James Bond 007: Spectre (OT: Spectre)

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In Gestalt von „Skyfall“, meinen bekanntermaßen zweitliebsten Film in der nunmehr 53-jährigen Geschichte der Marke „James Bond“, welcher die perfekte Balance zwischen dem klassischen Franchise, moderner Handlung, hochintelligenter Spannung und emotionaler Tiefe darstellte, wurde die globale Begeisterung für die Abenteuer des Geheimagenten allem Anschein nach völlig neu entfacht. Deshalb war die heutige Sichtung des inzwischen 24. Teils zugegebenermaßen von der unterschwelligen Vorahnung bestimmt, dass dieser im Prinzip nicht besser als der direkte Vorgänger sein könne. Dies mag zwar letzten Endes, um es vorwegzunehmen, auch nicht der Fall gewesen sein, dennoch konnte der weltweite Hype mithilfe einer stimmigen, fokussierten Fortsetzung gerechtfertigt werden, die handwerkliche Perfektion mit Nostalgie und hohem Unterhaltungsfaktor verbindet.


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Mendes liefert trotz der immensen Erwartungshaltung in nahezu jedem Belang erneut tadellose Arbeit ab. „Spectre“ zeichnet sich durch eine klare Struktur, abwechslungsreiche Settings auf vier Kontinenten und technische Raffinessen, jedoch auch durch die bereits in „Skyfall“ forcierte Reanimation altbekannter Bond-Charaktere und tiefere Einblicke in die Vergangenheit des Protagonisten aus und bietet gewisse Neuerungen und unerwartete Wendungen auf der Suche nach der mysteriösen, titelgebenden Organisation. Gerade den Umstand, dass dem Agenten, der diesmal nicht unmittelbar im Dienst Ihrer Majestät handelt, erstmals auch ein reifes Bond-Girl zur Seite gestellt wurde, empfand ich nicht nur als grandiose, sondern auch als längst überfällige Idee. Nach einem furiosen, kaum steigerungsfähigen Start auf dem „Zócalo“ inmitten von Mexiko, anfangs ohne die Verwendung eines einzigen Schnitts, setzt gerade der an Actionsequenzen recht sparsame Mittelteil eher auf Dialoge, Wechsel zwischen Licht und Schatten und inhaltliche Zusammenhänge zu unzähligen der bereits erzählten Geschichten. Moderne Technologien, tagespolitische Sujets sowie einige witzige Bonmots und sinnliche Erotik kommen überdies in ausgewogenem Maße zur Geltung, wenngleich ich gestehen muss, dass die amouröse Komponente zwischen James und Madeline einen Hauch zu abrupt und überinszeniert anmutet und die Sequenz auf dem Großglockner den ansonsten gebotenen Realismus leicht strapazierte, was der Schlussakt allerdings wettzumachen vermochte. Interessanter Weise war ich anfangs nicht übermäßig begeistert von „Writing’s On The Wall“, einen der wenigen Bond-Titelsongs eines männlichen Solointerprete, doch als er schließlich den Kinosaal durchflutete, überkam mich eine minutenlange Gänsehaut und retrospektiv betrachtet passte der Text und die stilvolle Komposition genau so fantastisch zum Inhalt wie der einmal mehr gelungene Soundtrack von Thomas Newman.

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Auch in darstellerischer Hinsicht gibt es wahrlich nichts zu beanstanden. Das Ensemble agiert geschlossen und gesteht der europäischen Crème de la Crème des Schauspiels viel Raum zur Entfaltung zu. Obwohl man munkelt, dass Daniel Craig aufgrund der kräftezehrenden und von Verletzungen geprägten Drehs schon beinahe das Handtuch geworfen hätte, ist er im Einklang mit seiner Rolle inzwischen enorm gereift. Zudem können auch die zwischen Laszivität und Fragilität pendelnde Monica Bellucci, Andrew Scott als subtiler Fiesling, der wiederholt herrlich unterhaltsame Ben Wishaw und – was ich vorab nicht erwartet hätte – die elfenhafte Léa Seydoux durchgängig überzeugen. Zu Christoph Waltz erübrigen sich jedwede ausschweifende Analysen, denn aus meiner Sicht war er schlicht und ergreifend die bestmögliche Besetzung für den Part des verachtenswerten Schurken und agierte ähnlich brillant wie Javier Bardem. Punkt. Lediglich an den Umstand, dass Judi Denchs „M“ nun endgültig nicht mehr unter den Serienfiguren weilt, musste ich mich schweren Herzens langsam gewöhnen…

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Summa summarum führt all dies zur wohlgefestigten These, dass das Franchise immens von Sam Mendes‘ Engagement und Kreativität profitieren konnte. „Spectre“, der bereits jetzt zum erfolgreichsten Kinostart aller Zeiten in Großbritannien avancierte, mag sicherlich minimale Defizite aufweisen, sorgte aber dennoch aufgrund seiner stilvollen, akkuraten Inszenierungsweise für einen durch und durch spannenden Abend, der bereits jetzt Vorfreude auf den 25. Streich entstehen lässt. Im Hinblick auf die Oscarverleihung halte ich Nominierungen für das Titellied, die Kameraarbeit und den Ton nicht nur für berechtigt, sondern auch für äußerst wahrscheinlich.

UK 2015 - 148 Minuten Regie: Sam Mendes Genre: Agententhriller / Action Darsteller: Daniel Craig, Christoph Waltz, Léa Seydoux, Ralph Fiennes, Ben Whishaw, Naomie Harris, Dave Batista, Monica Bellucci, Andrew Scott, Rory Kinnear, Jesper Christensen, Judi Dench
UK 2015 – 148 Minuten
Regie: Sam Mendes
Genre: Agententhriller / Action
Darsteller: Daniel Craig, Christoph Waltz, Léa Seydoux, Ralph Fiennes, Ben Whishaw, Naomie Harris, Dave Batista, Monica Bellucci, Andrew Scott, Rory Kinnear, Jesper Christensen, Judi Dench
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