Allied – Vertraute Fremde (OT: Allied)

Zum Abschluss der entgegen aller Vorsätze wieder recht stresserfüllten Adventszeit gönnte ich mir nach verhältnismäßig langer Zeit, endlich einmal wieder ein Historiendrama in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, das nicht nur wegen Spionage-Thematik sofort Neugier aufkommen ließ, sondern in nicht geringem Maße durch sein interessantes Hauptdarstellergespann, das zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera stand und bekanntlich bereits im Vorfeld die Gerüchteküche mächtig anheizte. Speziell der Trailer suggerierte im Vorfeld, dass es sich bei „Allied – Vertraute Fremde“ eher um einen actiongeladenen Kriegsfilm mit Reminiszenzen an „Inglourious Basterds“ als um ein melancholisches Beziehungsdrama vor geschichtlicher Kulisse handeln würde, allerdings überraschte Robert Zemeckis in Form seiner inzwischen 18. Regieführung vor allem dadurch, dass das Gegenteil der Fall war. Das Werk überzeugt in Summe vielleicht nicht in jedem einzelnen Belang, stellt aber zweifelsohne einen in wunderbarer Weise altmodischen und eleganten Film, der bewusst Doppeldeutigkeiten ins Visier nimmt und sich mit der Frage auseinandersetzt, wie sehr man seinem Ehepartner in undurchsichtigen Zeiten trauen kann.

Für die von 1942 bis 1944 reichende und lose auf wahren Begebnissen basierende Erzählung um zwei aus den alliierten Staaten Kanada und Frankreich stammende Spione namens Max und Marianne, die sich im Zuge eines waghalsigen Attentats auf den deutschen Botschafter in Marokko kennenlernen und entgegen des Kodexes ineinander verlieben, setzen die Macher auf eine klassische Dramaturgie und imposante Schauwerte. Insbesondere in mehreren, gelungenen Einzelmomenten mit starker Dialogisierung schöpften sämtliche Beteiligte das ungemeine Potential der kriminalistisch angehauchten Geschichte in bewegten Zeiten optimal aus und setzten im Zuge dessen auf den Wechsel zwischen Temporeichtum und Entschleunigung, garniert mit zwei überaus sinnlichen Liebesszenen. Unglücklicherweise mutet das im Mitteilteil etwas zu zähflüssig und langatmig geratene Resultat gelegentlich nicht immer als homogene Einheit an und auch eine gewisse Vorhersehbarkeit ist nicht von der Hand zu weisen, allerdings trösten viele andere Stilmittel über diese Schwachstellen hinweg. Wenngleich man mangels Drehgenehmigung gezwungen war, für die Aufnahmen der Anfangsphase des Werkes auf die Kanarischen Inseln auszuweichen, sind die dortigen orientalischen, akkuraten Kulissen analog zu den detailreichen Kleidungsstücken ein wahrgewordener Augenschmaus, der im direkten Kontrast zur kühl skizzierten Londoner Innenstadt steht. Gerade im ersten Abschnitt vermag Kameramann Don Burgess es, den Zuschauer voll in seinen Bann zu ziehen, während ferner die Tongestaltung zu loben ist sowie auch Silvestris ungewöhnliche Untermalung sich durch enormen Abwechslungsreichtum und Feinfühligkeit auszeichnet, die den beiden stimmig agierenden Protagonisten Unterstützung liefert. Während Marion Cotillard mich trotz einer überaus souveränen und facettenreichen Performance das erste Mal seit Jahren nicht vollends wie im Falle von „Macbeth“ vom Hocker riss, zeigte Brad Pitt auf der anderen Seite die intensivste und präsenteste Leistung seit einer gefühlten Ewigkeit. Als Garant für nuancierte Performances erweist sich überdies erneut Matthew Goode in einer sehr kurzen, aber nachwirkenden Rollen und auch August Diehl wusste einmal mehr als feindlicher Charakter zu gefallen.

Was unter dem Strich bleibt, ist folglich keine allumfassend perfekte Produktion in glanzvollen Sphären, über die man im Gegensatz zum Klassiker „Casablanca“ noch in Jahrzehnten sprechen wird, aber dennoch ein wirklich guter, spannender Film mit unbestreitbaren Vorzügen, einem überzeugenden Schlussakt und ansonsten häufig ausbleibender Substanz. „Allied“ markiert trotz einiger Oberflächlichkeiten letzten Endes einen geglückten Versuch, Geschichte auf moderne, lebensweltliche Weise zu rekonstruieren. Potentielle Oscarnominierungen für die Kostüme, die aufwendigen Szenenbilder und die musikalische Zusammenstellung halte ich im Übrigen nicht nur für gerechtfertigt, sondern auch im Bereich des Möglichen.

USA 2016 – 124 Minuten
Regie: Robert Zemeckis
Genre: Historiendrama / Romanze / Action
Darsteller: Brad Pitt, Marion Cotillard, Jared Harris, Matthew Goode, Lizzy Caplan, Anton Lesser, August Diehl, Camille Cottin, Charlotte Hope, Marion Bailey, Simon McBurney
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