Who Killed Marilyn? (OT: Poupoupidou)

I Put a Spell on You…

Was kommt dabei heraus, wenn man Twin Peaks, Die schwarze Dahlie und das Leben von Marilyn Monroe nimmt, in einen Mixer wirft und diese Mischung über das kleine Dorf Mouthe im französischen Jura auskippt? Ganz einfach: Who Killed Marilyn?. Oder wie er im Original sehr viel passender heißt: Poupoupidou.

Zuerst muss ich anmerken, dass der deutsche Titel Who Killed Marilyn? etwas unglücklich gewählt wurde: Denn die Frage, wer die Dorf-Schönheit Candice Lecoeur (Sophie Quinton) – die auch als Wetterfee arbeitete und Werbung für Käse machte – umbrachte, ist absolut nebensächlich. Da finde ich den französischen Titel sehr viel aussagekräftiger: Denn am Anfang wusste ich nichts mit ihm anzufangen. Poupoupidou? Irgendein französisches Wort, das du nichts kennst? Nach den 92 Minuten möchte man sich am liebsten direkt gegen die Stirn schlagen, dass man nicht erkannt hat, worauf der Titel anspielt. So viel sei gesagt: Es hat natürlich etwas mit Marilyn Monroe zu tun und sagt gleichzeitig verdammt viel (oder fast alles) über den Film aus.

Der Film beginnt dabei fast schon typisch französisch: Der erfolgreiche Autor von Kriminal-Geschichten David Rousseau (Jean-Paul Rouve) reist von Paris aus in seine alte Heimat Mouthe um ein Erbe anzutreten. Er hoffe auf Geld und bekommt schlußendlich nur den verstorbenen Familenhund, der rasch entsorgt wird. Auf der Rückfahrt wird er zufällig Zeuge, wie die Leiche der örtlichen Dorfschönheit Candice Lecoeur (Sophie Quinton) geborgen wird und wittert sofort Stoff für einen neuen Roman: Die Geschichte der typischen Dorfschönheit die sich für Marilyn Monroe gehalten und dann Selbstmord begangen hat. Doch je weiter sich Rousseau in den Fall einarbeitet, desto verworrener wird alles und auch Candice scheint selbst im Tod noch allen den Kopf zu verdrehen…

Die Parallelen zum Leben von Marilyn Monroe sind natürlich nicht von der Hand zu weisen: Das beginnt mit der Entdeckung der damals braunhaarigen Candice – die zu der Zeit an der Tankstelle arbeitete – durch einen Fotografen. Darauf folgen blonde Haare und Jobs in der höheren Unterhaltungsindustrie: Im kleinen Dorf Mouthe wäre das die Arbeit als Wetterfee beim örtlichen TV-Sender und eine sehr erotische Werbung für Käse. Natürlich gibt es auch hier einen Mr. President, den sie ein Ständchen singt; nur ist JFB (Jean-François Burdeau) der Präsident des Département. Aber auch – oder vor allem – die Schattenseiten haben die beiden Frauen gemeinsam: Wie aus Norma Jeane Baker, wurde auch aus Candice Lecoeur fast über Nacht aus der braunhaarigen Maus eine blonde Sexbombe gemacht, obwohl sie tief in ihrem Inneren eben diese kleine Maus geblieben ist die einfach nur auf der Suche nach Geborgenheit war und scharmlos ausgenutzt und verheitzt wurde. Man kann also schon behaupten, dass ein Teil des Filmes die Lebensgeschichte von Marilyn Monroe wiederspiegelt.

Der andere Teil – die Rahmenhandlung – ist eine Art französische Version von Twin Peaks aus der Feder von James Ellroy: Der Autor David Rousseau trifft auf eine ganze Reihe wunderliche Figuren, versucht auf die Lösung des Rätsels zu kommen und verfängt sich immer tiefer in diese französische Dorfposse. Zuweilen erinnerte es mich auch an den grandiosen Fargo, wie Rousseau durch die weißen Landschaften des Französischen Jura stapft. Hauptdarsteller Jean-Paul Rouve gibt dabei einen wirkliche Glanzleistung ab, und verkörpert seine Figur zwar nicht besonders sympathisch (jetzt mal im Ernst: Die scharfe Rezeptionistin seines Hotels (Clara Ponsot) ist total geil auf ihn und er merkt es nicht in seiner Deppertheit), aber mit soviel Facettenreichtum, dass man mit dem kauzigen Typen doch igendwie mitfiebert.

Das wahre Goldstück in diesem Film ist aber die zauberhafte Sophie Quinton. In jeder ihrer Szene hängt man förmlich an ihren Lippen, ihren Augen, ihren Haaren und ihrem Lächeln. Wenn sie mit großer Bitterkeit aus dem Off das Geschehen auf der Leinwand kommentiert, hört man ihr gebannt zu. Während einer Szene im Leichenschauhaus bezeichnet Candice David als der vielleicht einzige Mann der sie wie eine Frau behandelt und nicht wie ein Lustobjekt; in diesem Moment bricht sie einem richtiggehend das Herz. Wenn es jemand fertig kriegt, sogar als Leiche im Schnee noch eine Würde und Ausstrahlung an den Tag zu legen, womit selbst so manche lebende Frau Probleme hat, dann verfällt man dieser Person mit Haut und Haaren. Jede Szene, in der Quinton auftritt wird erhellt durch ihre Präsenz und ihr Lächeln bringt sogar den tiefe Schnee der Gegend zum schmelzen. Magnifique, Mademoiselle Quinton!

Ebenfalls lobend erwähnen möchte ich die exzellente Kamerarbeit von Pierre Cottereau und die Musik von Pascal Mayer. Im Zusammenspiel mit der Regie von Gérald Hustache-Mathieu und dem Schauspiel von Rouve und Quinton vereinigt sich alles zu einer Perle des französischen Kriminalfilms. David Lynch, Joel und Ethan Coen oder Brian De Palma hätten es nicht besser machen können!


Frankreich – 2011 – 1 Std. 42 Min.
Regie: Gérald Hustache-Mathieu
mit Jean-Paul Rouve, Sophie Quinton, Guillaume Gouix
Genre: Krimi

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