The Good Nurse

© Netflix

In Gestalt von „Die Jagd“ („Jagten“) und „Der Rausch“ („Druk“) inszenierte der Däne Tobias Lindholm bereits zwei Produktionen, die internationale Ausrufezeichen setzen konnten und reihenweise Preise abräumten. „The Good Nurse“ stellt nun sein englischsprachiges Kinodebüt dar und setzt voll und ganz auf die von Chastain und Redmayne – beide stolze und hochverdiente Inhaber einer Oscarstatue – verkörperten Protagonisten. Das Perfide: Der Film ist keine kriminelle Utopie, sondern basiert auf wahren Begebenheiten und skizziert einen der schlimmsten Serienmordfälle der US-amerikanischen Geschichte, dem (juristisch belegt) zwischen 1988 und 2003 mindestens 40 Patienten zum Opfer fielen.

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Mit immenser, fast schon beängstigender Geduld gewährt „The Good Nurse“ einen analytischen Blick auf den viel zu wenig gewürdigten Arbeitsalltag in Krankenhäusern. Insbesondere der stetige Wechsel zwischen der Illustration der sterilen Klinik in Sepiatönen und den gesättigten Farben des Privaten sorgt für interessante Brüche. Kameraarbeit und Schnitt greifen dabei wie Zahnräder perfekt ineinander. Die chronologische, aufarbeitende Erzählweise stellt drängende Fragen, die auch dem Zuschauer mutmaßlich durch den Kopf gehen dürften: Wie konnte sowas unbemerkt geschehen? Warum wurde niemand darauf aufmerksam? Hat man vielleicht wegsehen wollen? Die Beantwortung dessen obliegt dem Betrachter – und genau darin liegt die große Leistung des zweistündigen Dramas, neben den fesselnden Darbietungen der beiden Stars. Eddie Redmayne, mittlerweile 40 Jahre alt und scheinbar in den Jungbrunnen gefallen, liefert in der Rolle des unauffälligen Mörders seine stärkste Performance seit „The Danish Girl“. Speziell die verstörenden Szenen im Verhörraum sind Gold wert. Und auch Jessica Chastain beweist mittels einer facettenreichen Darbietung, dass auf sie seit „Zero Dark Thirty“ praktisch immer Verlass ist. Einziges Manko: Der Raffinesse des Gespanns steht leider ein relativ farbloses, austauschbares Nebendarsteller-Ensemble gegenüber, das man nicht allzu lang im Gedächtnis behält.

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Entstanden ist nichtsdestotrotz ein spannendes, konsequent inszeniertes und dichtes Werk – vielleicht sogar das bis dato beste der bisherigen Saison, welches seit heute auf Netflix als Stream zur Verfügung steht und nicht nur Mitarbeiter/innen im Pflegebereich oder Diabetiker/innen ansprechen dürfte, denn eines sollte man nie vergessen: Insulin kann Leben retten, aber sie auch ebenso schnell beenden.

USA 2022 – 116 Minuten
Regie: Tobias Lindholm
Genre: Thriller / Drama / Kriminalfilm
Darsteller: Jessica Chastain, Eddie Redmayne, Nnamdi Asomugha, Noah Emmerich, Kim Dickens, Malik Yoba
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