Blau ist eine warme Farbe (OT: La Vie d’Adèle – Chapitres 1 et 2)

Wenn im Frühjahr die goldene Palme in Cannes vergeben wird, hört der Kinogänger hin und wieder von einem Preisträger mit ihm bis dato unbekannten Titel. Aber immer wieder ist auf diesen nahezu wichtigsten Filmpreis Verlass. Einen Palme D’or-Film sollte man nicht verpassen! So auch „La Vie D’Adéle“ oder hierzulande „Blau ist eine warme Farbe“.

Stetig werden wir überflutet von Liebesgeschichten. Dramatische und schöne, von scheiternden und glücklich Liebenden. Doch wieviele gibt es, die die ganze Macht und Gewalt der Gefühle dahinter auf den Punkt bringt?

Adèle besucht die 11. Klasse in Lille und ist Teil einer Clique heranwachsender Mädels. Schnell wird deutlich, hier handelt es sich um ein ganz normales soziales Gefüge mit dem alterstypischen Gerede und Gehabe. Es wird jedoch sofort klar, dass Adéle unsicher ist, dazugehören will aber auch anders ist. Ein Junge buhlt um sie, die Clique macht Druck, Adéle steht im Fokus und fühlt sich sichtlich unwohl. Es geht schief. Der Junge ist schnell vergessen, der Sex war zwar „gut“ aber es fühlt nicht echt an. Als ob sie immer nur vortäusche. Über ihren schwulen Freund landet Adéle in einer Homo-Bar und die Unsicherheit ist noch immer ihr Begleiter. Da sitzt wieder diese Frau mit den blauen Haaren, welche sich schon zuvor auf der Straße nur im Vorbeilaufen in Adéles Leben gebrannt hat. Emma, Kunststudentin, gibt ihr allmählich das Gefühl nicht vorzutäuschen. Es fühlt sich richtig an. Aber es wird nicht unkomplizierter.

Knapp drei Stunden werden wir Zeuge des gemeinsamen Lebens und der Liebe der beiden, welche immer wieder auf die Probe gestellt wird. Bemerkenswert, dass die gesellschaftliche Akzeptanz einer solchen Beziehung anfangs noch als herausstechendes jedoch nicht als einziges oder gar wichtigstes Hindernis geschildert wird. Das größte Glück des Films sind jedoch die Darsteller. Was ist der superlativ von großartig spielen? Echt sein? Genau so kommt es dem Zuschauer vor. Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux befeuern die Leinwand voller Wucht mit der ganzen Palette an Emotionen. Regisseur Abdellatif Kechiche ist mit der Kamera in Großeinstellungen immer ganz nah dran. Distanz kommt erst gar nicht auf. So werden wir unmittelbar Zeuge von all diesen das Leben ausmachenden nicht immer schmerzfreien Facetten: Unschuld, Erwachsenwerden, Liebe, Angst, Zuneigung, Abweisung, Klammern, Loslassen … es nimmt kein Ende. Welches auch? Es ist ein Kreislauf mit Höhen und Tiefen, die wohl jeder kennt, egal wen er liebt. Dafür lieben wir das Kino. Es ist wie ein Spiegel in uns. Wenn wir fühlen, sehen wir auch.


Frankreich – 2013 – 2 Std. 57 Min.
Regie: Abdellatif Kechiche
mit Léa Seydoux, Adèle Exarchopoulos und Salim Kechiouche
Genre: Drama, Romanze

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