Before Midnight

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Wieder ist aufgrund mangelnder Anreize seit meinem letzten Kinobesuch einige Zeit ins Land gegangen. Das sommerliche, Blockbuster-lastige und bisweilen anspruchsarme Programm ist und war eben noch nie mein Fall! Heute jedoch habe ich mich dort mehr oder weniger zufällig und erwartungsneutral für einen Film aus der Arthouse-Reihe entschieden – und das ist letzten Endes eindeutig als Glücksfall einzuschätzen. Richard Linklaters neuestes Werk bildet die Fortsetzung zu den zwei Tragikomödien „Before Sunrise“ (1995) und „Before Sunset“ (2004), von denen ich bisher weder etwas gehört noch gesehen habe. Doch nun stehen die Chancen, dass dies noch passiert, hervorragend.

Linklater schuf zusammen mit den zwei ebenfalls als Drehbuchautoren agierenden Hauptdarstellern Julie Delpy (Celine) und Ethan Hawke (Jesse) einen kurzweiligen, aktuellen, unterhaltsamen und vor allem zur Nachdenklichkeit anregenden Film, der zudem vor allem eins ist: Ehrlich. Scharfzüngigkeit, Ironie, emotionale Zustandswechsel und die normalen Fragen des Lebens bestimmen diese Charakterstudie entscheidend und porträtieren die dargestellte, langjährige Liebschaft der beiden Protagonisten exakt und für nahezu jeden nachvollziehbar, ohne sie dabei in das Licht einer Karikatur zu stellen. Besonders lobenswert ist überdies, dass der Fokus auf menschliche Grundzüge gelegt worden ist und dabei einige, oftmals sexuelle und allgemein-anthropologische Klischees des Zusammenlebens zweier, älter werdender Personen bestätigt, andere im Gegenzug widerlegt werden. Abgerundet wird „Before Midnight“ durch einen, für meinen Geschmack, überraschenden Schlussteil und fabelhafte, raffinierte, unverblümte, teilweise äußerst derbe und stets auf den Punkt gebrachte Dialoge.

Traumhafte Naturaufnahmen der südgriechischen Inselwelt machen „Before Midnight“ auch zu einem optischen Vergnügen. Andere technische Feinheiten, beispielsweise minutenlange Szenen ohne einen einzigen Schnitt sowie das zielgerichtete, cinematographische Einfangen von Gesichtsausdrücken und Gesten, kommen der Intention, dass es hierbei ausschließlich um die möglicherweise unvermeidbare Veränderung der Art einer Beziehung mit all ihren Konfliktherden geht, zwar zweifellos zugute, wirken jedoch mit der Zeit etwas abwechslungsarm. Auch fällt die (zu) sparsame musikalische Untermalung auf, gerade weil die Klänge der ersten und letzten Minuten hörenswert waren.

Der mit Abstand größte Vorzug des zu keinem Zeitpunkt langatmigen Werkes ist in meinen Augen die großartige Darstellung von Julie Delpy. In diesem Sommer muss man nach überdurchschnittlichen, schauspielerischen Leistungen ja geradezu verzweifelt suchen, weshalb es so toll war, ihr fabelhaftes Spiel betrachten zu können. Sie agierte als unzufriedene, sarkastische Mutter, die eine berufliche Weiterentwicklung und die Vermeidung von Monotonie in ihrer Verbindung anstrebt, brillant und höchst authentisch. Man nahm der gebürtigen Französin sowohl heitere, unterhaltsame Szenen als auch Sequenzen emotionaler Ausbrüche zu 100 Prozent ab, was gerade deshalb so beeindruckend erschien, weil ich Delpy bisher nicht kannte. Dass sie in vielen aktuellen Prediction-Listen auftaucht, ist somit als vollkommen gerechtfertigt anzusehen. Sie dürfte, sofern alles fair läuft, eine sichere Golden-Globe-Kandidatin sein. Ethan Hawke macht seine Sache gut und bemühte sich sehr darum, facettenreich in der Rolle des männlichen Prototyps zu agieren, konnte seiner Drehpartnerin allerdings auf Dauer nicht standhalten, da ihm die eben angesprochene, für das Genre so wichtige Authentizität nicht durchgängig gelungen ist. Die übrigen Rollen sind wohl bewusst klein konzipiert worden, jedoch durchaus überzeugend.

Herausgekommen ist mithilfe von „Before Midnight“ folglich eine filmische Fortsetzung mit einer grandiosen Hauptdarstellerin und nur minimalen Defiziten, die meine Neugier auf seine Vorgänger geweckt hat. Sie spricht aufgrund der Dialoglastigkeit und Aktionsarmut vielleicht nicht die breite Masse an, beschert dem zugänglichen Zuschauer aber in jedem Fall 109 amüsante und vielschichtige Minuten. Prädikat: Sehenswert!

USA 2013 - 109 Minuten Regie: Richard Linklater mit:  Julie Delpy, Ethan Hawke, Seamus Davey-Fitzpatrick, Panos Koronis Genre: Tragikomödie
USA 2013 – 109 Minuten
Regie: Richard Linklater
mit: Julie Delpy, Ethan Hawke, Seamus Davey-Fitzpatrick, Panos Koronis
Genre: Tragikomödie
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