Dyslexie

FFLU Dyslexie Review


Das Festival des Deutschen Films zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass dort ausschließlich deutsche Produktionen bzw. Co-Produktionen gezeigt werden, das Programm besteht auch aus einem guten Mix aus Kino- und Fernseh-Filmen. Dabei werden sowohl bereits (an-)gelaufene Kinofilme die mehr Beachtung verdient hätten, als auch diverse Kino-Premieren gezeigt, und auch im TV-Bereich wartet das Festival immer wieder mit Welt-Uraufführungen auf. „Dyslexie“ von Marc-Andreas Bochert gehört zu dieser Gattung und wird voraussichtlich noch im Laufe diesen Jahres bei der ARD zu sehen.

Philipp Halbe (Christoph Bach) ist Anfang 30, alleinstehend und arbeitet als Barmann in einem angesagten Lokal. Soweit führt er also ein ganz normales Leben, doch Philipp hat ein Problem. Er kann nicht richtig lesen und schreiben. Das wissen außer ihm aber nur seine Familie und seine Chefin. Allen Anderen tischt er, wenn er etwas lesen oder unterschreiben muss, die verschiedensten Ausreden auf: Brille vergessen, er möchte sich das in Ruhe zu Hause durchlesen etc. pp. Bei allen wichtigen Behördenschreiben, Verträgen und sonstigen Briefen hilft ihm seine Mutter, von seinen Brüdern und seinem Vater, einem erfolgreichen Fachbuchautor, braucht er hingegen keine Hilfe zu erwarten.
Philipps Alltag gerät jedoch völlig aus den Fugen, als die Polizei eines Tages mit seiner 7-jährigen Tochter Lilly (Leyla-Meryem Parmakli) vor ihm steht. Deren Mutter, die Philipp noch während der Schwangerschaft sitzen hat lassen weil er sich als Analphabet nicht in der Lage gesehen hat Vater zu sein und zu beschämt war seine Dyslexie zuzugeben, ist bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Anfangs noch widerwillig nimmt er Lilly für ein paar Tage zu sich bis das Jugendamt sich um den Fall gekümmert hat. Lilly soll danach zu ihren Großeltern kommen, die einen Antrag auf Sorgerecht eingereicht haben. Doch schnell merkt Philipp, dass er Lilly gerne selbst bei sich hätte und auch Lilly möchte lieber bei ihm bleiben, obwohl (bzw. gerade weil?) das aufgeweckte Mädchen recht schnell dahinter kommt, dass ihr Papa nicht lesen und schreiben kann. Aber kann er mit dieser Einschränkung wirklich für einen Menschen sorgen? Und was sagt seine neue Freundin dazu? Und erst die zuständige Jugendrichterin? …

Im Abspann heißt es, dass über 8 Millionen Deutsche nicht richtig lesen und schreiben können. Vor einigen Jahren liefen hierzu auch diverse Werbespots des sogenannten Alfa-Telefons des Bundesverbandes für Alphabetisierung und Grundbildung. In letzter Zeit ist dieses Thema allerdings ein wenig in den Hintergrund gerückt. Dabei ist es immer noch brandaktuell.
„Dyslexie“ nähert sich dem Thema Lese-Rechtschreibeschwäche oder gar Analphabetismus sehr behutsam. Der Film ist bewusst als Komödie gehalten, er behält aber auch den Blick auf die potenziellen Einschränkungen. Er verklärt nichts, überzeichnet aber auch nichts. Dieser realistische offene Umgang macht „Dyslexie“ zu einem gelungenen Werk, der sich und die Thematik zwar stets ernst nimmt, sie aber luftig-locker in Szene setzt. Gelungene Fernsehunterhaltung, die qualitativ auch locker den Sprung ins Kino geschafft hätte. Da er als TV-Film aber vermutlich mehr Leute erreichen kann geht das völlig in Ordnung.


D – 2014 – 1 Std. 30 Min.
Regie: Marc-Andreas Bochert
mit Christoph Bach, Leyla-Meryem Parmakli, Heike Hanold-Lynch, Alessija Lause, Karoline Teska & Kathleen Gallego Zapata
Genre: Drama, Komödie

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