Interstellar

Matthew McConaughey


Mit „Interstellar“ hat Christopher Nolan seinen bisher wohl kontroversesten Film gedreht. Entweder man verehrt ihn nach dem sehen abgöttisch, oder man zerreißt ihn achtkantig in der Luft, dazwischen gibt es wohl nur wenig Spielraum. Ich gehöre jedenfalls definitiv zur ersten Kategorie.
Denn „Interstellar“, den Nolan erneut zusammen mit seinem Bruder Jonathan geschrieben hat, ist nicht nur visuell einer der beeindruckendsten Filme der letzten Jahre, sondern auch inhaltlich ein absolutes Meisterwerk und einer der größten Mindfucks der jüngeren Filmgeschichte. Für mich bereits jetzt Nolans größter Geniestreich, und das soll schon etwas heißen.

Die Erde in einer nicht allzu fernen Zukunft. Der verwitwete frühere Ingenieur und NASA-Testpilot Cooper (Matthew McConaughey) arbeitet seit einem traumatischen Unfall als Maisbauer auf einer Farm irgendwo im Mittleren Westen der einstigen USA. Er lebt dort mit seiner zehnjährigen Tochter Murphy, genannt Murph (Mackenzie Foy), seinem 15-jährigen Sohn Tom (Timothée Chalamet), sowie seinem Schwiegervater Donald (John Lithgow) zusammen.

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Die Menschheit steht kurz vor ihrem Untergang, der weltweite Getreidebestand wurde durch flächendeckenden Mehltaubefall zerstört, und auch die meisten anderen überlebenswichtigen Nährpflanzen existieren nicht mehr. Auch die Maisbestände sind durch den sich ausbreitenden Ungezieferbefall bedroht. Zudem wird das Land durch die fortschreitende Erosion von immer heftiger werdenden Sandstürmen heimgesucht. Wirtschaft, Militär und Forschung sind weitestgehend abgeschafft.
Durch eine zufällig entdeckte Gravitationsanomalie in Murphs Kinderzimmer (welche sie anfangs für einen Geist hält) stößt Cooper auf kodierte Geländekoordinaten, die sie zu einem geheimen Stützpunkt führen, welcher sich als die ehemalige NASA herausstellt, die, geschützt vor den Augen der Öffentlichkeit, an einer Lösung vor dem drohenden Exitus arbeiten. Die Leiter der Einrichtung sind Coopers ehemaliger Förderer Professor Brand (Michael Caine) und dessen Tochter Amelia (Anne Hathaway). Sie arbeiten an einem letzten großen Raumfahrtprogramm, bei dem drei bemannte Sonden durch ein in der Nähe des Saturns entdeckten (von unbekannten Mächten künstlich erzeugten) Wurmloch geschickt wurden um erdähnliche Planeten in einer weit entfernten Galaxie ausfindig zu machen. Dabei sind schließlich drei Kandidaten in der engeren Auswahl gelandet. Als größte Mission soll nun ein letztes Erkundungsteam durch dieses Wurmloch reisen und den einen perfekten Planeten bestimmen, sowie Vorkehrungen für den letzten großen Exodus der Menschheit vorbereiten. Als Plan B, falls die Menschen nicht mehr rechtzeitig gerettet werden können, sollen tiefgefrorene Embryonen an Bord einen kompletten Neuanfang der menschlichen Spezies ermöglichen.
Neben Amelia wird auch Cooper für die Mission ausgewählt, da er der einzige Pilot ist, der schon einmal wirklich geflogen ist und nicht nur zuvor in einem Simulator trainiert hat. Doch Cooper trennt sich im Streit von Murph, die ihm nicht verzeihen kann, dass er die Familie so lange im Stich lässt. Die weiteren Crewmitglieder sind die Physiker Romilly (David Gyasi) und Doyle (Wes Bentley), sowie die beiden hochintelligenten Roboter TARS (O-Stimme: Bill Irwin) und CASE (O-Stimme: Josh Stewart).

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Nach zwei Jahren Flug im Kälteschlaf zum Saturn kann die Mannschaft endlich den Sprung durch das Wurmloch ansetzen. Als sie auf der anderen Seite ankommen, steuern sie den ersten der drei in Frage kommenden Planeten an, der von dem Kommandanten Miller entdeckt wurde. Doch dabei gibt es ein massives Problem, Miller liegt in der Nähe des riesigen Schwarzen Lochs Gargantua durch das die Raumzeit gekrümmt wird. Da Millers Raumschiff seit geraumer Zeit als verschollen gilt, will die Mannschaft ihre Kameraden in einer Rettungsmission zurückholen. Doch durch die Zeitkrümmung würden selbst bei nur einer Stunde Aufenthalt auf diesem Planeten rund 7 Jahre Erdzeit verstrichen sein. Nachdem sie einen Weg gefunden haben, die Bergung in einem kürzest möglichen Zeitraum zu absolvieren, fliegen Cooper, Brand und Doyle mit einer Rettungskapsel auf die Oberfläche, müssen dort jedoch feststellen, dass Millers Schiff komplett durch eine gigantische Flutwelle des dortigen Meeres zerstört wurde. Ihre Kapsel gerät dabei selbst in höchste Gefahr. Doyle stirbt und bis es Amelia und Cooper wieder zurück an Bord ihres Schiffes schaffen sind bereits über 23 Jahre Erdzeit vergangen und Romilly entsprechend gealtert. Und auch Coopers Kinder sind bereits erwachsen. Tom (jetzt: Casey Affleck) hatte bisher als Einziger jahrelang diverse Videobotschaften über die NASA an seinen Vater geschickt, gibt die Hoffnung ihn jemals wieder zu sehen jedoch nun auf. Dafür meldet sich Murph (jetzt: Jessica Chastain) zum allerersten mal seitdem Cooper weggeflogen war. Sie arbeitet mittlerweile selbst bei Prof. Brand und macht alsbald eine schreckliche Entdeckung. …

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Soviel kann man getrost zur Story erzählen ohne zu viel zu spoilern. Denn ab da geht die Handlung im Prinzip auch erst richtig los. Und wie!
Wenn man dem Film etwas vorwerfen möchte, ist es eigentlich nur das bis dahin stellenweise langsame Erzähltempo und die vielen, teils echt wirren, Fragen die er bis dato aufwirft ohne auch nur einen winzigen Ansatz einer Antwort zu liefern. Doch wenn man sich voll darauf einlässt wird man fortan definitiv belohnt, und am Ende ergibt alles einen glasklaren Sinn. Wobei mancher wohl auch das dem Film vorwerfen könnte. Macht er damit schließlich doch genau das, was Stanley Kubricks Über-Meisterwerk „2001: Odyssee im Weltraum“, mit dem „Interstellar“ im Vorfeld oft (übrigens vollkommen zurecht!) verglichen wurde, bewusst vermeidet.
Doch sind das in meinen Augen Haarspaltereien. Und die Konklusion der Geschichte entschädigt wie gesagt für alle evtl. vorherigen Längen, wobei sich diese eben dann nicht mehr als solche entpuppen.
Dass die Nolan-Brüder es drauf haben gleichsam unterhaltsame wie tiefsinnige Geschichten zu schreiben ist nichts Neues, mit „Interstellar“ katapultieren sie sich jedoch (im wahrsten Sinne des Wortes) in eine völlig neue Dimension und übertrumpfen beim „Mindfuck“-Faktor selbst ihre bisherigen Spitzenreiter „Inception“ und „Memento“ noch um ein Vielfaches. Der philosophische Überbau wird sicher auch nicht jedem schmecken, ich fand ihn jedoch absolut passend und fantastisch mit allen Plots verwoben.

Technisch setzt der Film ebenfalls neue Maßstäbe. Die visuellen Effekte gehören zum besten was bislang über die große Leinwand geflackert ist und stellen selbst die Genialität des letztjährigen Oscar-Gewinners in dieser Kategorie, „Gravity“, noch in den Schatten. Ton und Tonschnitt sind ebenfalls das derzeitige Maß der Dinge, besonders die Schnitte von lärmenden und ächzenden Geräuschen innerhalb des Schiffs oder auf den verschiedenen Planeten zur absoluten Geräuschlosigkeit des Alls (welche wohl noch nie zuvor so realistisch dargestellt wurde, genau wie die Hyperraum-Reisen) sind ganz großes Kino und garantieren mehr als ein Mal kräftige Gänsehaut. Die Oscars in diesen drei Kategorien sollten „Interstellar“ daher wohl nicht zu nehmen sein (auch wenn es „Planet der Affen: Revolution“ sicher nicht minder verdient hätte, „Interstellar“ ist definitiv noch mal ein ganz anderer Schnack)!

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Die Äs­the­tizität der Bilder von Hoyte Van Hoytema ist auch kaum in Worte zu fassen. Wunderschön beschreibt noch nicht mal ansatzweise was dem Zuschauer hier optisch dargeboten wird. Wes Bentley sagte in seiner Rolle als Ricky Fitts in „American Beauty“ den vielzitierten Satz: „Es gibt manchmal so viel Schönheit auf der Welt, dass ich sie fast nicht ertragen kann, und mein Herz droht dann daran zu zerbrechen“. Sinngemäß könnte man diesen Satz hier auf die den gesamten Weltraum anwenden. Auch mein Herz ist während des Schauens beinahe vor lauter Schönheit dahingeschmolzen. Und bevor hier wieder jemand meckert, das sei doch alles im Computer entstanden, irrt. Licht, Kamerafahrten, Farben, all das und weit mehr stammt aus der meisterlichen Hand Van Hoytemas.
Gleiches gilt für den erneut grandiosen Score von Hans Zimmer, der wieder mehr back to the roots geht, und entsprechend über weite Strecken ruhig und verträumt klingt (Philip Glass oder Alexandre Desplats lassen grüßen) und sich somit auch wohltuend von seinen Bombastklängen der letzten Jahre abhebt, wenn auch hier natürlich phasenweise die großen Fanfaren ausgepackt werden. Oscar-Nominierungen für Film, Regie, Kamera, Musik und Ausstattung sollten daher ebenfalls gesetzt sein. Des Weiteren ist durchaus auch eine Nominierung für das Original-Drehbuch vorstellbar.

Darsteller-Nominees sollten dagegen ausgeschlossen sein, auch wenn McConaughey (der sich immer mehr zu einem meiner neuen Lieblinge mausert), Chastain und Hathaway wieder durch die Bank großartig agieren. Gerade bei diesem Film wäre ich zudem für eine Cameo-Sparte dankbar, denn was Burstyn allein in ihren 2-3 Minuten durchgehender Screentime an Emotionen rüber bringt ist unglaublich.
Und apropos Emotionen. Für einen Science-Fiction-Film, die doch oft sehr technisch und kühl wirken, strahlt „Interstellar“ eine überdurchschnittlich große Menge an Herzenswärme aus. Manche mögen dies als Kitsch abtun, für mich ist dies allerdings unverfälschte pure Romantik.


USA/GB – 2014 – 2 Std. 49 Min.
Regie: Christopher Nolan
mit Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica Chastain, Michael Caine, Mackenzie Foy, Timothée Chalamet, John Lithgow, Casey Affleck, Topher Grace, David Gyasi, Wes Bentley, William Devane, David Oyelowo, Bill Irwin, Matt Damon, Josh Stewart & Ellen Burstyn
Genre: Science-Fiction, Drama

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