Macbeth (2015)

William Shakespare, der meistgelesene englischsprachige Schriftsteller der gesamten Literaturgeschichte, scheint auch in seinem inzwischen 400. Todesjahr in aller Munde zu sein und speziell seine dramatischen Bühnenstücke haben in den Augen vieler Regisseure nach wie vor magische Anziehungskraft. Auch „Macbeth“, eines der spätesten Werke des Briten, bildet da keinerlei Ausnahme und wurde seit der Stummfilm-Ära bereits rund zehn Mal mehr oder weniger gelungen verfilmt. Die neueste, innerhalb von nur anderthalb Monaten gedrehte cineastische Interpretation läuft jedoch selbst der Version von Roman Polański den Rang ab, da sie die klassisch-anspruchsvolle Atmosphäre unter Beibehaltung von originären Aspekten wie Machthunger, Perfidie, Schuld, Vorbestimmung und roher Gewalt widerspiegelt und dem mediävalen Zeitalter überdies feingezeichnete sowie legitime, moderne Komponenten hinzufügt. Umso bemerkenswerter mutet ebendies an, weil es sich um Justin Kurzels erst zweite Kinoproduktion in Spielfilmlänge handelt.

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Nicht nur wegen des Umstandes, dass die Handlung rund um den Aufstieg und Fall des revolutionären und nur in Teilen aus dem Reich der Legenden stammenden Heerführers im Hochmittelalter angesiedelt ist, fühlte ich mich in vielerlei Hinsicht an „Der Löwe Im Winter“, einem meiner Lieblingsfilme, erinnert. Während die Bebilderung dieser archaischen Ära konsequent inszeniert wurde, indem man sich auf profunde Textpassagen beschränkte, erfüllte es mich primär mit Befriedigung, dass die Umsetzung ohne große Abänderungen vonstatten ging und die partiell auf die Gegenwart übertragbare Quintessenz gänzlich unangetastet blieb. Trotz der hervorstechenden visuellen und akustischen Fulminanz, die von preiswürdigen Staffagen und Kostümen, einem erstklassigen Make-Up und der zunächst ungewöhnlich anmutenden Kameraarbeit bis hin zu Klängen epischen Ausmaßes reicht und für Involvierung sorgt, stellt der Inhalt den Angelpunkt dar. Freilich verlangt es geradezu nach einem Faible für die gebotene Art an hochsprachlich dialogisierten Historiendramen, um dem Zweistünder ähnlich gefesselt wie ich zu folgen. Nichtdestotrotz dürften Elemente wie die Farbsymbolik und mystischen Ansätze sowie die Freilegung dessen, wie stark die Historie oftmals von den Frauen hinter den großen Männern gelenkt wurde, auch Genrekritiker ansprechen. Vereinzelt hätte etwas weniger Brutalität vermutlich sogar einen höheren Mehrwert erzielt, dennoch wirken die meisten Brachialszenen ungemein real, werden an entscheidenden Stellen durch Momente des Innehaltens durchbrochen und gestehen den Schauspielern viel Raum zur Entfaltung zu. Wenn man sich das bravouröse Spiel von Michael Fassbender und Marion Cotillard so anschaut, erfüllt es einen regelrecht mit Stolz, ebenfalls Europäer zu sein. Ersterer agiert in der herausfordernden Titelrolle derart facettenreich, couragiert und auf den Punkt fokussiert, dass der Wandel vom Befreier zum Tyrannen in jeder Sekunde glaubhaft erscheint und einem stellenweise der Atem wegbleibt. Neben sehenswerten Nebendarstellern gelingt es „Lady Cotillard“ die Figur ganz zur Ihrigen zu machen und brilliert einerseits in der Interaktion mit dem Deutsch-Iren, viel mehr allerdings noch in den inspirierenden und einschneidend verinnerlichten Monologen in der zweiten Filmhälfte, weswegen ich ihr im Gegensatz zur vergangenen Saison eine Oscarnominierung aus tiefstem Herzen gegönnt hätte.

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All dies lässt das von drei Staaten koproduzierte, aufwendige, aber nicht übertrieben teuer produzierte Werk ohne den mindesten Zweifel nicht nur zur gelungensten Shakespeare-Adaption dieses Jahrtausends avancieren, sondern sogar zur bestumgesetzten seit der „Hamlet“-Verfilmung, die in meinem Geburtsjahr über die Kinoleinwand flimmerte. Einzig und allein aufgrund des Umstandes, dass die Vorlage als sehr dankenswert einzuschätzen ist, schlittert das Werk, durch welches nicht nur Fans der Serie „Game Of Thrones“ vollends auf ihre Kosten kommen dürften, an einer noch höheren Wertung meinerseits vorbei. Dass es lediglich zu einigen Honorierungen im Zuge der „Britisch Independent Film Awards“ reichte, lässt einen indes mit absoluter Ratlosigkeit zurück! Dessen ungeachtet, könnte man „Macbeth“ mit einfachen Worten als anspruchsvolles, psychologisch reflektiertes und vom Mainstream gänzlich unbeeinflusstes Geschichtskino vom Aller-Allerfeinsten betiteln, das seiner Quelle in allen Belangen gerecht wird.

UK / F / USA 2015 – 113 Minuten Regie: Justin Kurzel Genre: Historiendrama / Literaturverfilmung Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Elizabeth Debicki, David Thewlis, Sean Harris, Jack Reynor, Paddy Considine, David Hayman, Maurice Roëves
UK / F / USA 2015 – 113 Minuten
Regie: Justin Kurzel
Genre: Historiendrama / Literaturverfilmung
Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Elizabeth Debicki, David Thewlis, Sean Harris, Jack Reynor, Paddy Considine, David Hayman, Maurice Roëves
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