In Gestalt von „Lion“ gelang dem aus Downunder stammenden Garth Davis mit seinem Spielfilmdebüt ein regelrechter Bilderbuch-Start, das im vergangenen Jahr sechs Oscarnennungen auf sich vereinen konnte. Unmittelbar danach traute er sich nun an ein weitaus weniger kinotaugliches, ungeahnt gottesfürchtiges Sujet, an dem sich schon viele Filmschaffende vor ihm verhoben haben und widmete seine zweite Regietätigkeit der vielleicht meistdiskutierten Person des Neuen Testaments… Maria von Magdala, eine Gestalt von jahrhundertlang zweifelhaftem Ruf, wird nun mithilfe eines Perspektivwechsels inmitten einer von Männern dominierten Heiligen Schrift zur Protagonistin und Zeugin in der entscheidenden Wirkensphase Jesu. Neben der Besetzung mutete vor allem ebendiese Idee insbesondere im Lichte aktueller Gender-Debatten als überaus gewinnbringend an, in letzter Instanz jedoch haben die Macher es trotz symbolistischer Highlights weitestgehend nicht geschafft, das zugrunde liegende Potential zu erkennen oder aber in Bezug auf psychologische Sphären umzusetzen.
Bekanntermaßen bilden die vier kanonischen Evangelien sowie außerbiblische Überlieferungen mit umstrittenem Wahrheitsgehalt die einzigen Quelle für die Existenz Maria Magdalenas, weswegen es vermessen wäre, sich ein Urteil über die historische Authentizität der filmischen Adaption zu erlauben, die zumindest die Aufbruchsstimmung der Zeit visualisieren kann und sich gewisse Freiheiten unweigerlich erlauben musste. Das Senfkorn-Gleichnis agiert als kraftvoller und bildgewaltig inszenierter Rahmen, zwischen dem sich die vorösterliche Erzählung bewegt, die ein höheres Maß an Geist des Evangeliums verströmt als man es dem Regisseur zugetraut hätte. Analog zu Papst Franziskus möchte auch die Produktion einen Beitrag zur Rehabilitierung der jahrhundertelang als Hure gebrandmarkten Figur unternehmen und weist ihr einen Platz als 13. Jünger zu. Unglücklicherweise wurde dem Aspekt, dass Maria eine Person aus eigenem Recht gewesen ist, deutlich zu wenig Bedeutung beigemessen, weswegen sie aufgrund ihrer reduzierten Charakterzeichnung lediglich als Anhängsel eines Mannes mit Popularitätsstatus erscheint. Aufgrund der Kürze sporadischer Dialogführungen gerät insbesondere der Mittelteil zu einer zähen Angelegenheit. Gegen diese inhaltliche Ödnis kämpft vor allem die gelungene, optische Aufmachung an, aus der die meisterhafte Arbeit der Maskenbildner sowie die phasenweise absolut gigantische Filmmusik des Isländers Jóhann Jóhannsson hervorragen, welche schmerzhafter Weise seine letzte vollendete Komposition bleiben soll. Zudem erwiesen sich auch die Drehorte abseits des Gelobten Landes als annehmbare Wahl, während reduzierte Szenenbilder sowie die ungewohnt schlichten Kostüme der inzwischen sechsfach oscarnominierten Jacqueline Durran in den zeitlichen Kontext passen. Selbiges hätte man gerne auch von den Hauptdarstellern behauptet. Nachdem Rooney Mara in „Carol“ eine bravouröse Darbietung zeigte, agiert sie nach vielversprechendem Start zunehmend passiv und nicht lebendig genug, um ihre Rolle zu auszufüllen oder ihr neue Lesarten hinzuzufügen. Besonders vielsagend dürfte es sein, dass sie in direkter Interaktion mit einer völlig unbekannten Darstellerin in der Rolle der Mutter Jesu‘ den Kürzeren zieht. Allround-Talent Joaquín Phoenix, gibt ebenfalls sein Bestes und offeriert einige starke Momente als Jesus von Nazareth, dennoch wirken seine Regungen bisweilen, als sei er selbst von Dämonen besessen, daher wiederholt „over the top“. Als darstellerisches Highlight entpuppt sich Tahar Rahim, dem es gelang, nicht nur die innere Zerrissenheit aufgrund seines Verrats erlebbar werden zu lassen, sondern die Figur des Judas mit Vielschichtigkeit auszustatten.
Infolgedessen stellt „Maria Magdalena“ sicherlich keinen allumfassenden Flop oder aber Teufelswerk dar und vermag zumindest in einer post-modernden Ära mithilfe gut durchdachter Metaphern und der Reminiszenz an biblische Zeitzeugenberichte zu punkten. Unglücklicherweise geriet das Endergebnis allerdings selbst für Kinozuschauer mit einem Faible für religionsgeschichtliche Thematiken zu einem unbequemen Erlebnis, dem es vielfach an geschlossener Spannung und narrativer Raffinesse fehlt.