Heartstopper

Heartstopper Netflix
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Charlie (Joe Locke) mag zwar nur ein Jugendlicher sein und noch nicht so recht wissen, was er in Zukunft mit sich anfangen soll. Eines weiß er aber sehr genau: Er steht auf Jungs. Nur das mit der Gegenseitigkeit klappt noch nicht so recht. So steht seine erste Beziehung mit Ben (Sebastian Croft) bereits vor dem Aus. Dafür hat es ihm der Rugby-Spieler Nick (Kit Connor) angetan, neben dem er im neuen Schuljahr sitzt. Der ist echt nett und süß, lädt Charlie sogar dazu ein, sich dem Team anzuschließen. Aber ist da nicht vielleicht doch mehr drin? Charlies bester Freund Tao (William Gao) sowie Elle (Yasmin Finney), die sich kürzlich als transgender geoutet hat, haben in der Hinsicht zwar nur geringe Hoffnung. Aber sie halten zusammen, selbst als die Geschichte anfängt, richtig kompliziert zu werden…

Des einen Freud ist des anderen Leid. Und umgekehrt gilt das natürlich auch: Dramen, in denen die Hauptfiguren sich mit irgendwelchen Schwierigkeiten herumplagen müssen auf dem Weg zum Glück, erfreuen sich immer wieder großer Beliebtheit. Gerade bei Jugendgeschichten wird ganz gern die problematische Seite des Lebens thematisiert und auf diese Weise Identifikationsfläche fürs Publikum geschaffen. Dieses darf mitleiden, mitfiebern – und sich darüber freuen, dass es auch andere gibt, die nichts auf die Reihe bekommen. Das funktioniert, ist bewährt, erfordert aber schon ein gewisses Fingerspitzengefühl. Wenn nicht wird es schnell lächerlich oder anstrengend, wie die vielen Netflix-Serien beweisen, die alle nach demselben Schema gestrickt sind und plump Krisen heraufbeschwören. Hauptsache dick auftragen, so das Motto.

Heartstopper, Heartstopper - Staffel 1 mit Kit Connor und Joe Locke
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Dass dies deutlich besser geht, zeigt Heartstopper. Tatsächlich erinnert einen die Serie daran, wie gut solche Geschichten sein können, wenn sie in den richtigen Händen sind. Die von Alice Oseman sind es: Die Autorin, die hier ihre eigenen Graphic Novels zu einer Live-Action-Serie umkonzeptionierte, begegnet ihren jungen Protagonisten und Protagonistinnen mit viel Verständnis und Sympathie. Sie verzichtet dabei auf die an den Haaren herbeigezogenen Quasi-Weltuntergangsdramen, die in Jugendserien oft bemüht werden. Natürlich ist die Zusammensetzung der Figuren nicht ganz alltäglich: Neben den schwulen Jungs gibt es eine Transsexuelle, auch im Hinblick auf die Ethnien zeigte man sich betont divers. Diese ungewöhnlichere Truppe macht dafür umso gewöhnlichere Erfahrungen, wenn der Weg ins Erwachsenenleben mit zahlreichen Stolpersteinen übersät wurde.

Das wird nicht allen gefallen: Wer sich Jugenddramen gerade wegen der aufbrausenden Tragödien anschaut, welche die Außenwelt komplett verschwinden lassen, dem wird das hier zu wenig sein. Dann und wann wird zwar etwas zugespitzt, gerade beim wiederkehrenden Thema Mobbing, mit dem sich Charlie herumplagen muss. Da wird es schon mal ein wenig ruppiger, sei es verbal oder in körperlicher Hinsicht. Viel mehr geht es in Heartstopper aber um die Frage, wer man ist, wer man sein will und wie man sich mit den komplizierten Gefühlen arrangieren soll. Von Letzteren gibt es einige. Nicht nur dass Nick erst nach und nach seine homosexuellen Neigen erkennen und anerkennen muss. Auch im Freundeskreis kommt es zu Verwerfungen, wenn sich alle weiterentwickeln und es damit notgedrungen zu Entfremdungen kommt.

Heartstopper, Heartstopper - Staffel 1 mit William Gao und Yasmin Finney
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Das geht dann alles nicht so wahnsinnig in die Tiefe. Dafür bieten die acht Folgen à 25 Minuten gar nicht den nötigen Raum. Darunter haben gerade einige der Nebenfiguren zu leiden wie etwa der von Cormac Hyde-Corrin gespielte Bully Harry, der gerade mal ein paar Stereotype zur Charakterisierung abbekommen hat. Das macht die Serie aber durch umso mehr Charme wieder wett. Das sympathische Ensemble, die umständlich-liebenswürdigen Figuren, dazu noch ein paar visuelle Spielereien wie umherflatternde Schmetterlinge, die Regisseur Euros Lyn (Dream Horse) eingebaut hat: Zusammen mit der angenehmen musikalischen Untermalung ist schon einiges, wofür man Heartstopper mögen darf. Die Geschichte um ein schwules (Nicht-)Paar bietet einiges, um nach einem harten Tag wieder ein bisschen zu lächeln, ohne sich in kitschige Wohlfühlbeschwichtigungen zu stürzen.

Das diese Mischung den Zuschauern gefällt, beweist der imdb-Score von 8,9/10. Das mag vielleicht etwas zu hoch anmuten, zeigt aber auch den Bedarf an mehr Diversität und Interesse an homosexuellen Themen ohne große Weltuntergangsszenarien. Der sympathische agierende Cast, die allesamt reale Menschen spielen und Ecken und Kanten bekommen haben, und der Überraschungsauftritt einer frisch gebackenen Oscarpreisträgerin, der lange Zeit Geheim gehalten wurde und ich hier oder in der Besetzungsliste bewusst nicht nennen werde, dürfte für die hohen Wertungen verantwortlich sein. Wirklich eine sehr charmante Coming-of-Age-Geschichte, die auch zur Abwechslung mal mit echten Teenagern besetzt wurde. Macht Lust auf eine zweite Staffel, die angesichts der herausragenden Klickzahlen reine Formsache sein dürfte!

Folgen-/Wertungsübersicht:

  1. Treffen (7,5/10)
  2. Verknallt  (8,0/10)
  3. Kuss (9,0/10)
  4. Geheimnis (8,0/10)
  5. Freund (8,5/10)
  6. Mädchen (8,0/10)
  7. Bully (8,0/10)
  8. Boyfriend (8,5/10)

Gesamt: 8,2/10

UK 2022 – 8×25 Minuten
Regie: Alice Oseman
Genre: Drama / Coming-of-Age
Darsteller: Joe Locke, Kit Connor, Yasmin Finney, William Gao, Cormac Hyde-Corrin, Tobie Donovan, Rhea Norwood, Sebastian Croft, uva.
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