Meine „Ein-Absatz-Kritiken“ (Juli – September 2016)

0

BFG – Big Friendly Giant (OT: The BFG)

1

Die vor rabenschwarzem Humor und Skurrilität nur so strotzenden Jugendromane des Briten Roald Dahl (1916 – 1990) gelten keinesfalls grundlos als nahezu unverfilmbar, was sich insbesondere daran widerspiegelt, dass es bis dato lediglich den Adaptionen „Hexen Hexen“ und „Charlie Und Die Schokoladenfabrik“ gelungen ist, den Geist seiner Werke zu würdigen und entsprechend zu illustrieren. Disney und Steven Spielberg wagten sich nun gemeinsam an die Geschichte um ein kleines Mädchen, das zur Geisterstunde mit der überdimensionierten Titelfigur Freundschaft schließt und vergaloppierten sich dabei bedauerlicherweise in mehreren Belangen. Für Märchenmaßstäbe verhältnismäßig langatmig erzählt, erscheinen sowohl die Figurenzeichnungen als auch der Handlungsaufbau recht konfus und distanziert sowie trotz vorlagenorientierter, grotesker Bonmots und lebensnaher Motive zu belangarm, um die ganze Familie unterhalten zu können. Zur Erhaltung der Aufmerksamkeit trägt freilich die weitestgehend atemberaubende, visuelle Gestaltung bei, die sich bereits jetzt für Auszeichnungen empfiehlt sowie ideenreiche Arbeiten der Fachmänner John Williams und Janusz Kamiński. Während der frisch gebackene Oscarpreisträger Mark Rylance sich langsam zu Spielbergs bevorzugtem Darsteller mausert und seine Motion-Capture-Figur überaus solide ausfüllt, mutet die Besetzung der 12-Jährigen Ruby Barnhill in der Rolle der Sophie demgegenüber als problematisch an, da sie zwar bemüht auftritt, aber selbst aus den Augen von Heranwachsenden zu unsympathisch und wenig präsent daherkommt, um Identifikationsflächen zu finden. Letztlich bleibt „BFG“ trotz seiner Ambitionen und unbestreitbaren Schauwerte ein nur partiell überzeugendes Kinoerlebnis, das nicht nur bezüglich des Einspielergebnisses deutlich hinter dem Erfolg und der Magie anderer Genrevertreter wie „Hugo Cabret“ zurückbleibt.

UK / USA / CA 2016 – 117 Minuten Regie: Steven Spielberg Genre: Fantasy / Abenteuer Darsteller: Mark Rylance, Ruby Barnhill, Penelope Wilton, Jemaine Clement, Rebecca Hall, Rafe Spall, Bill Hader, Michael Adamthwaite, Adam Godley, Daniel Bacon, Ólafur Darri Ólafsson
UK / USA / CA 2016 – 117 Minuten
Regie: Steven Spielberg
Genre: Fantasy / Abenteuer
Darsteller: Mark Rylance, Ruby Barnhill, Penelope Wilton, Jemaine Clement, Rebecca Hall, Rafe Spall, Bill Hader, Michael Adamthwaite, Adam Godley, Daniel Bacon, Ólafur Darri Ólafsson

Birnenkuchen Mit Lavendel (OT: Le Goût Des Merveilles)

2

Analog zu dem ebenfalls in diesem Jahr rezensierten, fremdsprachigen Film „Kirschblüten & Rote Bohnen“ entbietet auch dieses Werk zunächst eine assoziative Einladung für Feinschmecker. Im Gegensatz zum vorgenannten Werk erfüllt die liebevolle und von stetiger Melancholie durchzogene Tragikomödie jedoch die Erwartungen und fügt den kulinarischen Vorzügen auch nicht von der Hand zu weisende Substanz hinzu. Analog zur Beschaffenheit des im deutschen Filmtitel Erwähnung findenden Desserts sind einige Sequenzen freilich einen Hauch zu süß beziehungsweise in filmischer Hinsicht deutlich zu vertraut und althergebracht geraten, dennoch verzeiht man dies vor allem Arthaus-Produktionen aus unserem westlichen Nachbarstaat. Entschleunigt erzählt, vermag nicht nur der feingeistige Humor zu erfreuen, sondern auch der psychologisch reflektierte Umgang mit zwei verschiedenen Formen emotionaler Blockaden anhand der beiden Protagonisten, für deren Vorgeschichte man sich von Anbeginn interessiert. Dieses Interesse wird nicht nur mithilfe von stilvollen Naturaufnahmen und Kameraperspektiven sowie reduzierten Klängen aufrechterhalten, sondern mittels der Schauspielerriege. Virginie Efira zeigt in der Rolle der Obstbäuerin Louise eine charmante und empfindsame Leistung und beweist, warum sie zu den profiliertesten Darstellerinnen aus dem kleinen Belgien gehört und harmoniert wundervoll mit ihrem männlichen, ebenfalls glaubwürdig agierenden Gegenpart. Wenngleich die breite Masse für den leisen Zauber des Anderthalbstünders nicht empfänglich genug sein dürfte, wird er erklärten Liebhabern sogenannter „Wohlfühlfilme“ mit Sicherheit vergnügliche, kurzweilige Momente bereiten und Gedanken anregen.

Regie: Éric Besnard Genre: Romanze / Tragikomödie Darsteller: Virginie Efira, Benjamin Lavernhe, Lucie Fagedet, Léo Lorléac'h, Hervé Pierre, Laurent Bateau, Hiam Abbass, Natalie Beder, Valentin Merlet, François Bureloup
Regie: Éric Besnard
Genre: Romanze / Tragikomödie
Darsteller: Virginie Efira, Benjamin Lavernhe, Lucie Fagedet, Léo Lorléac’h, Hervé Pierre, Laurent Bateau, Hiam Abbass, Natalie Beder, Valentin Merlet, François Bureloup

Die Höllenfahrt Der Poseidon (OT: The Poseidon Adventure)

3

Eine inzwischen rund dreieinhalb Jahrzehnte alte Leinwandproduktion, die das 25-Fache (!) ihres Budgets einspielen konnte, erhielt nicht nur acht Oscarnominierungen, sondern gilt obendrein als Spartenponier, welcher die Ära des sogenannten „Katastrophenfilms“ einläutete und viele andere Regisseure inspirierte. In der Romanverfilmung „Die Höllenfahrt Der Poseidon“ trifft das gleichnamige Luxuskreuzschiff am Silvesterabend auf hoher See des Mittelmeeres auf eine gigantische Flutwelle, die das Leben der zuvor sorglosen Passagiere wortwörtlich auf den Kopf stellt. Gemessen an den begrenzten technischen Möglichkeiten der Entstehungszeit haben die Beteiligten in visueller und handwerklicher Hinsicht einen durchgängig packenden, bombastisch inszenierten und zunehmend klaustrophobisch gestalteten Überlebenskampf in Szene gesetzt, der entscheidend von der abwechslungsreichen Kameraführung sowie der sorgfältigen Schnitt- und Tonarbeit lebt und noch immer für atemlos spannende Passagen sorgt. Bisweilen erscheint die Illustration des menschlichen Verhaltens in Extremsituationen sowie die Dialoggestaltung nicht vollkommen frei von üblichen Klischees und verhältnismäßig plakativ, dennoch gelingt es weitestgehend, dass der Zuschauer sich für das ausweglos erscheinende Schicksal der Überlebenden interessiert. Dies liegt natürlich auch an der Besetzung mit ungewöhnlich hoher Stardichte, das in Gestalt von Hackman, Buttons und Borgnine zu überzeugen weiß. Zugegebenermaßen muss man der wiederholt auftrumpfenden Shelley Winters hoch anrechnen, dass sie im Alter von bereits 52 Jahren mit Vehemenz darauf bestanden hat, sämtliche Stunts und Unterwasserszenen selbst zu meistern, nichtdestotrotz empfinde ich insbesondere ihre Oscarnominierung mit zeitweiligem Frontrunner-Status innerhalb eines starken Frauenjahres als leicht überzogen. Nichtsdestotrotz sollte dem in vielerlei Hinsicht wegweisenden und furiosen Prototyp des seinerzeit in den Kinderschuhen steckenden Genres seine Daseinsberechtigung keinesfalls abgesprochen werden.

USA 1972 – 112 Minuten Regie: Ronald Neame Genre: Katastrophenfilm / Action / Drama Darsteller: Gene Hackman, Ernest Borgnine, Red Buttons, Carol Lynley, Roddy McDowall, Stella Stevens, Shelley Winters, Jack Albertson, Pamela Sue Martin, Arthur O’Connell, Leslie Nielsen
USA 1972 – 112 Minuten
Regie: Ronald Neame
Genre: Katastrophenfilm / Action / Drama
Darsteller: Gene Hackman, Ernest Borgnine, Red Buttons, Carol Lynley, Roddy McDowall, Stella Stevens, Shelley Winters, Jack Albertson, Pamela Sue Martin, Arthur O’Connell, Leslie Nielsen

Die Maske (OT: The Mask)

The Mask

Zur überschaubaren Riege an Komödiendarstellern, die selbst in ausgesprochen misslungenen Filmen mit überdurchschnittlich hoher Quote zu unterhalten imstande sind, zählt zweifelsohne der auf darstellerischer Ebene viel zu oft belächelte Jim Carrey. „Die Maske“ entpuppte sich nicht nur zu seinem persönlichen Durchbruch und einem ungeahnten kommerziellen Erfolg, sondern stellt eines der Spartenhighlights meiner eigenen Kindheit dar. In der schlüssig aufgebauten, von charismatischen Charakteren bestimmten Handlungsgerüst rund um die zufällige Entwicklung eines Durchschnitttypen „from zero to hero“ dürfte sich mit Sicherheit der Großteil der Zuschauer in mancherlei Hinsicht wiederfinden. Obschon die cartoonhaften Effekte mit den heutigen naturgemäß nicht mehr ganz konkurrieren können, waren sie vor 22 Jahren – auch angesichts des begrenzten Budgets – ungemein wirkungsvoll, visionär sowie trickreich und sorgen neben einem herrlichen Song-Score und enthusiastischen Wortgefechten für köstliche Amüsements… Über gelegentliche Gags, die nicht vollends zünden können, tröstet einen ein mit extremer Spielfreude auftrumpfender Jim Carrey in seiner Paraderolle hinweg. Selbst jemand wie ich, der zu 101 Prozent auf Männer steht, muss eingestehen, dass Cameron Diaz in ihrem Leinwanddebüt nicht nur als Schauspielerin sehr überzeugend agierte, sondern überdies auch unglaublich scharf aussah. Aus all diesen Gründen bietet die das Herz am rechten Fleck tragende Produktion noch immer temporeichen, irrwitzigen Humor der besten Sorte und hätte neben der visuellen, spannenden Gestaltung zumindest für den genialen, perfekt choreographierten Song „Hey Pachuco“ eine Oscarnominierung abgreifen sollen. Die eine Dekade später veröffentlichte Fortsetzung hätte man sich dagegen lieber schenken sollen.

USA 1994 - 97 Minuten Regie: Chuck Russell Genre: Fantasykomödie Darsteller: Jim Carrey, Peter Riegert, Peter Greene, Amy Yasbeck, Richard Jeni, Cameron Diaz, Orestes Matacena, Tim Bagley, Nancy Fish, Jonny Williams, Reg E. Cathey
USA 1994 – 97 Minuten
Regie: Chuck Russell
Genre: Fantasykomödie
Darsteller: Jim Carrey, Peter Riegert, Peter Greene, Amy Yasbeck, Richard Jeni, Cameron Diaz, Orestes Matacena, Tim Bagley, Nancy Fish, Jonny Williams, Reg E. Cathey

Hannibal

5

„Das Schweigen Der Lämmer“ dürfte eins der wenigen herausragenden Werke sein, dessen Qualität nicht nur unter Filmexperten zu Recht als indiskutabel und nahezu unantastbar gelten dürfte, was wohl auch die Erklärung dafür liefern könnte, dass man sich erst ganze zehn Jahre später an die Realisierung eines Prequels traute. Doch selbst, wenn man sich die Präsenz des perfekten Vorgängers nicht unmittelbar vor Augen führt, enttäuscht Scotts Versuch zur Fortführung des Materials von Thomas Harris größtenteils. In rein handwerklicher Hinsicht gibt es freilich wenig zu beanstanden, denn die beengende, häufig atemlos spannende Atmosphäre wird von gelungenen, mit sicherer Hand eingesetzten Stilmitteln der Thrillersparte bestimmt und von Zimmers Soundtrack effektiv untermalt. Dennoch strebt die Zuschauerwirkung allerdings beinahe in die entgegengesetzte Richtung von Demmes psychologisch subtilem Glanzstück, da hierin Ekel und voyeuristischer Schauder die tragenden Elemente bilden und außerdem neben Spannungslöchern in der Mitte des Zweistünders auch eine Entschleierung des dämonischen Hauptcharakters zutage tritt. Bedauerlicherweise liefert Julianne Moore als Ersatz für Jodie Foster aus meiner Sicht die dürftigste Rolle ihrer ertragreichen Karriere und macht als diesmal recht überemanzipiert gezeichnete Clarice ebenso wenig eine gute Figur wie als essentieller Gegenpart des erneut großartig und verstörend agierenden Anthony Hopkins, dem man erneut gebannt zusieht. Weil sich der Thriller daher allzu selten von gewohnter Genrekost abhebt und nur temporär zu fesseln weiß, bildet „Hannibal“ daher den schwächsten Teil der Trilogie rund um den berüchtigtsten Kannibalen der Filmhistorie.

USA / UK 2001 – 131 Minuten Regie: Ridley Scott Genre: Horror / Thriller Darsteller: Anthony Hopkins, Julianne Moore, Gary Oldman, Ray Liotta, Frankie Faison, Giancarlo Giannini, Francesca Neri, Željko Ivanek, Hazelle Goodman, Enrico Lo Verso
USA / UK 2001 – 131 Minuten
Regie: Ridley Scott
Genre: Horror / Thriller
Darsteller: Anthony Hopkins, Julianne Moore, Gary Oldman, Ray Liotta, Frankie Faison, Giancarlo Giannini, Francesca Neri, Željko Ivanek, Hazelle Goodman, Enrico Lo Verso

Himmelskind (OT: Miracles From Heaven)

6

Befördert durch einen zunächst interessant klingenden und vielseitig assoziierbaren Filmtitel, bekam ich kürzlich einen in den amerikanischen Kinos mit passablem Erfolg veröffentlichten Film zu Gesicht, dessen vorhergehende Trailer-Sichtung eine Inaugenscheinnahme auf freiwilliger Basis mit Sicherheit verhindert hätte. Mit ihrer bereits fünften Leinwandproduktion versucht die Patricia Riffen anhand der wundersamen Geschichte der schwer erkrankten, 10-Jährigen Anna dermaßen krampfhaft auf die Tränendrüse zu drücken, dass exakt der gegenteilige Effekt evoziert. Was dem Zuschauer geboten wird, könnte man am ehesten als christliche Soap-Opera mit kirchenpropagandistischen und realitätsverzerrenden Zügen charakterisieren, die auf einem grenzenlos naiven Drehbuch basiert und vermehrt Dialoge mit Potential zur Fremdscham entfaltet. Die ansonsten langweilig ausgeformte Grundintention scheitert nicht zuletzt daran klärglich, dass Sujets wie Wunderheilungen und Nahtoderfahrungen in ein fragwürdiges Licht gerückt werden und de facto für einen Verzicht auf medizinische Betreuung geworben wird. Dass Jennifer Garner inmitten eines vollständig hölzern agierenden Ensembles halbwegs heraussticht, stellt jedoch kein Kompliment im eigentlichen Sinne dar, denn einmal mehr liefert sie eine zu Unrecht gelobte Darbietung, die Substanz, Überzeugungskraft und Authentizität in den meisten Momenten vermissen lässt, sodass lediglich Queen Latifah es vermochte, für ein paar annehmbare Szenen zu sorgen. Für ein Kaffeekränzchen in einer ländlichen Mormonenkirche mag sich „Himmelskind“ folglich anbieten, ansonsten jedoch gereicht er angesichts der hierin bedauerlicherweise im Namen Gottes betriebenen Stumpfsinnigkeit für nichts anderes als Ermüdung, Ärgerlichkeit und eine Häufung an Fragezeichen.

USA 2016 – 109 Minuten Regie: Patricia Riggen Genre: Drama Darsteller: Jennifer Garner, Kylie Rogers, Martin Henderson Eugenio Derbez, Queen Latifah, Brighton Sharbino, Courtney Fansler, Zach Sale, Kelly Collins Lintz, John Carroll Lynch
USA 2016 – 109 Minuten
Regie: Patricia Riggen
Genre: Drama
Darsteller: Jennifer Garner, Kylie Rogers, Martin Henderson Eugenio Derbez, Queen Latifah, Brighton Sharbino, Courtney Fansler, Zach Sale, Kelly Collins Lintz, John Carroll Lynch

Mamma Mia!

7

Um es sogleich vorweg zu nehmen: Die schwedische Popgruppe ABBA zählt für mich auch mehr als dreißig Jahre nach ihrer offiziellen Auflösung für mich zu dem Besten, das die Musikbranche jemals hervorgebracht hat. Des Öfteren beschleicht einen sogar das universelle Gefühl, dass nahezu jeder Mensch auf Erden die Gewinner des Eurovision Song Contests von 1974 zumindest wegen einiger der zeitlosen Evergreens schätzt. Nachdem das Bühnenmusical seit 1999 quer über den Globus mit ungeahnter Zuschauerresonanz aufgeführt wurde und die ABBA-Mania neu entfachte, war es nur eine Frage der Zeit, bis das Material seinen Weg in die Lichtspielhäuser fand. Vor unbändiger Lebensfreude und sprühender Situationskomik nur so strotzend, hat Phyllida Lloyd mit ihrem Regie-Debüt den schwierigen Transfer bravourös gemeistert und trommelte nicht nur ein Ensemble der begnadetsten Schauspieler mit beachtlichen Sangesqualitäten zusammen, sondern ließ den Geist einer ganzen Generation wiederaufleben. Neben akribisch vorbereiteten Choreographien und an Idyllik kaum zu überbietenden Schauplätzen und Szenenbildern punktet der keine Minute zu lange Musikfilm mit der Neuvertonung von Meisterstücken wie „Money, Money, Money“, „The Winner Takes It All“ und ganz besonders in Form des viel zu unbekannten Songs „Slipping Through My Fingers“ sowie mithilfe des grandiosen Ensembles. Insbesondere Meryl Streep zeigte trotz der herausfordernden Aufgabe, sich an die äußerst diffizil zu interpretierenden Songs der vier Skandinavier heranzutrauen, eine der gelöstesten Performances ihrer Karriere und zählt ebenso zu den Highlights wie die herrlich amüsanten und liebenswerten Darbietungen von Christine Baranski, Julie Walters und Colin Firth. Das einzige, nicht von der Hand zu weisende Manko bezieht sich auf die Besetzung von Ex-007 Pierce Brosnan, der nicht nur stimmlich eine weitestgehend desaströse, vielfach überzogene Vorstellung gibt. Weltweit vermochte „Mamma Mia!“ es, das Zwölffache seiner Fertigungskosten einzuspielen, während er im Vereinten Königreich sogar zum erfolgreichsten Kinowerk der Geschichte avancierte, was eben deswegen besonders erfreulich erscheint, da das Musical nicht zuletzt einen mitreißenden, immer wieder aufs Neue für kollektives Gute-Laune-Feeling sorgenden Lobgesang auf das Leben darstellt.

UK / USA / D 2008 – 108 Minuten Regie: Phyllida Lloyd Genre: Musical / Komödie Darsteller: Meryl Streep, Amanda Seyfried, Pierce Brosnan, Colin Firth, Stellan Skarsgård, Julie Walters, Christine Baranski, Dominic Cooper, Philip Michael, Ashley Lilley, Rachel McDowall
UK / USA / D 2008 – 108 Minuten
Regie: Phyllida Lloyd
Genre: Musical / Komödie
Darsteller: Meryl Streep, Amanda Seyfried, Pierce Brosnan, Colin Firth, Stellan Skarsgård, Julie Walters, Christine Baranski, Dominic Cooper, Philip Michael, Ashley Lilley, Rachel McDowall

Pakt Der Wölfe (OT: Le Pacte Des Loups)

8

Die zweite Inaugenscheinnahme eines filmischen Werkes in Folge eines großen, zeitlichen Abstandes kann sich sowohl als Segen und Möglichkeit zur Entdeckung neuer Lesarten erweisen als auch als moderate Ernüchterung. Obwohl die französische, für vier Caesars vorgeschlagene Genremischung namens „Pakt Der Wölfe“ nicht uneingeschränkt zur letztgenannten Kategorie gezählt werden kann, muss dennoch angeführt werden, dass sie keinen optimalen Alterungsprozess durchlaufen hat. Die lose auf wahren Ereignissen basierende Chronik einer abscheulichen Todesserie im vorrevolutionären Südfrankreich leidet fünfzehn Jahre nach ihrer Veröffentlichung nämlich vor allem an der visuellen Bebilderung der Bestie selbst, die aus heutiger Sicht äußerst gewöhnungsbedürftig und rückständig animiert wirkt und unpassender Weise eher an die Stilistik von Actionfilmen aus Fernost erinnert. Dessen ungeachtet offeriert Regisseur Christophe Gans im Gesamtkontext ein virtuos bebildertes, in Bezug auf sämtliche andere Elemente wie Musik, Kostüme, Make-Up und Szenenbilder überaus aufwendig inszeniertes Spektakel auf Augenhöhe zu amerikanischen Werken wie „Sleepy Hollow“, das zielgerichtet zwischen zeittypisch dialogisierten und retardierenden Ruhephasen sowie reißerischen, hochspannenden Blockbuster-Momenten pendelt. Für eine kriminalistisch beseelte Produktion ist das Personengeflecht allerdings eine Nuance zu unübersichtlich, während auch die Lauflänge als solche einiger Kürzungen bedurft hätte, sodass in diesem Zusammenhang weniger tatsächlich etwas einmal gewesen wäre. Für diese Mankos entschädigt jedoch das geschlossen agierende Ensemble, aus dem speziell Monica Bellucci und Vincent Cassel mit rundum überzeugenden Performances herausragen. Folglich stellt der am voyeuristischen Grusel angelegte „Pakt Der Wölfe“ möglicherweise kein allumfassendes Meistwerk dar, aber dennoch einen unterhaltsamen, ansehnlichen und ambitionierten Beitrag des Kinos der Grande Nation.

F 2001 – 137 Minuten Regie: Christophe Gans Genre: Historienfilm / Horror / Fantasy Darsteller: Samuel Le Bihan, Vincent Cassel, Émilie Dequenne, Monica Bellucci, Jérémie Renier, Mark Dacascos, Jean Yanne, Édith Scob, Jean-François Stévenin, Jacques Perrin
F 2001 – 137 Minuten
Regie: Christophe Gans
Genre: Historienfilm / Horror / Fantasy
Darsteller: Samuel Le Bihan, Vincent Cassel, Émilie Dequenne, Monica Bellucci, Jérémie Renier, Mark Dacascos, Jean Yanne, Édith Scob, Jean-François Stévenin, Jacques Perrin

Snakes On A Plane

9

Die vollmundige Ankündigung eines actionbegeisterten Bekannten, dass es sich im Falle von „Snakes On A Plane“ um DEN schlechtesten Film aller Zeit handelt, trieb mich entgegen meiner Gewohnheiten dazu, mir jenes Werk tatsächlich einmal selbst mal anzutun, das bereits vor der Veröffentlichung für einen ungewöhnlich großen Medienrummel sorgte. Nach der heimischen Sichtung kann ich diese Betitelung nicht bestätigen, obschon der Thriller des Regisseurs von zwei „Final-Destination“-Teilen sicherlich meilenweit davon entfernt ist, für gute oder auch nur durchschnittliche Spartenkost befunden zu werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Genrevertretern erhebt jedoch keiner der Beteiligten in irgendeiner Form den Anspruch, große Filmkunst sein zu wollen. Deswegen funktioniert und unterhält der Kampf zwischen Mensch und Schlange auf klaustrophobischem, aeronautischem Raum insbesondere dann, wenn man nicht zu viel über die grenzenlos einfach gestrickte Handlung, unzählbare Logiklöcher und blutleere, bisweilen grenzdebile Dialoge nachdenkt und sich stattdessen von dem wiederholt amüsanten Horrortrip aus der Trash-Sparte zerstreuen lässt. Neben überwiegendem Temporeichtum ohne große Umschweife kann „Snakes On A Plane“ sogar auf handwerklicher Ebene als recht gediegen charakterisiert werden, wenngleich das Gebotene dennoch zu wenigen Zeitpunkten den Anschein erweckt, als seien über 30 Millionen US-$ in das Projekt geflossen. Während Samuel L. Jackson, der sich nach eigenen Aussagen mittlerweile für seine Beteiligung schämt, und Julianna Margulies annehmbare Leistungen zeigen, erfüllt das übrige No-Name-Ensemble in erster Linie seine vordergründige, selbstbezweckende Funktion als vollkommen austauschbares Schlangenfutter. Infolgedessen würden mir auf Anhieb wahrscheinlich zwanzig andere Filmkreationen einfallen, die deutlich misslungener sind als Ellis‘ inzwischen Kultstatus genießende Produktion.

USA 2006 – 106 Minuten Regie: David R. Ellis Genre: Horror / Thriller / Action Darsteller: Samuel L. Jackson, Julianna Margulies, Nathan Phillips, Rachel Blanchard, Sunny Mabrey, Flex Alexander, Kenan Thompson, Bobby Cannavale, Todd Louiso, Tom Butler
USA 2006 – 106 Minuten
Regie: David R. Ellis
Genre: Horror / Thriller / Action
Darsteller: Samuel L. Jackson, Julianna Margulies, Nathan Phillips, Rachel Blanchard, Sunny Mabrey, Flex Alexander, Kenan Thompson, Bobby Cannavale, Todd Louiso, Tom Butler

Tarzan (1999)

10

Innerhalb von fast 80 Jahren veröffentlichten die Disney-Studios inzwischen 55 Kinoproduktionen, die zur so genannten „Meisterwerke“-Reihe gehören und die Kindheit ganzer Generationen bereicherten. Im Falle des Werks mit der Ordnungszahl 37 jedoch spalten sich die Gemüter diesbezüglich jedoch erheblich, während ich die Adaption von „Tarzan“ sogar als qualitativen Wendepunkt erachte. Trotz eines erneut erfindungsreichen Zeichenstils und der gewinnbringenden Liebesgeschichte zwischen zwei Individuen aus völlig verschiedenen Welten blieb die gewohnte Substanz und Liebenswürdigkeit der Charaktere auf Kosten von übertriebenem Tempo größtenteils auf der Strecke, während auch nur rund die Hälfte der Gags zündete. Aufgrund ebendieser Hektik bietet die romanbasierte Produktion zwar temporär Spannung und optische Reize, verfehlt es jedoch zur Herzensangelegenheit mit Identifikationspotential ausgeformt zu werden, durch welche die ursprüngliche Intention ersichtlich zu werden vermag. Die Originalsongs, allesamt aus der Feder von Musikgenie Phil Collins, mögen in ihrer ursprünglichen Form ebenfalls hörenswert sein, allerdings störte nicht nur der Umstand, dass er selbst es für nötig befand, sie in schlechtem Deutsch einzusingen, sondern auch die jeweilige Gleichartigkeit der Lieder zueinander. „Tarzan“ mag technisch zweifelsohne seine Höhepunkte aufweisen und für das Befinden von Kindern im Grundschulalter auch recht kurzweilig geraten sein, dennoch mangelte es augenscheinlich an dem universellen Anspruch, mehr als nur kindgerechte Unterhaltung sein zu wollen und ein reiferes Publikum anzusprechen. Letztlich festigte die zweite Sichtung des Abenteuers meine These, dass der faktische Niedergang des Goldenen Zeitalters der Disney-Meistwerke um die Jahrtausendwende abrupt begann, was sich auch anhand der noch misslungeneren Nachfolger manifestiert.

USA 1999 – 88 Minuten Regie: Kevin Lima & Chris Buck Genre: Zeichentrickfilm / Komödie / Abenteuer Deutsche Synchronsprecher: Jaron Löwenberg, Anke Engelke, Osman Ragheb, Michael Brennicke, Ivar Combrinck, Eva Mattes, Joachim Höppner, Heike Makatsch, Detlev Buck
USA 1999 – 88 Minuten
Regie: Kevin Lima & Chris Buck
Genre: Zeichentrickfilm / Komödie / Abenteuer
Deutsche Synchronsprecher: Jaron Löwenberg, Anke Engelke, Osman Ragheb, Michael Brennicke, Ivar Combrinck, Eva Mattes, Joachim Höppner, Heike Makatsch, Detlev Buck

The Light Between Oceans

11

In Gestalt von „Blue Valentine“ und „The Place Beyond The Pines“ ist es dem aus Colorado stammenden Regisseur Derek Cianfrance bereits trotz jeweils limitierter Kinoveröffentlichung gelungen, eine Fülle an Kritikerlob einzufahren und sich als ernstzunehmender Jungregisseur zu etablieren, von dem man in Zukunft noch einiges erwarten darf. Für seinen dritten, im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig uraufgeführten Spielfilm adaptierte er den Debütroman des Australiers M.L. Stedman erzählt die intime Geschichte eines Veteranen und Leuchtturmwärters sowie seiner Frau, die unverhofft zu einem Kind kommen, vor dem Hintergrund der kurzen Epoche zwischen den beiden Weltkriegen. An erlesenen, beinahe wehmütig auf den Zuschauer einwirkenden Drehorten in Downunder fotografiert, konzentrierte man sich in herzerwärmender, poetischer Weise auf zwischenmenschliche Aspekte in Zeiten größter Widrigkeiten und die menschliche Ursehnsucht nach eigenem Nachwuchs, ohne dabei in allzu oft gesehene Spartenklischees abzudriften. Einmal mehr tat Alexandre Desplat sich als Garant für fantastische, einfühlsame und zutiefst einprägsame Klänge hervor. Als einziger größerer Schwachpunkt des Dramas kann die Konstruktion des Schlussaktes identifiziert werden, welcher allzu konventionell und ausgedehnt geraten ist, dafür entschädigt allerdings ganz besonders die unglaubliche Chemie der beiden Protagonisten zueinander. Sowohl im direkten Zusammenspiel wissen Alicia Vikander und Michael Fassbender mit Sensibilität und enormer Glaubwürdigkeit und tiefe Einblicke in die jeweiligen Seelenleben zu überzeugen, weswegen es keinem Mysterium gleichkommt, dass beide Akteure sich während des Drehs auch privat lieben lernten. Des Weiteren offeriert auch Rachel Weisz ihre stärkste Darstellerleistung seit ihrem Oscargewinn vor nunmehr einer Dekade. Entstanden ist somit ein erwachsenes, berührend dialogisiertes und großartig besetztes Melodram mit minimalen qualitativen Abstrichen, das vom Publikum Geduld und Reife abverlangt und vielleicht deswegen von Seiten vieler Rezensenten zu Unrecht als durchschnittliche Genrekost abgewertet wird.

UK / USA / NZ 2016 – 133 Minuten Regie: Derek Cianfrance Genre: Liebesdrama Darsteller: Michael Fassbender, Alicia Vikander, Rachel Weisz, Florence Clery, Jack Thompson, Thomas Unger, Jane Menelaus, Garry McDonald, Anthony Hayes, Benedict Hardie, Bryan Brown
UK / USA / NZ 2016 – 133 Minuten
Regie: Derek Cianfrance
Genre: Liebesdrama
Darsteller: Michael Fassbender, Alicia Vikander, Rachel Weisz, Florence Clery, Jack Thompson, Thomas Unger, Jane Menelaus, Garry McDonald, Anthony Hayes, Benedict Hardie, Bryan Brown

Thelma & Louise

12

Man mag kaum glauben, dass seit der Veröffentlichung von Ridley Scotts siebenter Leinwandproduktion bereits exakt ein Vierteljahrhundert ins Land gezogen ist, denn die Tragikomödie um zwei vom Alltagstrott gebeutelte Freundinnen, die sich nach einer Affekthandlung unversehens auf der Flucht vor der Polizei befinden, mutet nach wie vor frisch und gegenwartsrelevant an und gilt nicht nur für die LGBT-Community indirekt als leuchtendes, vielzitiertes Symbol. Fulminant gefilmt, herausragend geschnitten und mithilfe einer optimalen Mischung aus musikalischen Neukompositionen und altbekannten, wohlplatzierten Songs wie „The Ballad Of Lucy Jordan“ unterlegt, zeichnet sich „Thelma & Louise“ durch sein smartes Skript und die enorme psychologische Dichte aus, die sich wiederum an erstklassigen Dialogen manifestiert und trotz der ernsten und realitätsnahen Grundkonstellation genügend Raum für allerhand feinhumorige Augenblicke gewährt. Während Susan Sarandon die Rolle mit Präsenz und Einfühlungsvermögen füllte und sie eher lebt als sie lediglich zu spielen, darf im Falle von Geena Davis sogar mit Fug und Recht vom individuellen Karrierezenit gesprochen werden und gerade die Interaktionen der beiden Frauen fesseln bis zum Schluss. Die zutiefst nachwirkende Produktion, durch die Brad Pitt langsam aber sicher zum Star avancierte, hatte jedoch das Pech, auf der Awardbühne ausgerechnet gegen das Überwerk „Das Schweigen der Lämmer“ antreten zu müssen und folglich nur den Trostpreis für das Drehbuch entgegen nehmen zu dürfen, was jedoch keiner Abwertung entspricht. „Thelma & Louise“ ist somit mehr als ein vom Zusammenspiel zweier grandioser Hauptdarstellerinnen lebendes Drama, sondern eines der vielleicht besten Roadmovies der Filmgeschichte, das wie kein anderes Werk als Parabel gegen Chauvinismus und Unterdrückung und für weibliche Charakterstärke fungiert.

USA 1991 – 129 Minuten Regie: Ridley Scott Genre: Tragikomödie / Roadmovie Darsteller: Susan Sarandon, Geena Davis, Harvey Keitel, Michael Madsen, Brad Pitt, Stephen Tobolowsky, Lucinda Jenney, Christopher McDonald, Timothy Carhart, Jason Beghe
USA 1991 – 129 Minuten
Regie: Ridley Scott
Genre: Tragikomödie / Roadmovie
Darsteller: Susan Sarandon, Geena Davis, Harvey Keitel, Michael Madsen, Brad Pitt, Stephen Tobolowsky, Lucinda Jenney, Christopher McDonald, Timothy Carhart, Jason Beghe
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