eher düsteres Bild von Pflegeheimen, wo die Zeit für persönliche Betreuung fehlt und alte Menschen mit sinnfreien Beschäftigungen dahinvegetieren. In einer Kritik wurde „Sein letztes Rennen“ als „Amour“ (von Michale Haneke) meets „Lola rennt!“ (von Tom Tykwer) bezeichnet. Im Grunde ist dies etwas plakativ, aber passt in seinen Grundzügen. In den stärksten Momenten erreicht der Film die emotionale Wucht von „Amour“ und wirklich schmerzvoll mitanzusehen. Der deutsche Film hat hier eine echte Perle vorzuweisen, die ohne dem verklebt-pathetischen Ende einem Meisterwerk wirklich sehr nahe gekommen wäre. Nichtsdestotrotz lohnt sich der Kinobesuch und beim Deutschen Filmpreis dürfte der Film auch etliche Nennungen und Preise bekommen, denn neben den beiden herausragenden Hauptdarstellern gibt es auch bezüglich der technischen Seite nichts auszusetzen. Eher im Gegenteil. Die Montage in der Eröffnungsszene in der die Erfolge von Paul gezeigt werden generiert bereits den Kinobesuch.

USA 2013 - 109 Minuten Regie: Richard Linklater mit:  Julie Delpy, Ethan Hawke, Seamus Davey-Fitzpatrick, Panos Koronis Genre: Tragikomödie

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