Jahre vor den Ereignissen der Herr der Ringe-Trilogie bricht der junge Hobbit Bilbo Beutlin zusammen mit dem Magier Gandalf dem Grauen und zwölf wackeren Zwergenkriegern auf, die ehemalige Heimat der Zwerge, das Land um den Einsamen Berg, von einem grausamen Drachen zu befreien und trifft dabei unter anderem auf Gollum und den Einen Ring…
Jeder Leser des Hobbits weiß, dass der Stoff es kaum mit der atemberaubenden Trilogie „Der Herr der Ringe“ aufnehmen kann. Es ist eine kleine, auf Kinder zugeschnittene Abenteuergeschichte, kein Vergleich zum Umfang, zu den Bedrohungen und emotionalen Charaktermomenten des späteren Werks. Dem Macher der mit 17 Oscars (!) ausgezeichneten Filmreihe stand trotz des unglaublichen Erfolges also ein Heer aus Zweiflern gegenüber, die es wieder zu gewinnen galt – und das hat er. Der Hobbit – Eine unerwartete Reise ist ein bemerkenswerter Fantasyfilm geworden, eine fantastische Einleitung der Ringsaga und einer der besten Unterhaltungsfilme der Dekade.
Erneut hat Peter Jackson Mittelerde als glaubhafte, äußerst lebendige Welt erschaffen, in denen Ausstattung, Kostüme, Sets, Filmscore, Effekte, Rollenbesetzung – alles wie zuvor mit größter Liebe zum Detail inszeniert wurde und der gesamte Respekt der Reihe mit Stolz getragen und mit größten Mühen zu behalten versucht – demnach kann keineswegs von einem, von mir befürchtete, hastige Versuch die Kasse wiederholt klingeln zu lassen, gesprochen werden. Einige bekannte alte Gesichter und Wesen kehren zurück und ihr Wiedersehen sind stets mit neuen Szenen gespickt. Wer meint, das auf Gollums Treffen mit Bilbo verzichtet wird, weil man dies im „Herr der Ringe“ schon mal in Kurzform gesehen hat, der irrt. Doch auch sämtliche neuen Figuren, darunter die 12 Zwerge, ein garstiger Orkanführer und drei Bergtrolle, sowie diverse Fantasyelemente wie sich prügelnde Berge reihen sich brauchbar neu mit ein. Zwar gibt es (noch) keine Massenschlachten ala Helm’s Klamm, doch Jackson scheut nicht davor, dennoch spektakuläre Actionszenen aus dem Ärmel zu schütteln – eine gesamte Sequenz im Goblinbau dürfte zu den Highlights des Jahres gehören. Wer schätzt, dass der Hobbit, Teil 1 aufgrund der Vorlage kindischer ausfalle – weit gefehlt, auch wenn die Bedrohung im Hobbit nicht größer werden konnte, gar durfte, als die in der späteren Geschichte. Das heißt gewiss aber nicht, dass es keine emotionalen oder spannenden Momente gäbe, es sie in den nächsten beiden Teilen nicht sogar im gleichen Maß geben wird, aber die unerwartete Reise verhält sich bewusst als Einstiegsgeschichte. Als eine, die erst einmal klein und recht unschuldig beginnt, um dann immer mehr aufzufahren. Obwohl es weniger erwachsene Motive gibt, sei es Faramirs kompliziertes Vaterverhältnis, Eowyns Rolle als zerrissene Frau, die zarte Romantik zwischen Aragorn und Arwen und eher unterhaltsame, spaßige, aber auch relativ einsilbige Charaktere dominieren, ist „Der Hobbit“ dabei glücklicherweise nicht völlig auf plumpe Unterhaltung zugeschnitten und hat mit Thorin Eichenschilds Erbgeschichte, einem sich dezent erhebenden neuen Bösen und Bilbos Wahl, doch noch Held zu werden interessante Ansätze – die womöglich noch rückblickend aus den nächsten beiden Kapiteln stärker erscheinen werden.
Abschließend sei betont, dass Peter Jacksons Rückkehr nach Mittelerde fast auf der ganzen Linie überzeugt und formal die Perfektion und epische Breite der alten Trilogie erreicht und der Ausbau einzelner Handlungsstränge äußerst geglückt ist. In den technischen Kategorien sollte „Der Hobbit“ bei der kommenden Oscarverleihung definitiv als Favorit gelten. Persönlich würde ich mich auch über Nominierungen in den Hauptkategorien freuen. Persönlich hat mir die 3D-Version (vorzugsweise IMAX 3D) auflösungstechnisch besser gefallen, als die Version mit der erhöhten Bildrate (Higher Frame Rate, kurz HFR), sprich 48, statt 24 Bildern pro Sekunde, da der deutliche Realismus durch dieses Format in meinen Augen eher das Gegenteil ausgelöst hat und ich mir vorkam wie in einer Computerversion vom „Hobbit“, aber das dürfte Geschmackssache sein.
USA/Neuseeland – 2012 – 2 Std. 50 Min.
Regie: Peter Jackson
mit Martin Freeman, Ian McKellen und Richard Armitage
Genre: Fantasy, Abenteuer