„Inside Wikileaks – Die Fünfte Gewalt“ ist ein Film über die Menschen hinter der Whistleblower-Plattform, welche die Presse als vierte Gewalt ablösen wollen. Erzählt wird die Geschichte vom ersten veröffentlichten Leak 2007 bis zur Abschaltung der zentralen Software im Jahre 2010, dank deren die anonymen Whistleblower anonym bleiben konnten. Der Film basiert dabei aus drei Vierteln auf dem gleichnamigen Buch von Daniel Domscheit-Berg, ein Viertel ist aus einem Buch der „Guardian“-Journalisten David Leigh und Luke Harding übernommen. Dazu gibt es ein paar hollywoodtypische Zutaten, wie etwa eine erfundene Liebesgeschichte, womit klar sein dürfte, dass dieser Film unmöglich den Segen von Julian Assange haben kann: Der Gründer von Wikileaks hält die Journalisten des „Guardian“ für wortbrüchige Dummschwätzer und Daniel Domscheit-Berg für einen Verräter.Wer die Geschichte von Wikileaks nicht kennt, wird Mühe haben im Trubel der Leaks die Übersicht zu behalten bzw. sich an den herausragenden Benedict Cumberbatch halten und später dennoch recherchieren müssen. Gleich der erste Auftritt im Film zeigt Cumberbatch als einen Assange, der die wenigen Zuhörer auf dem Chaos Computer Congress 2007 durch seine Aussagen hypnotisiert: „Wenn zwei Menschen ein Geheimnis haben, ist dies der Anfang jeder Korruption. Doch es braucht nur einen einzigen moralischen Menschen, den Schleier zu zerreißen.“ Dabei ist Assange selbst kein sonderlich moralischer Mensch, wie Daniel Berg, gespielt von Daniel Brühl, der dieses Jahr mit Rush als ernstzunehmender Kandidat für eine Oscarnominierung gilt, schnell herausfindet. Assange hat ihn belogen, was die Größe von Wikileaks anbelangt. All die Jims und Johns, mit denen er elektronischen Kontakt hatte, waren Impersonationen von Assange. Später wird „Daniel Schmitt“ es genauso halten und Journalisten vorgaukeln, das Wikileaks eine große Truppe sei.
In „Inside Wikileaks“ bildet das Zusammenarbeit von Wikileaks mit dem „Guardian“, dem „Spiegel“ und der „New York Times“ den dramaturgischen Höhepunkt. Nach der Veröffentlichung des Irak-Videos „Collateral Murder“ und amerikanischer Kriegstagebücher aus dem Irak und Afghanistan wollen die Zeitungen die von Wikileaks angebotenen Telegrammen nur überarbeitet veröffentlichen, um keine Informanten in Gefahr zu bringen. Julian Assange besteht darauf, alles ungekürzt zu präsentieren, damit das ganze Ausmaß an Korruption all der Regierungen erfahrbar werde, die mit den Amerikanern unter einer Decke steckten. Das geschieht, und die Redakteure sind entsetzt. Die Aktion veranlasst wiederum den von Assange „suspendierten“ Daniel, seinem Freund Markus (Moritz Bleibtreu) den Befehl zu geben, die von Markus programmierte Software-Plattform abzuschalten. Für Whistleblower ist Wikileaks damit nicht mehr erreichbar.
Welche Bedeutung eine solche Software für die Sicherheit und die Anonymität hat, kann ein Film nur schwer vermitteln. Bis heute hat Wikileaks keine Mittel gefunden, eine sichere Plattform für Whistleblower anzubieten. Auch das OpenLeaks-Projekt von Daniel Domscheit-Berg liegt brach. Für amerikanische Zeitschriften hat die Freedom of the Press Foundation die Software Strongbox entwickelt und von Experten begutachten lassen. Sie bescheinigten dem Projekt zwar einen guten Ansatz, aber warnten davor, dass System in undemokratischen Staaten einzusetzen. Gegen einen Staat, der seine Bürger umfassend ausspioniert, hätten Whistleblower keine Chancen, wenn sie nicht selbst Experten für sichere Kommunikation und Verschlüsselung sind. Angesichts der Veröffentlichungen zum Treiben der NSA muss einem das zu denken geben.
„Inside Wikileaks“ hat eine interessante Grundthematik, doch der Film schafft es nur in Ansätzen diese zu verdeutlichen und krankt an einer guten Dramaturgie und den schablonenhaften Charaktären. Assanges Arroganz übertrifft die von Zuckerberg im brillianten „The Social Network“ noch um ein vielfaches, ist als Charakter aber zu ambivalent und negativ besetzt um beim Zuschauer Sympathien zu wecken. Cumberbatch liefert zwar eine hervorragende Leistung ab, rettet den Film aber leider nicht von der Mittelmäßgkeit. Vielleicht hätte man die Geschichte mit etwas mehr Abstand und Feinschliff erzählen sollen, dann hätte durchaus ein Meisterwerk entstehen können, wie die anfänglichen ersten 20 Minuten des Films vermuten ließen.