The Danish Girl

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Auf die Veröffentlichung dieser Leinwandproduktion über die erste Person, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog, habe ich mich bekanntlich bereits gefreut seit verlautet wurde, Nicole Kidman und Gwyneth Paltrow seien für die Hauptrollen vorgesehen. Als nach unzähligen Querelen rund um das Projekt schließlich Oscarpreisträger Redmayne für den Part besetzt wurde und Tom Hooper, der mit „The King’s Speech“ und „Les Misérables“ bereits zwei fantastische Filme vor historischer Kulisse abgeliefert hat, Platz auf dem Regiestuhl nahm, markierte ich mir den heimischen Kinostart endgültig rot im Kalender an. Umso überraschter war ich daher über den anfangs recht dürftigen Kritikenspiegel, welcher mich letztlich dazu veranlasste, mir „The Danish Girl“ mit noch kritischerem Blick zu Gemüte zu führen. Doch auch unter ebendieser objektiven Prämisse betrachtet, ließ sich beim besten Willen nicht viel beanstanden.

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Die memoirenbasierte Geschichte des in der dänischen Provinz als Einar Wegener geborenen Malers, der sich in der Phase zwischen den beiden Weltkriegen der bis dato verdrängten Sehnsucht, fortan als Frau leben zu wollen, nicht länger erwehren kann, hätte ebenfalls für die Theaterbühne adaptiert werden können und stellt deshalb makelloses, wenn auch nicht massenkompatibles Arthaus-Kino dar. Angelehnt an das künstlerische Schaffen des realen Charakters wirkt die schlicht dramaturgisierte Inszenierung betont poetisch und entfaltet substantielle Dialoge, die es dem Zuschauer gestatten, Einars psychische und physische Transformation zu Lili, jedoch auch die seelischen Konsequenzen für seine Ehefrau Gerda in einer Ära, in der Transsexualität als Geisteskrankheit angesehen wurde, hautnah mitzuerleben. Sicherlich mögen die Autoren einige Elemente aus der Vita des Ehepaares abgeändert haben – so waren Einar und Gerda zu dem Zeitpunkt bereits rund 50 Jahre alt, doch der historische Rahmen inmitten von Originalschauplätzen wie Kopenhagen, Paris und Dresden mit ihren jeweiligen Charakteristika ist wie in allen anderen von Hoopers Produktionen überaus reflektiert bebildert worden. Besonders hervor sticht dabei der Umstand, dass der Zuschauer nicht zu Emotionen gedrängt wird, sondern sie sich durch Wortwechsel, Blicke, Gesten, Stilmittel und wohldosierte Brüche Schritt für Schritt von selbst entfalten, während die hervorragenden Kostüme und ästhetischen Kulissen zu den gelungensten des Jahres gehören. Zudem ist auch das distinguierte Make-Up zu loben, das leicht schablonenhaft hätte geraten können. Die optische Güte wird ferner getragen von einer überaus körperzentrierten, mesmerisierenden Kameraarbeit, welche vermehrt sinnliche Sequenzen schuf. Spätestens mit dieser bezaubernden, hochemotionalen und in jeder Hinsicht stimmigen Filmmusik, die als ähnlich brillant wie die Arrangements in „Carol“ angesiedelt werden kann, hat sich Alexandre Desplat für mich endgültig zum Komponistengott gemausert, denn niemand sonst schaffte es in den letzten Jahren so stringent, das Ohr und die Seele derart zu erfreuen.

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Eddie Redmayne meistert die herausfordernde, zwischen den Geschlechtern pendelnde Hauptrolle ähnlich bravourös wie es bereits Glenn Close in „Albert Nobbs“ getan hat, ohne dabei in eine karikatureske, bemitleidenswerte Figur abzugleiten. Ihn für diese authentische, in jeder Hinsicht couragierte Leistung nicht erneut für den Oscar zu nominieren, käme daher einem Affront gleich. Analog zu Felicity Jones in „Die Entdeckung Der Unendlichkeit“ profitiert in Gestalt von Alicia Vikander erneut eine junge, relativ wenig bekannte Darstellerin von der schauspielerischen Chemie zu Redmayne und liefert eine ungeahnt intensive Performance voller nachfühlbarer Fragilität ab. Zwar mag ihr Part, im Kontrast zur Einteilung der Academy, nur bedingt einer Nebendarstellung entsprechen, doch meines Erachtens ist sie dessen ungeachtet schlicht und ergreifend zu gut, um auf Kosten des kategorialen Wirrwarrs gänzlich außen vor zu bleiben, denn die vergossenen Tränen gingen vermehrt auch auf ihr Konto. Des Weiteren runden insbesondere Ben Whishaw und Matthias Schoenaerts das vortrefflich besetzte Ensemble mit starken Darbietungen ab.

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Zwar reiht sich der vielleicht zehn Minuten zu lang geratene „The Danish Girl“ knapp hinter Hoopers Vorgängerfilmen ein, fungiert nichtdestotrotz als essentieller Beitrag und eindeutiger Beweis, dass wir von diesem Regisseur noch viel Substantielles erwarten dürfen. Was folglich bleibt, ist ein psychologisch feingezeichnetes und mit ruhiger Hand gestaltetes Porträt über eine große Liebe und einen beschwerlichen Selbstfindungsprozess, das einen genau dann tief im Herzen zu berühren vermag, wenn man es auch zulässt. Und so führt uns das parabelhafte, besondere Drama über Willensstärke und Verlustängste nicht nur vor Augen, wie schwer es Betroffenen selbst heutzutage fallen muss, sich im falschen Körper geboren zu fühlen, sondern lehrt uns auch, dass es überlebenswichtig ist, auch im Falle schlimmster Widerstände zum eigenen, gottgegebenen Selbst zu stehen.

USA / UK / D 2015 – 120 Minuten Regie: Tom Hooper Genre: Romanze / Historiendrama Darsteller: Eddie Redmayne, Alicia Vikander, Amber Heard, Sebastian Koch, Ben Whishaw, Matthias Schoenaerts, Adrian Schiller, Richard Dixon, Emerald Fennell, Victoria Emslie
USA / UK / D 2015 – 120 Minuten
Regie: Tom Hooper
Genre: Romanze / Historiendrama
Darsteller: Eddie Redmayne, Alicia Vikander, Amber Heard, Sebastian Koch, Ben Whishaw, Matthias Schoenaerts, Adrian Schiller, Richard Dixon, Emerald Fennell, Victoria Emslie
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