„The Lone Ranger“: Die Nachbetrachtung



Die nackten Fakten

The Lone Ranger kostete 215 Mio. Dollar an Produktionskosten, spielte in den USA am Start-Wochenende 29,2 Mio. Dollar ein und brachte es insgesamt auf ein Einspielergebnis von 89,3 Mio. Dollar. Im Rest der Welt kamen noch weitere 171,2 Mio. Dollar hinzu, so dass am Ende ein weltweites Einspielgebnis von 260,5 Mio. Dollar steht.

Bei IMDB steht er bei einer Wertung von 6,6 und bei Rotten Tomatoes bei 31 % positiven Reviews.

Ist The Lone Ranger in den USA gefloppt?

Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass ein Hollywood-Film seine Produktionskosten alleine in den USA wieder einspielen muss um nicht als Flop dazustehen. Dem Budget von 215 Mio. Dollar steht ein Einspielergebnis von 89,3 Mio. Dollar entgegen. Macht ein Minus von 125,7 Mio. Dollar. So gesehen ist The Lone Ranger in der Tat gefloppt.

Ist The Lone Ranger weltweit gefloppt?

Betrachtet man die Sache im weltweiten Umfang, steht dem Produktionsbudget ein Gesamt-Einspielergebnis von 260,5 Mio. Dollar entgegen und damit ist The Lone Ranger streng genommen kein Flop, denn er hat sein Produktionsbudget wieder eingespielt.

Was ist mit den Marketingkosten?

Disney hat ca. 150 Mio. Dollar für Werbung ausgegeben. Das plustert die Gesamtkosten auf ca. 365 Mio. Dollar auf. Diese Summe hat der Film weltweit nicht eingespielt.

Aber jetzt kommt der Harken an der Sache: Es geht bei Filmen und ihrem Erfolg an den Kinokassen immer nur um die reinen Produktionskosten. Nur in den äußersten Fällen rücken Produktionsfirmen mit dem Etat für die Werbung heraus. Teilweise drücken sie sich sogar davor das reine Produktionsbudget anzugeben.

Ergo macht es für uns Filmkritiker und -berichterstatter gar keinen Sinn in Flop-Überlegungen die Marketingkosten mit einzurechnen. Wirklich interessieren tut das nur die Leute aus der Marketing- und Chefetagen des jeweiligen Studios. Für uns sollte nur das reine Produktionsbudget wichtig sein. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Konnte The Lone Ranger überhaupt zu einem weltweiten 800 Mio.+x-Erfolg werden?

Schauen wir uns mal die nackten Fakten an: Western ziehen an den US-Kassen einfach nicht. Zwar spielte True Grit im Jahr 2010 stolze 171 Mio. Dollar ein, aber er profitierte auch von einem starken Holding, in dem er sein Start-Einspielgebnis von über knapp über 24. Mio. Dollar in der zweiten Woche halten konnte, in den Wochen 4 bis 10 nur Verluste von durchschnittlich 14,1% hatte und von positiven Kritiken begleitet war. Außerdem war das Werk der Coen-Brüder ein waschechter Western, während The Lone Ranger mehr ein Western-Adventure war.

Werfen wir mal einen Blick auf die anderen Vertreter des Genres: Cowboys & Aliens spielte 100,2 Mio. Dollar ein; Jonah Hex: 10,5 Mio. Dollar; Appaloosa von Ed Harris: 20,1 Mio. Dollar; 3:10 to Yuma: 53,6 Mio. Dollar; The Alamo (ebenfalls von Disney/Buena Vista): 22,4 Mio. Dollar; The Missing von Ron Howard: 27 Mio. Dollar; Open Range von Kevin Costner: 53,3 Mio. Dollar; Wild Wild West: 113,8 Mio. Dollar; Wyatt Earp und der ähnlich angelegte Tombstone brachten es auf 25 Mio. Dollar bzw. 56,5 Mio. Dollar; Maverick mit Mel Gibson: 101,6 Mio. Dollar; und Unforgiven mit Clint Eastwood: 101,2 Mio. Dollar. Der letzte wirklich erfolgreiche Western kam 1991, war von Kevin Costner und hörte auf den Namen Dances with Wolves. Sein US-Einspielergebnis: 184,2 Mio. Dollar. Hier bin ich mir aber auch nicht sicher, ob diese Zahlen ohne seine späteren Oscar-Nominierungen, bzw. -Gewinne möglich gewesen wäre. Er hätte sich ebenfalls wohl bei ca. 100 bis 120 Mio. Dollar eingependelt.

Man sieht also: Nur in den äußersten Fällen spielten Western mal über 100 Mio. Dollar ein und gerade Cowboys & Aliens und Wild Wild West stehen ja ebenfalls in dem Ruf an den US-Kassen gefloppt zu sein (beide hatten ein Produktionsbudget von ca. 165 Mio. Dollar). Der erfolgreichste Western im weltweiten Einspielergebnis ist übrigens Dances with Wolves mit 424,2 Mio. Dollar.

Jetzt werden viele fragen: Hast du nicht Django Unchained vergessen? Er spielte in den USA 162,8 Mio. Dollar und brachte es weltweit auf 425,4 Mio. Dollar.

Western ziehen an den Kinokassen schlicht und ergreifend nicht.

Aber mit Pirates of the Caribbean hat es Gore Verbinski doch schon mal geschafft einen Blockbuster in einem schwierigen Genre zu plazieren!

Bis Gore Verbinski im Jahr 2003 Captain Jack Sparrow in See stechen und die Kinokassen in den USA mit einem Einspielergebnis von 305,4 Mio. Dollar klingeln ließ, war der erfolgreichste Piratenfilm Hook aus dem Jahr 1991 mit einem US-Einspielergebnis von 119,7 Mio. Dollar.

1995 versenkte dann Renny Harlin mit seiner damaligen Ehefrau Geena Davis das komplette Genre und dazu noch die Produktionsfirma Carolco Pictures mit Cutthroat Island: Dem fast 100 Mio. Dollar-Budget standen ein Einspielergebnis in den USA von 10 Mio. Dollar entgegen. Piratenfilme waren also noch ein viel größeres Kassengift als Western.

Welches Einspielergebnis hätte ich denn für realistisch gehalten (in den USA und weltweit)?

Sowohl John Carter 2012, als auch Prince of Persia 2010 starteten beide jeweils mit ca. 30 Mio. Dollar. In diesem Rahmen startete auch The Lone Ranger. Gore Verbinskis voriger Film Rango startete 2011 mit 38 Mio. Dollar und der erste Pirates of the Caribbean 2003 mit 46,6 Mio. Dollar. Also halte ich mal einen Start von 40 Mio. Dollar für realistisch.

Im Durchschnitt spielten die Filme von Verbinski das dreifache ihres Start-Wochenede als Gesamtergebnis ein. Bei einem 40. Mio.-Start wären also grob überschätzt nur ca. 120 Mio. Dollar für The Lone Ranger drin gewesen. Höchstens 150. Mio. Dollar. Das wäre aber schon eine große Überraschung geworden.

Gehen wir mal davon aus, dass das Einspielergebnis in den USA 40% vom weltweiten Einspielgebnis ausmachen (bei John Carter waren es 74,3%, bei Prince of Persia 73%, bei Rango 50,3% und bei den Pirates of the Caribbean-Filmen durchschnittlich 39,5%), so landen wir bei The Lone Ranger bei einem weltweiten Einspielergebnis zwischen 300 Mio. und 375 Mio. Dollar. Real war der Verhältnis am Ende übrigens 34,3% in den USA und 65,7% im Rest der Welt.

Ein oder zwei Monate vor Kinostart hatte ich schon das Gefühl, dass ein weltweites Einspielergebnis von 500 Mio. Dollar einem Wunder gleichkommen würde. Und selbst mit meiner optimistischen Schätzung oben hätte es der Film schwer gehabt die 400 Mio. Dollar-Grenze zu überschreiten.

Soviel zur Box Office-Geschichte.

Alle US-Kritiker fanden den Film schlecht!

Wirklich? Folgende US-Kritiker sagen etwas anderes:

Blake Howard / 2UE That Movie Show | Jon Niccum / Kansas City Star | Charlie McCollum / San Jose Mercury News | Rob Vaux / Mania.com | James Verniere / Boston Herald | Jim Judy / Screen It! | Rafer Guzman / Newsday | Ignatiy Vishnevetsky / AV Club | Clint O’Connor / Cleveland Plain Dealer | Duane Dudek / Milwaukee Journal Sentinel | Jason Gorber / Twitch | Robin Clifford / Reeling Reviews | Laura Clifford / Reeling Reviews | Joshua Starnes / ComingSoon.net | Luke Y. Thompson / Topless Robot | Bill Gibron / Film Racket | Walter Chaw / Film Freak Central | Andrew O’Hehir / Salon.com | Callie Enlow / Orlando Weekly | Sean Means / Salt Lake Tribune | Julian Roman / MovieWeb | Mike Scott / Times-Picayune | Steven Rea / Philadelphia Inquirer | Jonathan W. Hickman / Daily Film Fix | Peter Canavese / Groucho Reviews | Frank Lovece / Film Journal International | Matt Zoller Seitz / RogerEbert.com | Gary Wolcott / Tri-City Herald | Kevin Carr / 7M Pictures | Jeanne Kaplan / Kaplan vs. Kaplan | Jeffrey M. Anderson / San Francisco Examiner | Betty Jo Tucker / ReelTalk Movie Reviews | Michelle Alexandria / Eclipse Magazine | Cole Smithey / ColeSmithey.com | Ken Hanke / Mountain Xpress | Sara Maria Vizcarrondo / Movies With Butter | John Hanlon / Big Hollywood | John Beifuss / Commercial Appeal

Im Rest der Welt und auch in Deutschland wurde der Film darüber hinaus sehr viel positiver besprochen als in den USA, wo sich viele Kritiker wohl an dem negativen Bild der US-Kavallerie aufgehangen haben.

Und wie schaut es bei IMDB aus?

Dort steht der Film im Moment bei 6,6 Punkten, wo ihm der Großteil zwischen 6 und 8 Punkten gibt. Auch das Wertungs-Verhältnis zwischen US-Votern und denen aus anderen Ländern liegt nah beieinander: 6,3 gegen 6,6.

Aber jetzt mal Butter bei die Fische: Wie fand ich ihn denn?

Über die volle Laufzeit von 2,5 Stunden hat mich der Film wunderbar unterhalten. Anderes hatte ich von Gore Verbinski aber auch nicht erwartet. Johnny Depp und Armie Hammer harmonieren wunderbar zusammen und vor allem Hammer beweist nach Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen abermals ein Talent für Komik, die sich bei ihm vor allem im Gesicht abspielt. Alleine sein Ausdruck als der Zug am Anfang nicht wie geplant am Bahnhof anhält, sondern durchrasst ist Gold wert.

Der Film hat kaum Leerlauf, die immer wieder eingestreuten Gags sitzen und der Cast ist mit Tom Wilkinson, William Fichtner, dem wunderbaren Barry Pepper als General Custer-Verschnitt, James Badge Dale, Ruth Wilson und Helena Bonham Carter wunderbar und mit großer Spielfreude dabei.

Desweiteren ist der Score von Hans Zimmer wunderbar passend, die Ausstattung verschwenderisch und perfekt gewählt und die Action – wie nicht anders zu erwarten bei Verbinski – ein Festmahl für jeden Liebhaber von Over the Top-Szenen.

Es gibt nur einen wirklichen Kritikpunkt: Zuweilen ist in den Action-Szenen das CGI nicht ganz perfekt und es fällt einem schon ins Auge was echt ist und was nicht. Aber das mindert das Vergnügen nicht an diesen Film. Nur sollte man zwei Sachen wirklich mögen: 1. Das Western-Genre (Verbinski hat dann doch die eine oder andere Hommage an Genre-Klassiker gesetzt) und 2. Die Pirates of the Caribbean-Filme. Sonst könnte man mit dem The Lone Ranger nicht ganz warm werden.

Und noch ein Wort zu Johnny Depp: Ja, er ist Johnny Depp. Auch in diesem Film. Das kann man kritisieren und einfallslos finden. Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind: Man hätte sich doch sehr gewundert, wenn Depp seinen Tonto komplett anders gespielt hätte. So gesehen war er schon die perfekte Rolle für ihn und er spielt Hammer auch nicht an die Wand, sondern spielt ihm gut die Bälle zu und lässt ihm auch genügend Raum für eigene Akzente.

Im Endeffekt ist The Lone Ranger nicht das Desaster das so viele in ihn sehen wollen (einige ohne ihn überhaupt gesehen zu haben, was ich eh immer für verwerflich halte), sondern die erhoffte Western-Achterbahn, mit verschwenderischen Kulissen, tollen Stunts und stimmigen Humor-Augenblicken.

Hi-Yo, Silver! Away!

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