Film des Monats: DER MIT DEM WOLF TANZT (OT: DANCES WITH WOLVES)

Der mit dem Wolf tanzt 3


In der Award-Season 1990/91 kam es zu einem sehr spannenden Zweikampf. Auf der einen Seite stand der Mafia-Thriller „Good Fellas“ von Martin Scorsese. Dem Mann, der für Viele bereits für „Taxi Driver“ bzw. „Wie ein wilder Stier“ als Regisseur und Co-Produzent übergangen wurde (so auch für mich) und der nun für viele Kritiker seinen bis dato besten Film vorgelegt hatte.
Und auf der anderen Seite das dreistündige Western-Epos „Der mit dem Wolf tanzt“, Regiedebüt des aufstrebenden jungen Schauspielers Kevin Costner, das über weite Strecken sogar nur untertitelten Lakota-Dialekt enthält. Zwei Mammutwerke also, die sich beide berechtigte Hoffnungen auf diverse Filmpreise machen durften.

Scorseses Film konnte dabei zu Beginn die meisten Kritikerpreise erringen. Bei den Golden Globes wendete sich aber das Blatt und Kevin Costner durfte gleich zwei Preise für den besten Film/Drama und die Regie mit nach Hause nehmen. Mit dem Drehbuch-Globe für Michael Blake, der seinen eigenen Roman adaptiert hatte, kam dann noch eine dritte wichtige Auszeichnung hinzu. Bei den folgenden Gilden-Awards hatte ebenfalls wieder Costners Werk die Nase vorn. Und dieser Siegeszug hielt bis zu den Oscars an, wo „Der mit dem Wolf tanzt“ sagenhafte 7 Oscars bei 12 Nominierungen gewann, u. a. auch wieder die wichtigen Preise für Film, Regie und Drehbuch.
Erst bei den damals noch im April, also nach den Oscars, stattfindenden BAFTAs ging „Good Fellas“ wieder als großer Sieger einer Preisverleihung hervor und konnte insgesamt 5 von 7 „Masken“ einheimsen. Er setzte sich dabei auch gegen den Oscar-Gewinner des Vorjahres „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ durch. „Der mit dem Wolf tanzt“ hatte in dem Jahr übrigens noch keine Startberechtigung und trat erst im darauf folgenden Jahr u. a. gegen „Das Schweigen der Lämmer“ an. Dort mussten sich dann aber beide den „Commitments“ beugen.

Diese Entscheidung ist jedoch bis heute nicht unumstritten, viele Filmfans hätten gerne Scorsese mit seinen ersten Oscars gesehen. Doch so gut „Good Fellas“ auch ist (er rangiert bei mir nach „Taxi Driver“, „The Wolf of Wall Street“ und „Kundun“ auf Platz 4 der besten Scorsese-Filme) hätte die Academy für mein Empfinden nicht besser entscheiden können.
Denn was Kevin Costner hier abgeliefert hat ist schlicht und ergreifend ein Meisterwerk und nichts weniger als ein Meilenstein der Filmgeschichte!

Die Handlung setzt im Jahre 1863 während des Sezessionskrieges ein. Der schwer verwundete Nordstaaten-Lieutenant John J. Dunbar (Kevin Costner) will auf keinen Fall, dass man ihm sein Bein abnimmt und reitet daher in selbstmörderischer Absicht während eines stockenden Gefechtes vor die feindlichen Linien. Er wird jedoch nicht erschossen, sondern ermöglicht durch diese Ablenkung seinen Mannen sogar den Sieg und wird dadurch unfreiwillig zum Helden der Kompanie. Als Belohnung bekommt er die bestmögliche Behandlung durch die Leibärzte seiner Vorgesetzten, die sein Bein retten können, darf die Front verlassen und sich zudem selbst einen neuen Posten aussuchen.
Dunbar lässt sich zur Überraschung aller zu einem winzigen Außenposten, dem Fort Sedgwick, in den weiten Prärien des heutigen South Dakota versetzen. Dort angekommen findet er den Stützpunkt allerdings gottverlassen vor. Doch statt direkt wieder umzukehren bleibt er dort, bringt den Stützpunkt auf Vordermann und will seine militärischen Pflichten erfüllen. Und so unternimmt er neben seinen Tätigkeiten im Fort tägliche Erkundungsritte. Sein einziger Begleiter ist dabei, neben seinem Pferd Cisco, ein einsamer neugieriger Wolf, der sich in der Nähe des Postens herumtreibt und den er aufgrund seiner speziellen Fellzeichnung „Socke“ tauft.
Nach einiger Zeit begegnet er zum ersten Mal einem Ureinwohner, der das Fort verlassen vermutet, und vertreibt ihn. Doch kurz darauf kommen weitere „Indianer“. Das Verhältnis ist zu Beginn sehr unterkühlt und von Misstrauen begleitet, doch nähern sich Dunbar und die Lakota, vom Stamme der Sioux, mit der Zeit immer näher an. Als er eines Tages seinen Antrittsbesuch im Dorf der Lakota machen will, stößt er jedoch auf eine verstörte weiße Frau (Mary McDonnell) aus jenem Dorf, die gerade im Begriff ist sich die Pulsadern aufzuschneiden da ihr Mann im Kampf gegen die befeindeten Pawnee gefallen ist. Als er sie lebend zurückbringt wird aus der mittlerweile guten Beziehung eine echte Freundschaft, besonders mit dem Medizinmann „Strampelnder Vogel“ (Graham Greene) versteht er sich bestens, und auch „Steht mit einer Faust“, die Frau die er gerettet hat und die als kleines Kind von den Lakota aufgenommen wurde, nachdem ihre Eltern und Geschwister von den Pawnee getötet wurden, hat es ihm angetan. Dunbar wird sogar in den Stamm aufgenommen und erhält später den Namen „Der mit dem Wolf tanzt“.
Doch die Eintracht soll nicht allzu lange halten, denn zum einen steht ein neuer Kampf gegen den Stammesfeind an, und auch die weißen Soldaten nähern sich immer weiter dem Indianergebiet. …

Ich möchte mich übrigens nicht auf die gekürzte Kinofassung beziehen, sondern die fast 4 Stunden lange Originalfassung, die erstmals im Jahr nach dem Oscartriumph zu sehen war und bis heute als die meistgesehene Version gilt. Die eigentliche Handlung ist für einen 4-Stunden-Schinken ja relativ schnell erzählt. Doch Costner legt in diesem Film auch keinen Wert darauf eine Action-Sequenz an die andere zu reihen, wie dies bei anderen Western oft der Fall ist, obwohl es auch hier natürlich die ein oder andere atemberaubende Sequenz zu bestaunen gibt. Im Gegenteil, er entdeckt die Langsamkeit. Und so bekommt der Zuschauer über lange Strecken sehr ruhig erzähltes episches Kino, mit weichen perfekt gesetzten Schnitten geboten, das perfekt zur weiten unendlich scheinenden Steppenlandschaft passt und natürlich auch zur langsamen Anfreundung des weißen Mannes mit den Sioux. „Der mit dem Wolf tanzt“ geizt dabei neben hochdramatischen Szenen aber auch nicht mit einer ordentlichen Prise leisen feingeistigen Humors.
Dies alles wurde in traumhaft schönen Bildern von Dean Semler eingefangen, der absolut zurecht mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Die Kameraarbeit steht großen Genreklassikern wie „Lawrence von Arabien“ oder „Vom Winde verweht“ in nichts nach, die Bilder bleiben einem noch lange im Gedächtnis. So schön wurde der Mittlere Westen der USA noch nie zuvor in Szene gesetzt. Alleine die sensationelle Bisonjagd hat m. E. übrigens schon den Oscar verdient. Diese wahrlich atemberaubende Szene hat mich schon als Kind echt umgehauen und tut es bis heute. Würde dies bei einer heutigen Produktion sehr wahrscheinlich ein 100%-CGI-Shot sein, so war das damals noch richtige Handarbeit: 3500 echte Büffel, sowie diverse Animatronics für die Nahaufnahmen. Aber das Ergebnis wirkt auch bis heute immer noch genial.
Der wunderschöne, anmutige, ebenfalls völlig zurecht ausgezeichnete Score des großen John Barry hallt übrigens auch noch sehr lange nach. Seine leisen, anfangs noch militaristisch angehauchten und später eher melancholischen Melodien verschmelzen mit Semlers Bildern zu einem perfekten Gesamtkunstwerk. Da könnte ich noch viel länger als nur vier Stunden zuschauen.

Die Story war zudem eine kleine Revolution zur damaligen Zeit, denn nie zuvor wurde das Bild der amerikanischen Ureinwohner so realistisch auf der Leinwand gezeigt. Natürlich kann man auch hier einige historische Unkorrektheiten bemäkeln, so werden die Lakota durch die Bank als netter, friedfertiger und wissbegieriger Stamm dargestellt, während die Pawnee als blutrünstige eiskalte Krieger inszeniert werden. Zum einen ist das Bild natürlich viel zu schwarz-weiß gezeichnet und zum anderen soll es sich in Wahrheit sogar gerade andersherum verhalten haben. So wurde den Pawnee desöfteren Land von den Sioux geraubt. Und es gibt auch noch weitere kleinere Fehler. Doch alles in allem bekommt man ein durchaus authentisches Bild der damaligen Zeit geboten, das weit weg ist von allen Karikaturen, die man bis dato in vielen alten Western zu Gesicht bekam. Außerdem zeigen Costner und Blake den Vorabend eines der schwärzesten Kapitel der amerikanischen Geschichte neben der Sklaverei auf, nämlich die Vertreibung und den, ich möchte es schon fast Genozid nennen, an der amerikanischen Urbevölkerung. Die latente Angst vor der Bedrohung ihrer Existenz zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film. Und auch wenn hier die Freundschaft eines Weißen mit den Ureinwohnern im Vordergrund steht, verleugnet der Film eben nicht deren Beinahe-Ausrottung, auch wenn dies nur explizit im „Klappentext“ am Ende erwähnt wird. John Dunbar kann im Prinzip als eine im wahrsten Sinne des Wortes aus der Art geschlagene Person interpretiert werden. Eine Figur, die ihrer Zeit weit voraus war und uns, den heutigen Zuschauern, aufzeigt wie die Kolonialisten besser hätten handeln können, ja müssen. Costner hat für seine Bemühungen nicht umsonst auch diverse Ehrungen seitens verschiedener Verbände der amerikanischen Ureinwohner erhalten.

„Der mit dem Wolf tanzt“ ist im Grunde auch kein echter Western, ich würde ihn sogar eher als Anti-Western bezeichnen. Auf jeden Fall ein wichtiges und absolut sehenswürdiges Meisterwerk, seit dem Kevin Costner von mir eine bis heute gültige Carte blanche besitzt. Ich verzeihe ihm nämlich jeden Schrott wie „Waterworld“ den er danach gedreht hat, allein für diesen einen Film.


USA – 1990 – 3 Std. 42 Min.
Regie: Kevin Costner
mit Kevin Costner, Graham Greene, Mary McDonnell, Rodney A. Grant, Floyd „Red Crow“ Westerman, Tantoo Cardinal & Wes Studi

Genre: Western, Drama

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