Meine „Ein-Absatz-Kritiken“ (August & September 2015)

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Am Goldenen See (OT: On Golden Pond)

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Die menschliche Existenz ist häufig in geradezu unspektakulärer Hinsicht spektakulär und es war der Essayist Oscar Wilde, der einst formulierte: „Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Außergewöhnliche ihren Wert.“ Wenn man genauer darüber nachdenkt, passt ebendiese These außerordentlich gut zu dem von Mark Rydell vor dreieinhalb Jahrzehnten verfilmten Melodram über das den Großteil seines Lebens verheirateten Paares Thayer. Die Betrachtung dessen, eine werkgetreue Adaption von Ernest Thompsons Theaterstück, wirkt beinahe wie aus der Zeit gefallen, bleibt allerdings insbesondere durch die besonnen erzählte, subtile und sich den sanften Wogen des titelgebenden Gewässers angleichende Herangehensweise an Vorzüge und Ängste des Alters sowie gleichermaßen an intergenerationelle Brückenschläge im Gedächtnis haften. Im Prinzip bedarf es keinerlei hochdramatischer Momente, weil die intensiven Darstellungen, wehmütig eingefangenen und ausgeleuchteten Bilder und ungemein substantiellen Dialoge das psychologisch feinspürig gezeichnete Abbild dreier konträrer Altersklassen garnieren, zu denen man aufgrund wohldosiert ironischer Züge rasch Sympathien empfindet. Meiner Ansicht nach war Henry Fondas Oscarsieg definitiv alles andere als ein reiner Karriere-Preis, welcher der Sentimentalität der Academy geschuldet werden muss. Man hat ihn – analog zur weiblichen Hauptdarstellerin – nicht ausgezeichnet, bevor es „zu spät“ war, sondern weil er noch einmal sein ganzes, charakteristisches Können mühelos und facettenreich präsentiert hat. In Katharine Hepburn fand er darüber hinaus den idealen Gegenpol, denn auch in ihrem achten Lebensjahrzehnt strahlten sämtliche Gesichtsregungen Professionalität, Emotion und eine nicht in Abrede stellbare Erhabenheit aus. Darüber hinaus rechtfertigte Jane Fonda die erhaltene Oscarnominierung aufgrund zweier Szenen voller Leidenschaftlichkeit, in denen man trotz der in Wirklichkeit bestehenden Verwandtschaft die Enttäuschung über die Zurückweisung ihres Filmvaters förmlich mitfühlen kann. „Am Goldenen See“ zählt aus all diesen Gründen zu meinen persönlichen Genrefavoriten der Dekade und trotz seiner anders intentionierten Ausrichtung neben Hanekes „Liebe“ zu den aufrichtigsten Produktionen über das Alter. In unaufdringlicher Form wird dem Zuschauer nicht zuletzt vor Augen geführt, dass sogar die abschließende, von Marotten geprägte Lebensphase neue Einsichten hervorbringen kann, weswegen der sinnbildliche Film auch mehr darstellt als einen überaus würdevollen Abschied zweier Filmlegenden von der großen Leinwand.

USA 1981 - 109 Minuten Regie: Mark Rydell Genre: Tragikomödie Darsteller: Katharine Hepburn, Henry Fonda, Jane Fonda, Doug McKeon, Dabney Coleman, William Lanteau, Christopher Rydell
USA 1981 – 109 Minuten
Regie: Mark Rydell
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Katharine Hepburn, Henry Fonda, Jane Fonda, Doug McKeon, Dabney Coleman, William Lanteau, Christopher Rydell

Der Teufel Trägt Prada (OT: The Devil Wears Prada)

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Witziger Weise war es der Kinoerfolg von 2006, der im Alter von 16 Jahren den Impuls lieferte, mir binnen weniger Wochen sämtliche Filme von Meryl Streep käuflich zu erwerben und meinen Fanstatus zu entfachen und ich bin mir gewiss, dass die Masse der Menschheit vordergründig die Rolle als diabolische Verlagschefin mit ihrem Namen assoziieren dürfte. Der globale Kinoerfolg von 2006 bildet gemeinsam mit „My Big Fat Greek Wedding“ meine persönliche Lieblingskomödie seit dem Anbruch des Millenniums, denn er erfüllt schlicht und ergreifend alle Kriterien eines gelungenen, kurzweiligen und intelligent gestalteten Genrevertreters. David Frankel, der bereits zuvor viele „Sex-And-The-City“-Folgen inszenierte, liefert einen zutiefst sarkastischen, trotz seines Style-Faktors keinesfalls oberflächlichen Einblick auf die High Society des Modeimperiums, der teilweise zum Tränenlachen animiert, gleichwohl lässt die Handlungsführung auch Raum für moderate Emotionalität. Wenngleich man die neuesten, extravaganten Designerkreationen regelrecht zelebrierte, wofür man als eine der wenigen zeitgenössischen Produktionen zu Recht eine Oscarnennung kassierte, verlor man nicht aus den Augen, dass selbst im schillernden Manhattan und Paris in erster Linie nicht zählen sollte, ob ein Mensch in Gucci oder Dior gehüllt ist, sondern viel mehr, welcher Mensch sich dahinter verbirgt. Neben den zwischen Bissigkeit und Substanz schwankenden Dialogen, der fabelhaften Schlusssequenz und dem überaus stimmigen Soundtrack, mit altbekannten Titeln von Alanis Morissette, U2 und Madonna, der in Form von „Vogue“ sogar meinen liebsten Song aller Zeiten enthält, weiß vor allem das spritzige Ensemble durchgehend zu überzeugen. Zu Streeps überragender Performance erübrigen sich die Worte im Prinzip, doch sie besaß darstellerisch in Emily Blunt, die mit unbändiger Spielfreude und glaubhafter Impertinenz und Trockenheit agiert, harte Konkurrenz. Wenn man es für notwendig befand, Melissa McCarthy für einen Oscar zu nominieren, dann hätte es die noch immer auf ihre erste Nominierung warten müssende Blunt definitiv zehn Mal mehr verdient gehabt. Im Kontrast zu vielen Kritikern befand ich, dass Hathaway sich ebenfalls gut mit ihrer einer Wandlung unterzogenen Rolle arrangiert hat und zur Identifikationsfigur wird, während Stanley Tucci seinen wohl charmantesten Auftritt hinlegen konnte. „Der Teufel Trägt Prada“ zaubert zumindest mir auch bei schlimmster Laune immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht und ich kann nicht beziffern, wie oft ich ihn mir bereits angeschaut habe, was für einen hervorragenden Film ohnehin der ausschlaggebendste Indikator sein dürfte.

USA 2006 - 109 Minuten Regie: David Frankel Genre: Komödie / Satire Darsteller: Anne Hathaway, Meryl Streep, Emily Blunt, Stanley Tucci, Adrian Grenier, Tracie Thoms, Rich Sommer, Simon Baker, Daniel Sunjata, Gisele Bündchen, Tibor Feldman, Heidi Klum
USA 2006 – 109 Minuten
Regie: David Frankel
Genre: Komödie / Satire
Darsteller: Anne Hathaway, Meryl Streep, Emily Blunt, Stanley Tucci, Adrian Grenier, Tracie Thoms, Rich Sommer, Simon Baker, Daniel Sunjata, Gisele Bündchen, Tibor Feldman, Heidi Klum

Die Gärtnerin Von Versailles (OT: A Little Chaos)

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Nach einer für meine Verhältnisse unfassbar langen Kinoabstinenz innerhalb der verstrichenen Sommermonate, die nicht nur aus Zeitmangel resultierte, sondern auch dem Umstand geschuldet war, dass mich kaum ein Trailer wirklich zur Geldinvestition reizte, trieb es mich endlich wieder vorsätzlich in die sonntägliche Arthaus-Vorführung. Nach exakt zwei Stunden geschichtsträchtiger Unterhaltung war es letztlich nicht nur Kate Winslets überaus empfindsame und wertvollste Performance seit Jahren, die darin mündete, dass ich ich von Alan Rickmans erst zweiter Regieführung keinesfalls enttäuscht wurde. „Die Gärtnerin Von Versailles“, dessen Originaltitel den Kern der Intention vortrefflich trifft, entführt den Zuschauer in die wohl spannendste Epoche französischer Historie, erweitert den Kontext jedoch um die Figur der zeitungemäßen Sabine de Barra. Da sowohl die höfische als auch die bourgeoise Lebensart überaus reflektiert skizziert wurde, störte es nicht allzu sehr, dass der Landschaftsarchitekt André Le Nôtre als attraktiver Blender erscheint, obwohl er in Realität bei der Einweihung der Großbaustelle Versailles bereits sein 70. Lebensjahr erreicht hatte. Im Gegensatz dazu ist bis dato selten einem Akteur zuvor gelungen, der Rezeption des heroischen Sonnenkönig Ludwig XIV. derart nahe zu kommen wie Rickman höchst selbst, denn er verkörpert den Monarchen mit Würde, selbstinszenierender Präsenz und bedächtigem Feingefühl. Realistisch betrachtet sollte man sich das brillante Kostüm-, Masken- und Szenenbild im Stil der hochbarocken Ära der hegemonialen „Grande Nation“ unbedingt für die jeweiligen Oscarkategorien vormerken, denn viel authentischer kann man das Genre kaum ausstaffieren. Des Weiteren interessierte man sich auffallend für die Psyche der Protagonisten, gleichwohl imponieren die hohe Suggestivkraft der Bilder, teils erstklassige Kameraperspektiven, die träumerischen Klänge des Newcomers Peter Gregson sowie die sanft-pointierte Erzählweise. Bedauerlicherweise hat man es jedoch stellenweise durch den sich zunehmend amouröser gestaltenden Fokus versäumt, das dramatische Potential voll auszuschöpfen und der temporären Handlungsarmut konsequent mit starken Wortwechseln entgegenzutreten, wofür allerdings speziell Stanley Tucci in einem wunderbar überdrehten Kurzauftritt entschädigt. Inständig hoffe ich, dass dieses kleine Schmuckstück bis zur heißen Phase der Verleihungen nicht völlig in Vergessenheit gerät, denn es fungiert als Beweis, dass auch ruhige Geschichtsporträts den epischen Werken durchaus das Wasser reichen können und Rickman nicht nur als Schauspieler sorgfältige Arbeit leistet.

GB 2014 - 117 Minuten Regie: Alan Rickman Genre: Historienfilm / Romanze Darsteller: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman, Stanley Tucci, Helen McCrory, Steven Waddington, Jennifer Ehle, Rupert Penry-Jones, Paula Paul, Danny Webb, Phyllida Law
GB 2014 – 117 Minuten
Regie: Alan Rickman
Genre: Historienfilm / Romanze
Darsteller: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman, Stanley Tucci, Helen McCrory, Steven Waddington, Jennifer Ehle, Rupert Penry-Jones, Paula Paul, Danny Webb, Phyllida Law

Go Trabi Go

Kommen wir zu einer vielfach zu Unrecht belächelten, andererseits jedoch unter vielen Fernsehfans beinahe Kultstatus genießenden, nationalen Produktion, die neben einer familiären Fahrt mit dem berühmten, in der ehemaligen DDR als „Rennpappe“ titulierten Kraftfahrzeug namens „Schorsch“ sowohl soziale Kennzeichen der Zeitgeschichte als auch Aspekte wie das Erwachsenwerden und die unbändige, in wohl jedem schlummernde Reiselust mit einem Augenzwinkern aufgreift. Die von der Italienischen Reise Goethes inspirierte Fahrt bis nach Neapel spielte sich dank meiner Familie bereits im Kindheitsalter in mein Herz und nähert sich in kurzweiliger Form vielen Bonmots und Klischees über ebenjenen Kulturschock, den die Nachwendezeit für die meisten Ost- wie Westdeutsche bezüglich ihrer jeweiligen, über Jahrzehnte gefestigten Weltansichten tatsächlich mit sich gebracht haben dürfte. Da ich wenige Tage nach der Wiedervereinigung Deutschlands zur Welt kam, sehe ich mich selbst als „gesamtdeutsch“ und verneine daher auch kategorisch die vorgebrachte These, dass Komödien dieser Konstellation in erster Linie „Ossis“ ansprechen würden. Neben einigen urkomischen Wendungen und Missverständen bleiben auch die abwechslungsreichen Musiktitel in bleibender Erinnerung. Wolfgang Stumph beweist in dem maßgeschneiderten Hauptpart, dass er nicht nur die Paraderolle des Serienkommissars Stubbe füllt, sondern auch hierin mit Spielfreude und hohem Unterhaltungsfaktor punkten kann, zusätzlich zu dem charismatischen Protagonistengespann amüsieren vor allem herrliche Nebendarstellungen von Dieter Hildebrandt und dem leider viel zu früh verstorbenen Diether Krebs. Somit ist bereits kurz nach dem Mauerfall ein überaus amüsanter Beitrag inmitten des Dschungels vermeintlich witziger Filme made in Germany entstanden, der in erster Linie zur Stimmungsaufhellung beizutragen vermag. Obschon vor allem die technische Sphäre mittlerweile etwas altbacken anmutet, ist es insbesondere die rundum stimmige Komik, die augenscheinlich keinem Alterungsprozess unterliegt.

D 1991 - 92 Minuten Regie: Peter Timm Genre: Komödie Darsteller: Wolfgang Stumph, Claudia Schmutzler, Marie Gruber, Dieter Hildebrandt, Ottfried Fischer, Diether Krebs, Konstantin Wecker, Billie Zöckler, Barbara Valentin, André Eisermann
D 1991 – 92 Minuten
Regie: Peter Timm
Genre: Komödie
Darsteller: Wolfgang Stumph, Claudia Schmutzler, Marie Gruber, Dieter Hildebrandt, Ottfried Fischer, Diether Krebs, Konstantin Wecker, Billie Zöckler, Barbara Valentin, André Eisermann

Go Trabi Go 2 – Das War Der Wilde Osten

Tatsächlich benötigt man zur Besprechung des von einem Regie-Duo realisierten Nachfolgers nicht mehr als einen Absatz, denn im Kontrast zum nur ein Jahr zuvor veröffentlichten Original kann man dieser nur als Reinfall schlimmster Sorte sowie Lebenszeitverschwendung bezeichnen. Vom Charme und (n)ostalgischem Witz sowie der warmherzigen Spontanität des Prequels blieb im Prinzip nichts übrig, stattdessen wird einem in eine äußerst dünne, unbeholfene Story um die zusammenhanglose Erbschaft einer Gartenzwerg-Manufaktur (!) eingebundener, zutiefst alberner Klamauk präsentiert und die satirehaften Züge über deutsch-deutsche Unterschiede kommen überdies auch nie wirklich in die Gänge und wirken mit jeder Minute krampfhafter. Zudem sorgt die zwischen stets zwischen gähnender Langeweile, flachen, hölzernen und unverschämt sinnarmen Witzen sowie hanebüchenen Wortwechseln schwankende Handlungsführung dafür, dass die eigentlich dankbare und bemüht an die Sache herangehende Darstellerriege wiederholt der Lächerlichkeit preisgegeben wird und sich die anderthalb Stunden anfühlen als wären es fünf. Diese in vielerlei Hinsicht dilettantische Fortsetzung gereicht nicht nur zum Fremdschämen und bestärkt Vorurteile, sondern bestätigt darüber hinaus meine inzwischen wohlgefestigte Meinung, dass filmische Aufgüsse, insbesondere was humoristische Spartenangehörige anbelangt, zu geschätzt 80 Prozent unnötig sind.

D 1992 - 93 Minuten Regie: Wolfgang Büld & Reinhard Klooss Genre: Komödie Darsteller: Wolfgang Stumph, Claudia Schmutzler, Marie Gruber, Rolf Zacher, Uwe Friedrichsen, Dietmar Schönherr, Jochen Busse, Gunther Emmerlich, Wolfgang Lippert, Gerit Kling, Tom Pauls
D 1992 – 93 Minuten
Regie: Wolfgang Büld & Reinhard Klooss
Genre: Komödie
Darsteller: Wolfgang Stumph, Claudia Schmutzler, Marie Gruber, Rolf Zacher, Uwe Friedrichsen, Dietmar Schönherr, Jochen Busse, Gunther Emmerlich, Wolfgang Lippert, Gerit Kling, Tom Pauls

Jeepers Creepers

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Unverkennbar von den Horrorstreifen der 1980er inspiriert, erschien Anfang des neuen Jahrtausends mit „Jeepers Creepers“ ein Film, der mir im Teenageralter eine nahezu schlaflose Nacht bereitet hat und – sofern ich mich erinnere – eines der ersten Werke der Sparte überhaupt gewesen sein müsste, die ich in Gänze gesehen habe. Das anfangs fast schon schlichte, nach einem Jazzklassiker benannte Roadmovie wandelt sich stufenweise zu einem teils psychotischen Katz-und-Maus-Spiel gegen einen unbesiegbaren, gnadenlosen Feind, dessen Mysterium erst kurz vor dem Finale aufgedröselt wird. Zwar erscheint insbesondere das relativ abrupte Ende angesichts des gekonnten Spannungsaufbaus etwas unausgegoren, dennoch entschädigt der Erzählfluss des kurzweiligen Anderthalbstünders im Generellen. Trotz einiger Elemente, die man getrost als durchdachten „Trash“ beschreiben kann, gelang es den Machern die Spannung konsequent bis hin zum sprichwörtlichen, unwillkürlichen Knabbern an den Fingernägeln aufrechtzuerhalten und mithilfe von stets passender, effektorientierter Musik und einem schaurigen Make-Up einen Alptraum für alle Sinnesorgane wahr werden zu lassen. Auch darstellerisch hat man in Produktionen mit vergleichbar geringem Budget vielfach weitaus Schlimmeres gesehen, denn während die Darbietungen der glaubhaft verstörten Filmgeschwister zum Mitfiebern animieren, wartete man in Gestalt von Eileen Brennan sogar mir einer äußerst kaltschnäuzig agierenden, oscarnominierten Nebendarstellerin auf. Sicherlich mag „Jeepers Creepers“ aufgrund einiger diskutabler Mankos nicht dem Lotteriegewinn unter den Genreangehörigen entsprechen, doch im Kontrast zu seinem gänzlich misslungenen Nachfolger hat er mir auch bei wiederholter Sichtung wirklich gefallen und erfüllt speziell den häufig verfehlten Hauptzweck, Atmosphäre, Symbolismus, Grusel und eine gewisse Logik in ausgewogenem Maße zu einem spannungsgeladenen Trip mit wenigen Atempausen zu verbinden, ohne sich dabei andererseits allzu ernst zu nehmen.

USA 2001 - 89 Minuten Regie: Victor Salva Genre: Horrorthriller Darsteller; Gina Philips, Justin Long, Jonathan Breck, Patricia Belcher, Brandon Smith, Eileen Brennan, Jon Beshara, Avis-Marie Barnes
USA 2001 – 89 Minuten
Regie: Victor Salva
Genre: Horrorthriller
Darsteller; Gina Philips, Justin Long, Jonathan Breck, Patricia Belcher, Brandon Smith, Eileen Brennan, Jon Beshara, Avis-Marie Barnes

Jungfrau (40), Männlich, Sucht… (OT: The 40-Year Old Virgin)

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Dass die Thematik „Sex“ innerhalb des filmischen Mediums sich in etwa verkauft so gut verkauft wie ein Softeis bei 30 Grad im Schatten, unabhängig davon, ob wir von dramatischen oder komödiantischen Inhalten reden, dürfte keinerlei Geheimnis darstellen. Allein in den Staaten spielte dieser Film das Achtfache seiner Kosten ein, als gerechtfertigt würde ich diesen finanziellen Erfolg nichtdestotrotz nur äußerst bedingt einstufen wollen, obwohl mir der Grundgedanke des Porträts über einen sexuell unerfahrenen Junggesellen in der Mitte seines Lebens im Vorhinein sogar gefiel. Da die Verantwortlichen aber auf den Zug dessen aufsprangen, was die reizüberflutete Gesellschaft schlechthinnig erwartet, entwickelt sich „Jungfrau (40), Männlich, Sucht…“, selbst wenn man ihn nicht todernst aufzufassen bereit ist, rasch zu einem unbefriedigenden Filmerlebnis, das den Eindruck vermittelt, es sei verwerflich, die eigene Unschuld nicht im frühen Teenager-Alter zu verlieren. Obschon ich einer Auswahl der selbstsarkastischen Aspekte etwas abgewinnen konnte, kamen im Gegensatz dazu auf einen erfolgreichen Gag leider augenblicklich drei schlechte, die wiederum ärgerlicher Weise bereits hundertfach ausgeleierte, Geschmacksgrenzen überschreitende Zoten inmitten kurzer gewollt sensibler Phasen regelrecht zelebrierten. Dass Steve Carell auch in der ernsten Filmsparte etwas auf dem Kasten hat, dürfte er bereits mit „Little Miss Sunshine“ und zuletzt mit seinem sinnbildlichen Alleingang in „Foxcatcher“ bewiesen haben, hierin offenbart er dagegen in erster Linie, was er nicht beherrscht und nähert er sich daher dem mauen Drehbuch an, das zu meinem Entsetzen von einzelnen Kritikervereinigungen unter die Top-5 des Jahres gewählt wurde. Einzig und allein Catherine Keener und Jane Lynch zeigten passable, für einige niveauvollere Schmunzler sorgende Leistungen, die restlichen Darsteller scheiterten aus meiner Sicht an der Stereotypie ihrer vermehrt blutleeren Figuren. Somit kristallisiert sich erneut überdeutlich heraus, dass Humor eine Sache des individuellen Geschmacks darstellt, im konkreten Fall jedoch hat man es mit augenscheinlicher Mühe lanciert, ein reiferes Publikum mithilfe höchst pubertärer Motive zu ködern.

USA 2005 - 116 Minuten Regie: Judd Apatow Genre: Komödie / Romanze Darsteller: Steve Carell, Catherine Keener, Paul Rudd, Romany Malco, Seth Rogen, Elizabeth Banks, Leslie Mann, Jane Lynch, Gerry Bednob, Shelley Malil, Kat Dennings, Jonah Hill
USA 2005 – 116 Minuten
Regie: Judd Apatow
Genre: Komödie / Romanze
Darsteller: Steve Carell, Catherine Keener, Paul Rudd, Romany Malco, Seth Rogen, Elizabeth Banks, Leslie Mann, Jane Lynch, Gerry Bednob, Shelley Malil, Kat Dennings, Jonah Hill

Learning To Drive – Fahrstunden Fürs Leben (OT: Learning To Drive)

8

Der bisher mit Recht vierfach für einen Academy Awards vorgeschlagene Ben Kingsley wird meinerseits gern und häufig als „männliche Meryl Streep“ betitelt, denn anlaufende Kinofilme mit seiner Beteiligung versuche ich immer so schnell wie möglich zu Gesicht kriegen. Unter der Aufsicht der katalanischen Regisseurin Isabel Coixet entstand nun eine grundsätzlich sehenswerte, psychologische Skizze, in dessen Zentrum ein als Fahrlehrer arbeitende Sikh namens Darwan sowie die unverhofft verlassene Autorin Wendy stehen, die nicht derart esoterisch geraten ist wie ich es vorab erwartet hätte. Verpackt in eine wohlige, unspektakuläre Atmosphäre wird insbesondere Arthaus-Freunden ein warmherziges, zumeist gut dialogisiertes und überdies religionskulturelle Charakteristika sowie auf moderat philosophischer Ebene anzusiedelnde Weisheiten enthaltendes Melodram unterbreitet, das bei entsprechender Einlassungsbereitschaft zum Nachdenken anzuregen vermag. Zwar verfügt man nicht über einen wahnsinnig überraschenden Schlusspart, dafür jedoch tragen unbekümmerte Klänge und die in hellen Farben getauchten Bilder auch sichtbar zur inhaltsbezogenen Wiederherstellung von Lebensfreude bei. Die Vorzüge liegen klar auf Seiten der Hauptdarsteller, denn Kingsley und Clarkson leben ihre Rollen eher anstatt nur in sie hineinzuschlüpfen und harmonieren nahezu perfekt als überaus ungewöhnliches Freundespaar. Ein kleines, aber feines Nebendarstellerensemble, das den beiden Protagonisten durch sympathisch-zurückhaltende Auftritte viel Raum zur Entfaltung gewährt, rundet die Riege ab und wieder einmal liefert eine Streep-Tochter, diesmal die zweitjüngste Grace, welche bereits in „The Homesman“ überzeugen konnte, eine sehenswerte Performance. Die bittersüße Unbeschwertheit und schauspielerische Qualität täuscht letzten Endes aber nicht vollständig darüber hinweg, dass die Handlungsführung in der Gesamtheit eine Spur zu eindimensional geraten und hinsichtlich der Personenentwicklungen und mehrerer Parallelen zum Straßenverkehr nicht völlig frei von Klischees ist. Ein Auftauchen im Komödien-Lineup der „Golden Globes“ halte ich dennoch keinesfalls für ausgeschlossen.

USA /  UK 2014 - 90 Minuten Regie: Isabel Coixet Genre: Tragikomödie / Melodram Darsteller: Patricia Clarkson, Ben Kingsley, Grace Gummer, Jake Weber, Sarita Choudhury, John Hodgman, Samantha Bee, Matt Salinger, Daniela Lavender, Michael Mantell
USA / UK 2014 – 90 Minuten
Regie: Isabel Coixet
Genre: Tragikomödie / Melodram
Darsteller: Patricia Clarkson, Ben Kingsley, Grace Gummer, Jake Weber, Sarita Choudhury, John Hodgman, Samantha Bee, Matt Salinger, Daniela Lavender, Michael Mantell

Minions

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Interessanterweise sind es überdurchschnittlich häufig die wochenlang unsere nationalen Kinocharts anführenden Werke, denen ich nicht allzu viel abgewinnen kann. Auch der bis dato mit weitaus mehr als sechs Millionen Zuschauern erfolgreichste Film des Kalenderjahres „Minions“ bildete diesbezüglich trotz eines gewissen Maßes an Vorfreude letztlich nicht die Ausnahme von der Regel. Die kleinen Zuschauer mögen den Abenteuern der drei gelben, wortwörtlich als „Lakaien“ übersetzbaren Kerlchen schätzungsweise fasziniert und durchgängig mit leuchtenden Augen folgen, letztlich würde ich aber für ein breites Publikum lediglich von recht unterhaltsamer Durchschnittsware sprechen wollen. An dem durchaus gelungenen Animationshandwerk, das bunte und temporeiche Sequenzen zum Leben erweckt, lässt sich freilich kaum etwas beanstanden, denn im Hinblick auf die visuelle Ebene orientierten sich die Kreatoren einmal mehr am Zahn der Zeit. Die einzelnen Elemente muten jedoch trotz einiger einfallsreicher, zum Schmunzeln anregender Anspielungen auf Popkultur und Weltgeschichte in Summe mehr als überladen und wie eine lose Aneinanderreihung an, während der spontane und intelligente Charme, den Schöpfungen anderer Studios wie beispielsweise „Das Große Krabbeln“ verströmten, vielleicht auch dadurch weitestgehend auf der Strecke blieb. Da sich das Filmchen aber momentan mit einem weltweiten Einspielergebnis von einer Milliarde US-$ zu einem der lukrativsten Animationsfilme aller Zeiten entwickelt, wird ein Sequel wohl nicht lange auf sich warten lassen, ich hingegen bin der Meinung, dass die Minions sich besser eignen für Verfilmungen in Kurzfilmfassung, da sie für eine Laufzeit von 90 Minuten aus meiner Sicht einfach nicht genug Substanz bieten und ihre Eigenheit ermüdet. Für die so langsam ins Rollen kommende Saison hoffe ich jedenfalls darauf, dass mir „Der Gute Dinosaurier“ und „Alles Steht Kopf“ ein höheres Maß an familiengerechtem Vergnügen bereiten werden.

USA 2015 - 91 Minuten Regie: Pierre Coffin & Kyle Balda Genre: Animationsfilm / Komödie Originale Synchronsprecher: Pierre Coffin, Sandra Bullock, Jon Hamm, Michael Keaton, Geoffrey Rush, Steve Carell, Steve Coogan, Alison Janney, Jennifer Saunders
USA 2015 – 91 Minuten
Regie: Pierre Coffin & Kyle Balda
Genre: Animationsfilm / Komödie
Originale Synchronsprecher: Pierre Coffin, Sandra Bullock, Jon Hamm, Michael Keaton, Geoffrey Rush, Steve Carell, Steve Coogan, Alison Janney, Jennifer Saunders

Pretty Woman

10

Wieder einmal könnte ich mich kurz fassen, indem ich der gelungenen Rezension unseres Romantik-Experten Heiko in sämtlichen Punkten beipflichte, nichtsdestotrotz bereitet es besonders viel Freude, wenn ein Film auch im Jahr seines 25. Entstehungsjubiläums noch in aller Munde ist. In vielerlei Belangen stellt „Pretty Woman“ einfach perfekte Unterhaltung dar. Die in jedem Detail stimmige Inszenierung besticht nach wie vor durch die bezaubernd formulierte Storyline, vor Warmherzigkeit und Intelligenz geradezu sprühenden Wort- und Aktionswitz sowie Szenen, die einen Griff zum Taschentuch erforderlich werden lassen, des Weiteren ist auch die Auswahl und Einflechtung zeittypischer Hits und Klassiker im Zusammenspiel mit reduzierten Neukompositionen wunderbar gelungen. Charmanter und ungekünstelter hat man die wegen der Verkörperung der Vivian endgültig in den Schauspielolymp aufgestiegene Julia Roberts bis heute nicht mehr erleben dürfen und es spricht überdies für sie, dass man laut dem Regisseur für die meisten Sequenzen lediglich einen Take benötigt hat. Neben herzerfrischenden Auftritten von Elizondo und Giacomo bildet primär die fabelhafte Synthese von Gere und Roberts das Herzstück der Romanze, weswegen sie zum populärsten Leinwand-Liebespaar der 90er avancierten, bis sie von Winslet und DiCaprio abgelöst wurden. Zudem kann man aus dem Klassiker einen Appell gegen Diskriminierung herauslesen, der nicht nur Frauenherzen höher schlagen lassen dürfte. Umso bedauerlicher erscheint es daher, dass mit Ausnahme von „Plötzlich Prinzessin“ im Anschluss kaum etwas Verwertbares von Garry Marshall kam, „Pretty Woman“ hingegen ist einer dieser besonderen Filme, der trotz seiner ungewöhnlichen Personenkonstellation an lebensnaher Romantik kaum zu überbieten ist und daher wie eine moderne Aschenputtel-Variante daherkommt. Bis heute hat das Werk nichts von seiner Erstklassigkeit verloren und sollte deswegen als Exempel für Regisseure des 21. Jahrhunderts fungieren, wie man das mittlerweile in Mitleidenschaft gezogene Genre mit Vitalität und Ideenreichtum füllt.

USA 1990 - 119 Minuten  Regie: Garry Marshall  Genre: Liebeskomödie Darsteller: Richard Gere, Julia Roberts, Hector Elizondo, Ralph Bellamy, Jason Alexander, Laura San Giacomo, Alex Hyde-White, Amy Yasbeck
USA 1990 – 119 Minuten
Regie: Garry Marshall
Genre: Liebeskomödie
Darsteller: Richard Gere, Julia Roberts, Hector Elizondo, Ralph Bellamy, Jason Alexander, Laura San Giacomo, Alex Hyde-White, Amy Yasbeck

Prinzessin Fantaghirò (OT: Fantaghirò)

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Eine der festen, an Sonntagnachmittagen immer wieder gern gesehenen Konstanten meiner Kindheit war eine insgesamt zehnteilige, italienische Miniserie, die wohl den meisten Märchenfans ein Begriff sein müsste. Die lehrreiche Geschichte um die bildschöne, kluge Königstochter Fantaghirò, die sich als Mann ausgibt, um zuerst ihr Reich und ihre Überzeugungen zu verteidigen und dann wiederholt ihre große Liebe Romualdo offeriert sowohl Emotion und Aktionsreichtum als auch trotz des mittelalterlichen Settings einen hohen Grad an Lebensrelevanz. Gerade der symbolistische, aufwendig ausgestattete Kampf zwischen Gut und Böse wurde für eine mannigfache Zuschauerschaft ausgelegt und macht sich verschiedene Fantasiewelten und wiederkehrende Motive bestmöglich zunutze. Wunderbare, malerische Schlösser und Landschaften, überwiegend in Tschechien und der Slowakei, dienten als hervorragend in Szene gesetzte Drehorte, während die Kostümdesigner und Maskenbilder ebenfalls Großartiges geleistet haben, um die mediävale Szenerie aufleben zu lassen. Und auch die fantastische, sich wie ein roter Faden durch alle Teile ziehende, betörende Musikuntermalung von Amedeo Minghi fügt sich in dieses positive Gesamtbild adäquat ein, weswegen es auch nicht allzu sehr ins Gewicht fällt, dass die visuellen Effekte bisweilen nicht mit seinerzeitigen Kinoproduktionen konkurrieren können. Hauptdarstellerin Alessandra Martines war damals vielleicht meine erste große (Film-)Liebe, doch abseits dessen überzeugt vor allem ihre Courage und darstellerische Vielseitigkeit. Neben ihr bleiben vor allem Mario Adorf als herrischer König, das allererste Bond-Girl Ursula Andress in der Rolle der tückischen Xellesia, Nicholas Rogers sowie Horst Buchholz als fabelhaft boshafter Zauberer Darken im Gedächtnis. Ohne mich dafür in irgendeiner Form schämen zu müssen, bildete jedoch die vielfach mit Negativpreisen bedachte, inzwischen zum Realityshow-Dauergast avancierte Dänin Brigitte Nielsen, welche in acht der zehn Episoden auftaucht, das uneingeschränkte, darstellerische Highlight, denn ihre Interpretation der schwarzen Hexe fesselt genauso wie sie köstlich unterhält. Lediglich bezüglich des abschließenden, zweiteiligen Blocks merkte man dem Resultat leider etwas an, dass das erzählerische Potential ausgeschöpft war und es trotz einiger Neubesetzungen an neuen Ideen mangelte, nichtsdestotrotz erscheint die Reihe in ihrer Gesamtheit noch immer weitaus sehenswerter als der futuristische Einheitsbrei, der Heranwachsenden heutzutage oft präsentiert wird.

IT / CZ / D 1991 - 1996 - 921 Minuten Regie: Lamberto Bava Genre: Fantasyabenteuer / Märchen / Romanze  Darsteller: Alessandra Martines, Mario Adorf, Kim Rossi Stuart, Brigitte Nielsen, Nicholas Rogers, Ursula Andress, Horst Buchholz, Ornella Marcucci, Kateřina Brožová, Stefano Davanzati, Tomás Valík, Ángela Molina, Jean-Pierre Cassel, Luca Venantini, Michaela May
IT / CZ / D 1991 – 1996 – 921 Minuten
Regie: Lamberto Bava
Genre: Fantasyabenteuer / Märchen / Romanze
Darsteller: Alessandra Martines, Mario Adorf, Kim Rossi Stuart, Brigitte Nielsen, Nicholas Rogers, Ursula Andress, Horst Buchholz, Ornella Marcucci, Kateřina Brožová, Stefano Davanzati, Tomás Valík, Ángela Molina, Jean-Pierre Cassel, Luca Venantini, Michaela May

The Others

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Dann und wann stößt man auf eine Filmproduktion, zu der man beim ersten Anlauf keinen wirklichen Zugang zu finden scheint, ihm aber nach einigen Jahren des Abstandes per Zufall nochmal eine Chance einräumt, um dann förmlich umgehauen zu werden. Genau so erging es mir im Falle von Amenábars verschlungenem Thriller „The Others“, der damals sensationelle acht Goyas abräumte – und das, obwohl er nicht ein einziges Wort Spanisch enthält. Gedreht in einem für die Zwecke eines klaustrophobisch inszenierten Werkes vortrefflich geeigneten Anwesen im Norden der Iberischen Halbinsel, vereint die Koproduktion in ausgewogenem Maße Spannung, Intelligenz, Kreativität und Stilsicherheit miteinander und besonders der Umstand, dass die spürbare Angst nicht in der Realität, sondern einzig und allein in der Vorstellungskraft zutage tritt, lässt die im abschließenden Jahr des Zweiten Weltkrieges spielende Geschichte mit Querverweise auf Trennungsschmerz, familiäre Vereinsamung und seelische Neurosen zu einem stufenweise nervenaufreibenden Erfahrung avancieren, die gleichermaßen subtil wie irritierend anmutet und zur völlig verblüffenden Peripetie, einem in dieser Form äußerst selten vorgefundenen „Twist“, mündet. Des Weiteren haben sich die grandiose Kameraarbeit, das fortwährende Wechselspiel zwischen Licht und Schatten und die Kreierung einer finsteren Atmosphäre mit ansonsten recht reduzierten Mitteln lediglich anerkennende Worte verdient, wohingegen man die Gegebenheit, dass das Geschehen vielleicht erst einen Hauch zu spät ins Rollen kommt, als vielleicht einzigen Makel identifizieren kann. Des Weiteren beeindruckt die überaus starke Performance von Nicole Kidman, welche in den Jahren 2001 bis 2003 wahrlich ihren (bisherigen) Karrierehöhepunkt erreicht hat, denn in diesem Abstand durfte man kurz hintereinander gleich vier allumfassend großartige Darstellungen bewundern, so auch in der Rolle der authentisch verkörperten, zutiefst labilen Grace Stewart. Speziell in Gestalt von Fionnula Flanagan sowie den talentierten Nachwuchsschauspielern Alakina Mann und James Bentley hat die Hauptdarstellerin überzeugende Mitwirkende an ihrer Seite. „The Others“ ist infolgedessen nicht nur vielseitig interpretierbar, sondern lässt den vielfach unbefriedigend kopierten Geist verschiedener Filme der 1940er wiederaufleben, ohne dabei antiquiert zu wirken.

ES / F / IT / USA 2001 - 101 Minuten Regie: Alejandro Amenábar Genre: Pychothriller / Mystery / Drama Darsteller: Nicole Kidman, Alakina Mann, James Bentley, Fionnula Flanagan, Eric Sykes, Elaine Cassidy, Christopher Eccleston, Alexander Vince, Keith Allen, Michelle Fairley, Renée Asherson
ES / F / IT / USA 2001 – 101 Minuten
Regie: Alejandro Amenábar
Genre: Pychothriller / Mystery / Drama
Darsteller: Nicole Kidman, Alakina Mann, James Bentley, Fionnula Flanagan, Eric Sykes, Elaine Cassidy, Christopher Eccleston, Alexander Vince, Keith Allen, Michelle Fairley, Renée Asherson

Uhrwerk Orange (OT: A Clockwork Orange)

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Einer der wohl am ambivalentesten beurteilten Filmemacher des 20. Jahrhunderts dürfte Stanley Kubrick sein, denn gewissermaßen beruht seine komplette Filmographie auf Grenzüberschreitungen. Sein neuntes, trotz der FSK-Freigabe ab 18 Jahren vierfach für den Oscar vorgeschlagenes Werk „Uhrwerk Orange“ in Bezug auf den implizierten Surrealismus und Zynismus zu überbieten, stellt eventuell sogar ein gänzlich unmögliches Unterfangen dar. Der zugrunde liegende Zukunftsroman erschien Jahrzehnte nach „1984“ und „Schöne Neue Welt“, treibt das Sujet gesellschaftlicher Utopieentwicklungen jedoch auf eine neue Ebene. Zur Verärgerung des Autoren Anthony Burgess wurde die Vorlage im Zuge der Leinwandrealisation bewusst um das finale Kapitel gekürzt. Bereits die Einsortierung in ein Filmgenre gestaltet sich schwierig, aus meiner Sicht jedoch auch die punktuelle Bewertung. Das brisante Werk mit dystopischer Thematik und der Anlehnung an den Zusammenhang zwischen Aktion und Reaktion lässt Aspekte wie Anarchie, Gruppenzwang sowie andere Urinstinkte in Form eines Spiegels negativster Menschenbilder kaltschnäuzig sichtbar werden und bedient sich dabei fortwährend verschiedener inszenatorischer Schwarzweißmalereien und bitterböser Dialoge, um zu provozieren und aufzurütteln. Insbesondere die nur sehr schwer zu ertragende Vergewaltigungsszene ist absolut nichts für schwache Gemüter und überschreitet bewusst die individuellen Barrieren der Majorität der Zuschauer. Sich selbst in eine derart kranke Rolle einzufinden wie der Leitwolf Malcolm McDowell es getan hat, muss dagegen in der Tat als ähnlich brillant erachtet werden wie die musikalische Zusammenstellung voller Kontraste. Ich möchte folglich keinesfalls in Abrede stellen, dass „Uhrwerk Orange“ in mehreren Belangen wegweisend, technisch herausragend und einflussreich für die Filmindustrie war, nichtsdestoweniger hat er mir stets flaue Gefühle verursacht und mich hinsichtlich der Intention überfordert. Wahrscheinlich mag dem ein oder anderen die Benotung „zu niedrig“ vorkommen, doch bekanntlich liegt auch ein extrem spezieller Film wie dieser letzten Endes ausschließlich im Auge des Betrachters. Obschon ich mindestens vier Werken aus der Filmographie Kubricks deutlich mehr abgewinnen konnte, erweiterte dieser Schocker allerdings ohne den mindesten Zweifel die moralischen Möglichkeiten dessen, was man seinerzeit auf die Leinwand projizieren durfte und genau dies stellte wohl auch das hauptsächliche Anliegen dar.

GB / USA 1971 - 131 Minuten Regie: Stanley Kubrick Genre: Kriminalfilm / Drama / Thriller / Science-Fiction Darsteller: Malcolm McDowell, Patrick Magee, Adrienne Corri, Michael Bates, Warren Clarke, James Marcus, Michael Tarn, Carl Duering, Paul Farrell, Sheila Raynor, David Prowse
GB / USA 1971 – 131 Minuten
Regie: Stanley Kubrick
Genre: Kriminalfilm / Drama / Thriller / Science-Fiction
Darsteller: Malcolm McDowell, Patrick Magee, Adrienne Corri, Michael Bates, Warren Clarke, James Marcus, Michael Tarn, Carl Duering, Paul Farrell, Sheila Raynor, David Prowse

…Und Nicht Als Ein Fremder (OT: Not As A Stranger)

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Entgegen des landläufigen Tenors hat uns das goldene Hollywood-Zeitalter nicht ausschließlich wegweisende Meisterwerke monumentaler Dimension hinterlassen, sondern meines Erachtens primär in den Nachkriegsjahren sogar mehr als sporadisch auch Streifen, bei denen nicht die Notwendigkeit besteht, sie sich ein zweites Mal zu Gemüte zu führen. Dazu muss leider auch Stanley Kramers an sich gut gemeintes Regiedebüt gezählt werden, das gerade deswegen keiner Glanzleistung entspricht, weil sich das Resultat zu keinem Zeitpunkt wirklich entscheiden kann, was es eigentlich sein möchte. In dem gewöhnungsbedürftig betitelten Film geht es einerseits um das Pflichtbewusstsein von Ärzten im Allgemeinen, aber auch um karrierebezogenen Egoismus, was einen interessanten Ausgangspunkt darstellt, den man sich allerdings unzureichend zunutze gemacht hat. An einer düsteren Verdichtung mangelt es zwar prinzipiell nicht, doch insbesondere in Bezug auf die Dialogisierung, die Ausformung von Charakteren sowie einer konkreten Aussageabsicht und die Erzählgeschwindigkeit wäre extrem viel Luft nach oben gewesen. Folglich erscheint das Porträt deutlich zu lang und vermittelt selbst für die damalige Zeit recht reaktionäre Sichtweisen, wenngleich die namhafte Riege an Akteuren ihr Bestes gab, um dem halbherzigen, trägen Drehbuch auf Basis eines Romans entgegenzuwirken. Olivia de Havilland spielte in der Rolle der ungeliebten Krankenschwester äußerst routiniert und bemühte sich, ihr vielseitiges Können zum Vorschein kommen zu lassen, unglücklicherweise stimmte speziell die Chemie zum ebenfalls ambitioniert agierenden Robert Mitchum nicht, während Sinatra und Bickford ebenfalls nur sporadisch wertvolle Akzente liefern konnten. Wer infolgedessen einen gelungenen, vielschichtigen „Film Noir“ im medizinischen Milieu sehen möchte, sollte meines Erachtens lieber zu „Plötzlich Im Letzten Sommer“ oder „Die Schlangengrube“ greifen.

USA 1955 - 135 Minuten Regie: Stanley Kramer Genre: Drama / Film Noir Darsteller: Robert Mitchum, Olivia de Havilland, Frank Sinatra, Gloria Grahame, Broderick Crawford, Charles Bickford, Myron McCormick, Harry Morgan, Lee Marvin, Virginia Christine
USA 1955 – 135 Minuten
Regie: Stanley Kramer
Genre: Drama / Film Noir
Darsteller: Robert Mitchum, Olivia de Havilland, Frank Sinatra, Gloria Grahame, Broderick Crawford, Charles Bickford, Myron McCormick, Harry Morgan, Lee Marvin, Virginia Christine
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