Immer dann, wenn es in unserer Gesellschaft besonders männlich zugeht, wird eine Sache schwierig: Homosexualität. Fußball ist dafür wohl das prominenteste Beispiel, aber auch im Polizeimilieu zeigt sich welche Schwierigkeiten es mit sich bringen kann, wenn man die „falschen“ Gefühle entwickelt.
Marc hat auf einem Lehrgang Kay kennengelernt. Nicht dass die beiden viel miteinander gesprochen hätten, aber doch ist eine gewisse Anziehung nicht wegzudiskutieren und so kommt es beim Gemeinsamen Joggen zu ersten, noch recht ruppigen Zärtlichkeiten, bei denen Kay die Rolle des Verführers zukommt und die treibende Kraft der Beiden ist. Marc will sich weder eingestehen, dass er diesen Typen wiedersehen möchte, noch will er sich Gedanken darüber machen, ob er schwul sein könnte, denn immerhin wird er Vater. Zusammen mit seiner Freundin Bettina ging er aus Vernunftgründen den Weg des geringsten Widerstandes und zog in eine Doppelhaushälfte von Marcs Eltern. Als sie merkt, dass ihr Freund sich von ihr entfernt und sie keine Ahnung hat, warum, geht auch ihr an die Substanz, weil sie nicht an ihn rankommt.
Die Figurenkonstellation erinnert stark an Brokeback Mountain, ebenso das Setting, nur dass anstelle von Cowboys das Polizeimilieu im Fokus steht. Die Schwangerschaft/Vaterschaft hätte meines erachtens auch getrost weggelassen werden können, der Konfliktstoff hätte auch so gereicht und man hätte stattdessen die Institution Polizei noch kritischer durchleuchten können. Wobei man dem Film zugute halten muss, dass dies in Ansätzen durchaus gelungen ist.
Wie seine recht schweigsamen, zerrissenen Hauptfiguren will auch der Film nichts ausdiskutieren und so steht Hanno Koffler (Marc) vor der schweren Aufgabe, sich nicht in Monologen zu ergehen, sondern muss auf viele Dialoge verzichten und dennoch seine Zerrissenheit sichtbar machen. Das gelingt im Verlauf der Geschichte immer besser. Zusammen mit dem stets hervorragend agierenden Max Riemelt (Die Welle, Im Angesicht des Verbrechens, Napola) als Kay entwickelt der solide inszenierte und teils doch recht spröde geschriebene Film dann doch eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. Gerade in den Szenen in denen die Hauptfiguren sich im namengebenden FREIER FALL befinden, hat der Film seine Stärken und zieht die Zuschauer emotional auf eine Talfahrt, dessen Ausgang vorgezeichnet war.
Fazit:
FREIER FALL ist bei weitem nicht so stark wie das Vorbild Brokeback Mountain, doch für ein deutsches Erstlingswerk hat der Film eine recht erstaunliche Nachwirkung, sofern man sich emotional darauf einlässt. Darstellerisch verblassen die Nebenfiguren, insbesondere Katharina Schüttler leider etwas. Auch wenn diese zum Ende hin einen sehr gut gespielten Zusammenbruch mit Hanno Koffler in der Dusche hat, agiert sie mir persönlich sonst viel zu monoton und hat ihre Stärken eher im Transport von inneren Gefühlen anhand von Gestik und Mimik, anstelle mithilfe des gesprochenen Wortes. Ganz im Gegensatz dazu das Hauptdarstellerpaar, die wirklich alle Register ziehen und sowohl vor Nacktszenen nicht zurück schrecken als sich auch intensiv mit Zunge zu küssen, welches dem Werk eine erhöhte Authentizität verschafft. Das Potential welches so die Thematik Homosexualität im Polizeidienst bzw. „verbotene“ Gefühle in der heutigen Gesellschaft mit sich bringt ist derweil gut, wenn auch nicht hervorragend, umgesetzt worden. Hier hätte man noch mehr in die Tiefe arbeiten können und auch den Randfiguren mehr Profil verleihen können. Ansonsten ein guter Film, den man durchaus empfehlen kann.