The Counselor

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In der Indie-Tragikomödie Igby goes down sagt Igby über seine neuen Bekannten: „“She is a dancer who does not dance, and her friend is a painter who does not paint.“ Würde er Michael Fassbender als Anwalt kennenlernen, so würde er sagen: „He is a counselor who does not counsel.“ Und das, obwohl er von allen anderen nur mit seiner Berufsbezeichnung benannt wird, seinen Namen erfahren wir nicht.

Der Anwalt, der also niemanden berät, sucht selbst Rat und nimmt ihn dann nicht an. Er möchte groß ins Drogengeschäft einsteigen, nur ganz kurz, für einen Deal, und trifft sich aus diesem Zweck mit den Kontaktmännern Reiner (Jarvier Bardem) und Westray (Brad Pitt). Beide raten ihm dringend davon ab. Er verstünde zu wenig von diesem Geschäft und er würde unterschätzen, wozu das Drogenkartell fähig ist, wenn es darauf ankommt. Doch der Counselor bleibt merklich unbeteiligt. Ja, er ist Anwalt, er nagt nicht am Hungertuch, doch nun will er heiraten und seine Freundin Laura (Penelope Cruz) beeindrucken. Dafür braucht er etwas Taschengeld. Er ist habgierig. Er möchte mehr scheinen, als er tatsächlich ist.

Das zieht sich durch seine gesamte Persönlichkeit und die Persönlichkeiten der anderen Protagonisten, der Schein: der Counselor gibt vor, Laura unendlich zu lieben, doch er meint damit vorrangig, mit ihr im Bett zu sein oder auf irgendwelche schicke Parties zu gehen. Reiner wiederum zeigt seinen extravaganten Lifestyle durch sein großes Haus mit Poollandschaft. Seine Freundin Malkina (Cameron Diaz) in ihrer Mode. Und Westray ist einfach cool. Er inszeniert sich als alternder Großstadtcowboy. Alle haben die Bodenhaftung verloren. Abgesehen von Laura. Sie bräuchte keinen teuren Verlobungsring, um glücklich zu sein. Doch leider weiß der Counselor das nicht. Er hätte sich sonst einiges erspart. In doppeltem Wortsinn.

Dieses Setting, die Darsteller, Regie (Ridley Scott) und Drehbuch (Cormac McCarty, Autor von u.a. No Country for old man) sehen nach den erforderlichen Ingredienzien für einen kommerziellen Erfolg aus, der auch in der kommenden Awards Season reüssieren könnte: alleine es funktioniert nicht. Dabei kann man Scott nicht einmal vorwerfen, nichts gewagt zu haben. Im Gegenteil: der Film hat durchaus den Anspruch, ganz vehement gegen die Sehergewohnheiten und Erwartungen seines Publikums zu arbeiten. Er schlängelt zwischen den Genres und ist in seiner Machart durchaus innovativ.

Aber der große Schwachpunkt dieses Werkes – neben der Tatsache, dass sich die einzelnen Teile nie zu einem homogenen Ganzen zusammenfügen – sind seine Dialoge. Die Verantwortlichen haben wohl vergessen, dass sie in einem visuellen Medium zuhause sind. Die Darsteller reden und reden und reden. Und am Ende ist man so schlau wie zuvor. Es gibt praktisch keinen Dialog im Film, dem es zuzutrauen wäre, auch im tatsächlichen Leben geführt zu werden. Ich halte es für keinen Zufall, dass die Protagonisten im Film sich selbst nicht verstehen und ständig nachfragen müssen, wie das jetzt gemeint war. Die Dialoge führen entweder geradewegs ins Nichts oder sie sind platte, kalenderspruchartige Lebensweisheiten. Küchenphilosophie. Hausverstand. Der Film scheitert an seiner Sprache.

Damit haben auch die Darsteller zu kämpfen, die sich redlich bemühen, zu meinen, was sie sagen. Mit Abstand am besten gelingt das Pitt, er hat auch die dankbarste Rolle, in der er seine ganze Schrägheit und Coolness ausspielen kann. Fassbender wird immer überzeugender, je länger der Film dauert (und damit: je verständlicher er wird). Bardem und Diaz bringen solide Leistungen, Penelope Cruz fällt als blasse Femme fragile deutlich ab.

Und: „The Counselor“ ist nicht nur brutal, er ist grausam. Wenn etwas Schreckliches passiert, dann auf die schlimmste erdenkliche Möglichkeit. Und die Kamera schwenkt dann nicht gnädig weg, sie bleibt drauf, bis dem Zuseher fast übel wird. Diese Grausamkeit ist es auch, die den Film in der Erinnerung hält, für die nächsten Tage, die einen nicht loslässt. Ein Schelm wer meint, dass das Strategie war, um sich nicht bei Erklärungen, besseren Dialogen oder feinerer Charakterisierung aufzuhalten?

Die angesagte Sensation wäre vielleicht nicht drinnen gewesen, ein kleines Indie-Juwel aber durchaus. Schade.

CL 2013 - 105 Minuten Regie: Sebastián Lelio mit: Paulina García, Sergio Hernández, Diego Fontecilla, Fabiola Zamora Genre: Tragikomödie

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