Das Historiendrama – ein ebenfalls unterschätztes, filmisches Genre! (Teil 3)

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In meiner bereits dritten Episode der Reihe historischer Filmdramen wird es um drei verschiedene Werke gehen, die trotz ihrer inhaltlichen Verschiedenheit eine signifikante Gemeinsamkeit aufweisen. Alle haben sich, obschon sie nicht älter als drei Jahrzehnte sind, mittlerweile unter Cineasten wie Laien den Status eines „Klassikers“ erarbeitet, während sie für andere möglicherweise überbewertet erscheinen mögen. Ein besonderes Anliegen ist es mir stets, eine gleichberechtigte Anzahl an Filmen auszuwählen, welche Ereignisse und Phasen aus jeweils allen drei großen Geschichtsepochen der modernen Zeitrechnung dokumentieren. „Gladiator“, der mir aus mehreren Gründen echte Kopfschmerzen bereitet hat, deckt diesmal das sagenumwobene Altertum ab, „Der Name Der Rose“ steht stellvertretend für das oft recht einseitig beschriebene Mittelalter und „Titanic“ spiegelt einen, wenn auch sehr begrenzten Abschnitt der Neuzeit wider… (Kommentare sind wie immer sehr gern gesehen.)

Titanic (1997)

Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass ich mir bestimmte Filme, die sich einen Platz in meinem Herzen erworben haben, weitaus häufiger zu Gemüte führe als so manch andere Person. Camerons elffach mit dem wichtigsten Filmpreis der Welt ausgezeichnetes Großprojekt bildet da keine Ausnahme, denn ich könnte nicht beziffern, wie oft ich dieses bereits mit Genuss angesehen habe – auch wenn es dem ein oder anderen noch so befremdlich erscheinen mag. Bei Veröffentlichung von „Titanic“ war ich für den Kinobesuch (im Gegensatz zu 19 Millionen anderen Deutschen) unglücklicherweise fünf Jahre zu jung, sodass ich erst nach der 3D-Wiederveröffentlichung im Jahr 2012 in die Möglichkeit bekam, die Geschichte von Rose DeWitt Bukater und Jack Dawson vor dem Hintergrund der bekanntesten Seehavarie auf der großen Leinwand zu erleben. Dennoch hat sich weder an der emporragenden Qualität noch an seiner Faszination für das Publikum in den letzten anderthalb Dekaden etwas geändert… Und jenen Männern, welche die Produktion als bloßes Schmalzkino abtun und sarkastisch hinzufügen, ihnen habe die Szene am besten gefallen, in der ein Passagier auf die Schiffsschraube prallt, sei bereits jetzt unterstellt: Auch ihr habt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die ein oder andere Träne verdrückt, wenn auch bestimmt nur klammheimlich… 🙂

16Der Untergang der Titanic, welche zur Flotte der „White Star Line“ gehörte und bei Aufbruch zur Jungfernfahrt das mit Abstand größte Passagierschiff der Welt war, ist zwar hinsichtlich der Opferzahlen „nur“ das fünftgrößte Unglück des modernden Zeitalters gewesen, dafür jedoch ohne den mindesten Zweifel das mit dem höchsten, teilweise legendären Bekanntheitsgrad. Viele dieser Mythen korrigiert Cameron in seinem Film. Auf eine Handlungsbeschreibung möchte ich an dieser Stelle verzichten, stattdessen könnte man berechtigter Weise fragen: Was genau kennzeichnet „Titanic“ nun explizit als Historienfilm, abgesehen von dem Faktum, dass er eine nunmehr 102 Jahre zurückliegende Katastrophe ins Zentrum rückt? Vieles, wie ich finde… Die Macher orientierten sich dabei nicht nur an dem aktuellsten Forschungsstand – der Vorgang des Auseinanderbrechens des Luxusdampfers war beispielsweise erst in den frühen 90ern erwiesen worden – und lässt den Zuschauer sowohl einen nuancierten Blick auf real existierende Personen wie Margaret Brown, Benjamin Guggenheim, John Jacob Astor oder aber Pablo Picasso sowie die transatlantischen Handelsbeziehungen oder aber das zunehmende Wettrüsten der Weltmächte, vor allem aber in unglaublich greifbarer Manier auf die konventionell-gesellschaftliche Situation des erst sehr jungen 20. Jahrhunderts werfen. Obschon die geschilderte, unerschütterliche, an Intensität kaum überbietbare Liebe gegen alle Widerstände rein fiktiver Art ist, hätte sie dennoch genau in dieser Form geschehen können und genau aus diesem Grund verzerrt der individuelle Fokus nicht die korrekten, historischen Gegebenheiten, sondern lässt den Weg bis zur Katastrophe mit all ihren Facetten erst dermaßen erlebbar werden. Die Brücke zur heutigen Zeit sowie gewisse Ähnlichkeiten, was die humane Natur, beispielsweise die Gier nach Geld und Macht anbelangt, werden durch die parallel angesetzten Szenen rund um die betagte Rose durchgängig aufrechterhalten. Es sind insbesondere die strikten Klassenunterschiede, die vortrefflich und selbst im Angesicht des Todes von 1500 Menschen zur Geltung kommen. Dem oftmals hervorgebrachten Vorwurf, dass dem Protagonismus scheinbar mehr Wichtigkeit zuteilwird als der Katastrophe an sich, muss ich dezidiert widersprechen, denn die Tragik der Nacht zum 15. April 1912 konnte nur anhand dessen gelingen.

17Lediglich zwei kleine inhaltliche „Fehlerchen“ seien an dieser Stelle der Vollständigkeit halber erwähnt: Zum einen habe ich mich schon als Heranwachsender fortwährend gefragt, wie die Zeichnung von Jack fast ein ganzes Jahrhundert im Safe überstehen konnte, ohne zumindest teilweise vom Salzwasser zersetzt zu werden. Außerdem rauchen die Passagiere der RMS Titanic fortwährend Filterzigaretten, die aber erst rund vier Jahrzehnte später erstmals auf den Markt kamen. Abzugskriterien sind diese Minimalitäten aber freilich nicht.
Auf den Punkt gebrachte Phrasen wie „Ich bin der König der Welt!“, „Lieber bin ich seine Hure als deine Frau!“, „Gentleman, es war mir eine Ehre, heute mit ihnen spielen zu dürfen.“ oder „Das ist doch ein Anblick, den man nicht alle Tage hat.“ haben sich mit Sicherheit nicht nur bei mir dauerhaft ins Gedächtnis gebrannt und stehen exemplarisch für eine Vielzahl an großartigen, teilweise messerscharfen Dialogen und einer Wortwahl, die dennoch stets am temporären Kontext angelehnt ist. Umso verwunderlicher erscheint es aus meiner Sicht noch heute, warum das für meine Begriffe hervorragende Drehbuch bei der Academy keine Berücksichtigung gefunden hat. Besonders auch der kontinuierliche Wechsel von warmen und kalten Farben unterstreicht die spannungsvolle Wirkung und die inhaltlichen Kontrastierungen, die Liebe und Hass genau so einschließen wie Unabhängigkeitsstreben gegenüber familiärer Kontrollausübung. Die erhabene Schlussszene lässt nicht nur einen wunderbaren Deutungsspielraum, sondern ist dermaßen emotional arrangiert worden, dass bei mir jedes Mal aufs Neue die Tränen in Sturzbächen fließen.

20Zudem stellt die meines Erachtens exzellente Mischung aus romantischen Drama, Katastrophenfilm und einem Stück dokumentarischer Zeitgeschichte für mich den Inbegriff perfekter Dramaturgie dar, die sich stufenweise in Form einer „Ruhe vor dem Eisberg“ verdichtet, sich von der Liebschaft auf das Kollektiv ausweitet, dennoch von inneren Spannungen geprägt ist und trotz angedeuteter Retardierungen unaufhaltsam auf die Tragödie zustrebt. Unabhängig davon, ob man den Dreistünder zum ersten sieht oder aber zum zwanzigsten: Man weiß, was passieren wird, dennoch ist man jedes Mal erneut entsetzt über die beängstigend realistischen, unbeschönigenden Bilder der letzten anderthalb Stunden. Das Untergangsszenario wird beinahe in Echtzeit präsentiert und muss mithilfe seiner Inszenierung noch heute als Triumphzug der Computertechnik bezeichnet werden, der für alle nachfolgenden Filme neue Maßstäbe gesetzt hat. Auch bezüglich der Ausstaffierung des Welterfolgs bedarf es nicht vieler Worte. Die Kostümierungen der Aristokraten sowie die Bekleidungen der Auswandernden, alle Requisiten und Masken sind ohne jede Ausnahme von berauschender Raffinesse, welche sowohl in historischer als auch optischer Hinsicht absolut keine Wünsche offen lassen. Man muss sich nur ein Mal Originalaufnahmen der Kabinen oder der Speisesäle des Schiffes ansehen, um der Tatsache gewahr zu werden, dass alle Kulissen bis in die allerkleinsten Details originalgetreu, echt und aufwendig reproduziert worden sind und überdies vermögen, die Unterschiede innerhalb der Dreiklassengesellschaft sichtbar werden zu lassen. Getragen werden Epik und Tragik gleichermaßen von James Horners genialen Kompositionen, welche die melodramatischen und spannungsgeladenen Sequenzen fantastisch untermalen. Céline Dions ergreifender Titelsong, für mich immer noch einer de großartigsten Balladen unserer Zeit setzt dem Ganzen die Krone auf!

18Es gab darüber hinaus in der gesamten, nunmehr fast 100-jährigen Filmgeschichte vielleicht höchstens zehn Mal Schauspielensembles voller Meisterleistungen. Hierzu zähle ich auch „Titanic“. Die jahrelange Suche nach geeigneten Personen hat sich vollends gelohnt. In darstellerischer Hinsicht ist dies aus meiner Sicht Winslets nach „Zeiten Des Aufruhrs“ und gemeinsam mit „Little Children“, „Quills“ und „Der Gott Des Gemetzels“ ihre beeindruckendste, vielschichtigste Performance, der man beeindruckt folgt, obwohl sie damals erst 22 Jahre alt war. DiCaprio verkörpert ihren Geliebten ebenfalls aus meiner Sicht fantastisch, konnte erstmal zeigen, welch großer Facettenreichtum auch in ihm steckt, weshalb es schade ist, dass ihm keine Nominierungsehre zuteil geworden ist. Die beiden wurden auch wegen ihrer Authentizität zum Traumpaar einer ganzen Generation, denen man jede Emotion abnahm und folglich bis zum letzten Atemzug Anteil nehmen wollte. Ebenso dankbar bin ich James Cameron für sein beharrliches Bestreben, Kathy Bates als „unsinkbare“ Molly zu besetzen, weshalb er deren (nicht unbeträchtliche) Gagenforderung aus eigener Tasche (!) bezahlte. Billy Zane glänzt als ekelhaft arroganter und geldfixierter Verlobter und auch Frances Fisher sowie Victor Garber und Bernhard Hill verkörperten ihre jeweilige Rolle mit spürbarer Begeisterung, Courage und Überzeugungskraft.

19Mit einer Gesamtproduktionssumme von annähernd 300 Millionen US-Dollar ist „Titanic“ der drittteuerste Film in der Geschichte der bewegten Bilder, spielte allerdings auch ungefähr das Siebenfache (!) wieder ein. Es ist schade, dass gerade ein zwar technisch ähnlich hervorragender, aber ansonsten doch recht belangloser Film wie „Avatar“ diesem Werk die Spitzenposition streitig gemacht hat. Einfach jeder der elf Oscars ist vollkommen verdient. Und auch die Auszeichnung für die Maskenbildner, Winslet oder Stuart wäre es ebenso gewesen. Anders als das unweigerlich im Verwitterungsprozess befindliche Wrack auf dem Boden des Atlantiks wird dieses Meisterstück über eine extraordinäre Liebe die Zeit überdauern… Abschließend möchte ich mich einer seinerzeitigen Äußerung von Roger Ebert in vollem Umfang anschließen, der sagte: „Es ist fehlerloses Handwerk, intelligent konstruiert, nachhaltig gespielt und faszinierend. (…) Solche Filme umzusetzen ist nicht schwer, aber es ist beinahe unmöglich, es gut zu machen.“ Cameron, der durch seine kompromisslose Regieführung den Ruf eines beinahe diktatorisch agierenden Filmemachers erhalten hat, ist aber schlussendlich genau dies gelungen. Vielen Dank dafür!

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USA 1997 - 194 Minuten Regie: James Cameron Genre: Liebesdrama / Historienfilm / Katastrophenthriller Darsteller: Kate Winslet, Leonardo DiCaprio, Billy Zane, Frances Fisher, Kathy Bates, Gloria Stuart, David Warner, Victor Garber, Bernhard Hill, Jonathan Hyde, Danny Nucci, Ewan Stewart, Suzy Amis, Bill Paxton, Jonathan Phillips
USA 1997 – 194 Minuten
Regie: James Cameron
Genre: Liebesdrama / Historienfilm / Katastrophenthriller
Darsteller: Kate Winslet, Leonardo DiCaprio, Billy Zane, Frances Fisher, Kathy Bates, Gloria Stuart, David Warner, Victor Garber, Bernhard Hill, Jonathan Hyde, Danny Nucci, Ewan Stewart, Suzy Amis, Bill Paxton, Jonathan Phillips

Der Name Der Rose (OT: Il Nome Della Rosa)

Mit religiös konnotierten Spielfilmen ist es so eine sprichwörtliche „Sache“. Religionsgeschichtliche Werke stellen zwar lediglich eine spezifische Untergattung des klassischen Historienfilmes dar, gelingen demgegenüber aber prozentual um ein Vielfaches seltener. Schließlich sind glaubensrelevante Thematiken nicht nur häufig sperrig beziehungsweise schwer verständlich und, daraus resultierend, für die Allgemeinheit ein Buch mit „sieben Siegeln“. Die Schilderung sämtlicher religiöser Ereignisse und Begebenheiten erfordert ganz besonders die Bereitschaft, diese in ihrer Komplexität zu deuten und zu vereinfachen, ohne den Grundfokus aus den Augen zu verlieren und, noch wichtiger, sich dazu zu positionieren. Oftmals werden z.B. katholische Sujets überkritisch, trivial oder aber schwarzweißmalerisch behandelt und exakt dies widerspricht einer historisch-kritischen Herangehensweise. Umso befriedigender war es, dass dem Franzosen Jean-Jacques Annaud diese Entgleisungen in der italienisch-französisch-deutschen Koproduktion „Der Name Der Rose“ nicht passiert sind.

22Zugegebenermaßen besteht seine Leistung größtenteils darin, ein hervorragendes Stück der Weltliteratur, und zwar Umberto Ecos 1980 erstmals erschienenen, gleichnamigen Roman, der als Musterbeispiel der vollendeten Synthese von Kriminalistik, inquisitorischer Historie, Symbolismus und allgemeiner Mediävistik gilt, jedoch auch wegen seiner Verschlungenheit den Leser vor eine Herausforderung stellt. Annauds Regieführung ist davon gekennzeichnet, all diese Lesarten in ausgewogenem Maß zu berücksichtigen und den sagenumwobeneren Zeitgeist des 14. Säkulums hervorragend und realitätsnah zu skizzieren, die vertrackte Handlung nichtsdestotrotz zu simplifizieren und auf ein Niveau herunterzubrechen, das nachvollziehbar, aber nicht weniger spannend ist. Den 700 Seiten umfassenden Wälzer eins zu eins zu adaptieren wäre ohnehin ein unmögliches Unterfangen gewesen. Das Geschehen spielt im Jahr 1327 und schildert die Geschehnisse um eine mysteriöse Mordserie in den Reihen einer Benediktiner-Abtei inmitten der Apenninen. Viele der Mönche sehen in den Morden Vorzeichen für die bevorstehende, johanneische Apokalypse. Der ebenso intelligente, wie skeptische Franziskaner William von Baskerville glaubt jedoch nicht an diese Prophezeiungen, und macht sich mit seinem Novizen Adson daran, die teils bestialischen Tötungen zu untersuchen.

23Die grundlegendsten geschichtlichen Zusammenhänge in der Zeit des Pontifikates Johannes XII., dem ersten Papst von insgesamt sechs Amtsinhabern, der ausschließlich von Avignon aus regierte, sind allesamt stimmig. Gleiches trifft auf den strikten Tagesablauf innerhalb des Klosters, aber auch auf die allgegenwärtige, vorlutherische Vorstellung vom „rachsüchtigen“ Gott sowie die häufige Verteufelung aller nicht-biblischer Literatur, insbesondere jener in griechischer Sprache zu. Dagegen steht im zweiten Teil neben der Auflösung der Morde primär die Inquisition, also die von der Obrigkeit und durch das Alte Testament legitimierte Verurteilung von Blasphemie, Magie und Ketzerei im Mittelpunkt, die auf allen Ebenen äußerst realistisch dargestellt worden ist. Besonders die Dialoge sind größtenteils nah an der Vorlage orientiert, folglich intelligent konstruiert und erzeugen gemeinsam mit teils drastischen Bildern eine anschwellende Spannung mit wohldosierten Brüchen. Die Kritik am machtbesessenen Klerus und den fragwürdigen Mitteln der Kirche wird dabei mehr als deutlich, ohne aber direkt anzuprangern. Auch an mörderischer Spannung in dichter Atmosphäre fehlt es nicht, obschon das Ende dem Zuschauer nicht ganz überraschend erscheinen mag und sich etwas zu abrupt vollzog. Als einer der größten Kritikpunkte muss der Umstand angesehen werden, dass viele der klösterlichen Charaktere deutlich zu skurril, beinahe am Rande der Lächerlichkeit, gezeichnet worden sind. „Der Name der Rose“, der Titel lässt interessanter Weise unzählige Interpretationen zu, erzählt demgegenüber hinlänglich von menschlichen Schwächen, vom Dilemma aus Glauben und Trieb und im Falle des Novizen von der ersten Liebe und vom Erwachsenwerden. Die Rolle des im Inquisitionsprozess fälschlicherweise schuldig gesprochenen Remigio da Varagine bildet die Stimme der Vernunft, welche einer eingangs angesprochenen, einseitigen Betrachtungsweise widerspricht. Im Übrigen erachte ich es als besonders witzigen Einfall, dass sich Bezüge zur Star-Wars-Saga deutlich feststellen lassen, denn der schlussendlich gefundene Täter wirkt beinahe wie der Imperator aus George Lucas’ Universum, während William und Adson symbolisch für die Jedi-Ritter stehen und ihnen sogar optisch nahekommen.

24Dessen ungeachtet ist es den Machern gelungen, die Kennzeichen des Hochmittelalters detailgenau und sorgfältig zu rekonstruieren und mit einem gewissen modernen Touch für den Zuschauer zu verlebendigen. Die düstere, aber im Gegenzug auch nicht übertriebene Grundstimmung entsteht in erster Linie dadurch, dass Dunkelheit und Feuer die beiden wichtigsten Stilmittel darstellen, allerdings auch der stete Gegensatz von Prunk und Tristesse. Vor allem das Szenenbild der außergewöhnlichen Abtei, eine sinnanregende Kameraarbeit und die melodische Gestaltung greifen geschmeidig ineinander. Obschon die Filmmusik, auch hierfür war James Horner verantwortlich, was ich bis zum heutigen Tag nicht gewusst habe, zwar verhältnismäßig simpel arrangiert worden ist, ließ mir bereits in der Eröffnungsszene deswegen das Blut in den Adern gefrieren.

25Sean Connery passte einfach perfekt in die Rolle des Franziskaners, der, gemessen an den unanstößlich dogmatischen Verhältnissen des frühen 14. Jahrhunderts beinahe neuzeitliche Denkweisen an den Tag legt und symbolisch für den bevorstehenden Übergang in ein neues Zeitalter steht. Seine Präsenz und Glaubhaftigkeit lässt das Zuschauerinteresse bis zum Schluss wach bleiben und unterstreicht, dass er zu den besten britischen Charakterdarstellern überhaupt gehört. Es entspricht zwar der Wahrheit, dass Slater als angehender Mönch dem nicht annähernd standhalten konnte und etwas zu oft Gesichtsaudrücke präsentiert, die schlichtweg zu viel des Guten sind, dennoch möchte ich insgesamt von einer soliden Debütleistung sprechen. Ron Pearlman überzeugte dagegen in einer unglaublich grotesken Rolle, während F. Murray Abraham ein weiteres Mal souverän agierte und auch der eigentliche Bösewicht, verkörpert durch Fjodor Schaljapin, bot in sehr hohem Alter eine ertragreiche Vorstellung.

26Zu Oscarehren gelangte „Der Name der Rose“, welcher seiner literarischen Vorlage gerecht wird, dieser nahezu ebenbürtig ist und nur geringe Defizite besitzt, unglücklicherweise nicht, auch wenn er für mich persönlich zu den besten ausländischen Werken des Jahrzehnts gehört. Connery gewann für seine großartige und sehr spezielle Darstellung seinerzeit mit Recht wenigstens einen BAFTA, genau so wie Hugo von Hasso für das nicht minder beeindruckende Make-Up. Annaud hat damit seinen gelungensten Film geschaffen, der heute insbesondere unter eingefleischten Krimi-Fans als wahrer Klassiker gilt und vor allem eins ist: Ein Werk, welches das Mittelalter – anders als eine Vielzahl anderer Beispiele – tiefgreifend durchdrungen hat.

IT / F / D 1986 - 126 Minuten Regie: Jean-Jacques Annaud Genre: Historienfilm / Krimi / Thriller Darsteller: Sean Connery, Christian Slater, Helmut Qualtinger, Michael Lonsdale, Volker Prechtel, Elya Baskin, F. Murray Abraham, Valentina Vargas, Ron Pearlman, Fjodor Schaljapin
IT / F / D 1986 – 126 Minuten
Regie: Jean-Jacques Annaud
Genre: Historienfilm / Krimi / Thriller
Darsteller: Sean Connery, Christian Slater, Helmut Qualtinger, Michael Lonsdale, Volker Prechtel, Elya Baskin, F. Murray Abraham, Valentina Vargas, Ron Pearlman, Fjodor Schaljapin

Gladiator

Seit der Entstehung der weltweit berühmten Monumentalfilme „Ben Hur“ oder „Cleopatra“ wurde spätestens mit dem Ende der 1960er um Verfilmungen antiker Stoffe weitestgehend ein großer Bogen gemacht. Erst seit dem Millennium hat das Genre wieder eine gewisse Blüte erreicht, allerdings gelingen unglücklicherweise die wenigsten dieser Versuche, wie ich bereits mit der Rezension des aus meiner Sicht vollends misslungenen Historienepos „Alexander“ dargestellt habe. „Gladiator“, der gleich eine Handvoll Academy Awards abgeräumt hat, sah ich erstmals in Gänze, als er schon jahrelang veröffentlicht worden war. Folglich waren die Erwartungen wegen vieler Auszeichnungen und berauschender Kritiken damals äußerst hoch, doch leider muss ich auch im Falle von Ridley Scotts aufwändiger, 100 Millionen teurer Produktion von einer mehr oder weniger herben Enttäuschung sprechen. Die Bepunktung fiel mir wohl deshalb besonders schwer, weil das betreffende Beispiel eigentlich über mehr als lediglich gute Ansätze verfügt und von vielen verehrt wird, weswegen ich vorab um Respekt gegenüber meiner subjektiven Einschätzung bitten möchte…

12Wir werden Zeuge des innen- und außenpolitischen Geschehens des 2. Jahrhunderts nach Christi Geburt im riesigen „Imperium Romanum“, das nunmehr seine größte Ausdehnung auf drei Kontinenten erreicht hatte. Der über das Prinzipat herrschende Kaiser Mark Aurel protegiert den aufstrebenden Feldherrn Maximus Decimus Meridius und möchte ihn zu seinem Nachfolger bestimmen, was für seinen leiblichen Sohn Commodus einem unbeschreiblichen Affront gleichkommt. Der Machthungrige erwürgt seinen Vater, während Maximus, der ihm die Gefolgschaft verweigert, hingerichtet werden soll, zunächst aber ins heutige Portugal flüchten kann. Nach der Ermordung von dessen Familie gerät er in die Versklavung, erwirbt aber als Gladiator Ehre und Ansehen zurück, sodass er nunmehr als Berufskämpfer in die Machtzentrale des Weltreiches zurückkehrt, um Rache an dem sich mehr und mehr als klassischer Despot agierenden Commodus zu nehmen.

13Die auf annähernd drei Stunden ausgedehnte, doch recht einfache Handlung hält aus meiner Sicht zweifellos mehrere Szenen, die im Kopf bleiben sowie auch hochspannende, bewusst unbeschönigende, blutige Sequenzen für den Betrachter bereit, dennoch beschleunigte sich mein Puls angesichts vieler Aspekte, die nicht direkt mit den Gladiatorenkämpfen in Verbindung standen. Nicht umsonst diente der Film einmal im Rahmen einer von mir besuchten Vorlesung zum Thema „Geschichtskultur und Medien“ als Animator eines Spiels mit dem Namen „Finde die Fehler!“ Derer gibt es nämlich in der Tat unzählig viele, was mehr als ärgerlich ist. Leider sind nämlich einfachste Bestandteile der Geschichtsschreibung mit einer selten gesehenen Starrsinnigkeit ignoriert worden. In vielen Historienproduktionen stimmt der erzählerischen Rahmen, während einzelne Details nicht auf realen Fakten basieren. Anhand von „Gladiator“ bewegt sich sogar ebendieser Rahmen allumfassend auf äußerst dünnem, unerklärlichem Eis. Dabei beziehe ich mich vor allem darauf, dass in der einführenden Viertelstunde suggeriert wird, Germanien sei in Gänze (!) erobert worden. Dies war fortwährend allenfalls ein Wunschtraum aller römischen Kaiser! Keinem von ihnen war es aber jemals gelungen, „Germania Magna“ einzunehmen, über rheinnahe Gebiete um Mainz kam das Römische Reich bekanntlich niemals hinaus. Den mit Abstand krassesten Fehler stellt jedoch der Handlungsstrang dar, es hätte seitens Aurels das aktive Vorhaben zur Wiederherstellung der Senatsrepublik bestanden, de facto zur Abschaffung des Römischen Kaisertums. Das ist haarsträubender Unfug und kommt einer intendierten Manipulation des Publikums gleich! Demzufolge basiert der gesamte, auf den Schlusspunkt gerichtete Filminhalt auf einer folgenschweren Unwahrheit. Darüber hinaus ist es historisch erwiesen, dass Marcus Aurelius eines natürlichen Todes oder aber an einer pestähnlichen Erkrankung verstarb, nicht aber durch die Hand seines Sohnes. Dieser wurde ansonsten wirklich treffend im Licht eines grenzenlos machtgierigen Intriganten beschrieben, obschon an seiner Nachfolge in der Realität ebenfalls nie der geringste Zweifel bestanden hat und er ganze zwölf Jahre die Alleinherrschaft ausübte, nicht nur wenige Monate. Die um 180 v.Chr. in einer Hochphase befindliche Verfolgung der Christen wird demgegenüber vollkommen unter den Teppich gekehrt.

30Es ist zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Verantwortlichen betont haben, es handele sich im Kern um eine „fiktive Geschichte“, doch auch jedwede Form der Fiktion muss sich in geschichtlich geprägten Filmen meiner Meinung nach in einer größtenteils korrekt inszenierten Einsäumung bewegen, insbesondere dann, wenn in gleichem Atemzug angepriesen worden ist, die Zuschauer würden ein „absolut authentisches Bild des nachchristlichen Römischen Weltreiches“ geboten bekommen. Dies ist aber nur in äußersten Ansätzen der Fall und hat vielfach nichts mehr mit notwendigen „künstlerischen Freiheiten“ zu tun, sondern mit der Missachtung grundlegender kontextueller Notwendigkeiten, weswegen man die Szenerie um Kaiser Markus Aurelius auch gleich komplett hätte weglassen und sich etwas vollkommen Neues erdenken können. Dies ist als besonders schade zu erachten, wenn man sich bewusst macht, dass grundsätzlich ein doch recht fokussierter, passender Blick auf die latinisierte Gesellschaft als solche geworfen wurde.

Mehrfach wurde das Zeitalter somit aus meiner Sicht eher als bloßes Theatron verwendet, um typisch-amerikanische Sujets wie ein grenzenloses Heldentum und individuelle Selbstbestimmung abzuhandeln, was oftmals aber allzu willkürlich erscheint. Nur zwei Charaktere, Maximus und Commodus, sowie deren Motive wurden in der Tiefe beleuchtet, der Rest der unzähligen Akteure mit größerer Screentime wird doch etwas zu schemenhaft betrachtet. Primär aus diesem Grund ging der rote Faden mehrfach verloren, obwohl die Verantwortlichen beharrlich versuchten, Geschichtsdeutung mit betont emotionalen Akzenten zu verbinden und eine Einheit zu erreichen. Spätestens mit der erneuten Verlagerung des Settings nach Rom entsteht ein Hin- und Her zwischen gemäßigter Langatmigkeit und Spannung, doch vor allem der Schlussteil ist für Scott’sche Verhältnisse doch arg schwülstig und pathetisch geraten. Die üppig ausstaffierten Szenerien bestechen das Auge und leben von Symbolen, aber auch von optischem Prunk – das bestreite ich keinesfalls. Dennoch legen die Kulissen offen, dass mit der formalen Sphäre ebenfalls recht lapidar umgegangen wurde. Zum einen fehlen in der Arena die charakteristischen Gitter, welche die Zuschauer vor den Raubkatzen schützten, die Uniformierungen und Helme der „Kurzschwertträger“ entsprechen nicht annähernd den realen Artefakten und wirken beinahe futuristisch – genau wie der Thron des Kaisers. Ein weiterer „Aufreger“ war, dass die Hennabemalungen von Mark Aurels Tochter etwas sind, das einem ganz anderem Kulturkreis, und zwar dem asiatischen entstammt. Das Schönheitsideal der römischen Frau war jedoch eine pure, makellose Haut. Zwar bin ich (mangels Interesse) sicherlich nicht der größte Sachverständige, was die Kriegskunst anbetrifft, dennoch war unübersehbar, dass die geschilderten Kampftaktiken sich grundlegend von dem unterschieden, was uns antike Zeitgenossen wie Tacitus oder Cassius Dio hinlänglich überliefert haben. Hinzu kommt, dass im Film flugblätterähnliche (!) Medien zur Veranstaltungsankündigung verwendet werden. Ich weiß nicht, unter welchen Einflüssen die Drehbuchautoren gestanden haben, doch jedem Geschichts-Legastheniker dürfte klar sein, dass der Buchdruck erst im Jahr 1555 erfunden wurde, annähernd dreizehn (!) Jahrhunderte nach diesen Ereignissen. Diese inszenatorischen Abweichungen fallen den meisten Zuschauern sicherlich nicht explizit ins Auge, dennoch ärgern sie insbesondere mich zutiefst, weil sie bei entsprechender Recherche absolut vermeidbar gewesen wären. Aus diesen Gründen bin ich auch äußerst froh, dass das vor vermeidbaren Unzulänglichkeiten strotzende Szenenbild in der betreffenden Saison nicht ausgezeichnet worden ist.

14Nun aber zu den unübersehbaren, positiven Aspekten: Über das sinnansprechende Kostümdesign kann man nämlich nicht meckern, denn gerade mithilfe dessen und gelegentlicher, überzeugender Dialogisierungen wird die Lebensart der römischen Aristokratie korrekt veranschaulicht. Die musikalische Zusammenstellung von Lisa Gerard und Hans Zimmer hatte ebenfalls durchaus unüberhörbare Vorzüge, leider wirkte der Score schlussendlich für meinen Geschmack zu einheitlich – so, als würde er nur aus drei verschiedenen Tonfolgen bestehen. Zu loben sind dagegen vor allem die geniale, an manchen Stellen in der Tat hypnotische Kameraarbeit, der Schnitt sowie die farbenprächtigen, visuellen Effekte während der Kampfszenen, die zumindest ein gewisses Maß an Interesse meinerseits aufrechterhielten. Diesbezüglich konnte „Gladiator“ zu Recht bei Publikum und der Academy punkten, denn man sieht den technischen Belangen die Arbeit, die dahintersteckte, wirklich an.

15Bezüglich des Ensembles finden wir ebenfalls sowohl Licht als auch Schatten. Zwar möchte ich Crowe eine enorme physische Präsenz, die den Film trägt, unter keinen Umständen absprechen, aber seine teils überlegenen, teils gequälten Mimiken und Worte wirkten oft einfach deplatziert und sein Spiel streckenweise ziemlich aufgesetzt und über-heroisch, selbst für einen antiken Feldherren. In gewisser Weise hat gerade seine Darstellung dazu geführt, dass ich kein Bedürfnis entwickelt habe, mit seinem Charakter mitzufühlen. Über seinen Oscargewinn bin ich nach wie vor ein bisschen unglücklich! Eine Nominierung beziehungsweise einen eventuellen Sieg in schauspielerischen Sparten wäre in meinen Augen nur für Joaquín Phoenix gerechtfertigt gewesen, der hiermit bereits die zweite exorbitant gute Performance innerhalb einer Saison erbracht hat. Der Widerling steht ihm und er holt in jeder Szene das Maximum des Möglichen heraus. Hinzu gesellen sich solide Auftritte von Richard Harris und Oliver Reed, welcher während der Dreharbeiten verstarb, aber eben auch eine Vielzahl an krampfhaften Leistungen mit geringer Überzeugungskraft. Zur von Ralf Möller gespielten Figur möchte ich an dieser Stelle Stillschweigen bewahren und Connie Nielsen fehlte es ebenfalls an Facettenreichtum.

31Aufgrund all dieser angeführten Oberflächlichkeiten und Inkonsequenzen kommt „Gladiator“ aus meiner Sicht über einen technisch fabelhaften und pompös inszenierten, ansonsten aber allenfalls durchschnittlichen, leider zu schlecht durchdachten Historienfilm nicht hinaus, der trotz großartiger Anstöße weder als profund genug noch als durchgängig spannend charakterisiert werden muss. Er leidet vor allem an dem signifikanten Plausibilitätsproblem. Vielleicht auch deshalb gilt er neben „Slumdog Millionär“ nicht nur von meinem persönlichen Standpunkt aus betrachtet als einer der umstrittenen Hauptgewinner der jüngeren Oscargeschichte. Wenn man ein Faible für Actionfilme in ungewöhnlicher Umgebung hat, historisch nicht das allergrößte Interesse besitzt oder jedoch auf Feinheiten, welche einen gelungenen Geschichtsfilm kennzeichnen, keinen gesteigerten Wert legt, dann mag Scotts Mammutprojekt funktionieren, für mich jedoch ist dieses jedoch vorrangig eine Produktion, die nur in Teilen befriedigt und im Höchstfall ein Drittel ihrer insgesamt zwölf Oscar-Nominierungen verdient gehabt hätte…

USA / UK 2000 – 164 Minuten Regie: Ridley Scott Genre: Historiendrama / Monumentalfilm / Action Darsteller: Russell Crowe, Joaquín Phoenix, Connie Nielsen, Oliver Reed, Richard Harris, Derek Jacobi, Ralf Möller, Omid Djalili, Tomas Arana, David Schofield, John Schrapnel
USA / UK 2000 – 164 Minuten
Regie: Ridley Scott
Genre: Historiendrama / Monumentalfilm / Action
Darsteller: Russell Crowe, Joaquín Phoenix, Connie Nielsen, Oliver Reed, Richard Harris, Derek Jacobi, Ralf Möller, Omid Djalili, Tomas Arana, David Schofield, John Schrapnel
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