GroßStadtKlein

GroßStadtKlein

Wir brauchen für eine mitreißende Geschichte, einen interessanten mit Stärken und (möglichst vielen) Schwächen besetzten Protagonisten, der ein für ihn schwer zu erreichendes Ziel unbedingt erreichen möchte und es auf dem Weg dorthin große Hindernisse, zahlreiche Konflikte und schwierige Entscheidungen gibt. Das steht in wirklich jedem Lehrstoff für Drehbuchautoren. Warum diese Formel unumgänglich ist, kann man ganz deutlich und exemplarisch an der deutschen Produktion „GrossStadtKlein“ sehen, die diesem Prinzip trotzen und deshalb auf fast sämtlicher Linie scheitern.

Unser Held Ole (Jakob Matschenz) lebt in einem kleinem Dorf, dessen Name nichts zu Sache beiträgt, und ist glücklich. Man erfährt nicht, was er sonst so macht, außer mit seinem Moped und seinen beiden Kumpels durch die Wälder an der Ostsee zu düsen. Er versteht sich prächtig mit seinen Eltern und den Großeltern, mit denen er auch zusammen wohnt. Der Dorfjunge will das Dorf nicht verlassen. Er will nicht in die Großstadt, keine Frau fürs Leben finden und im Grunde nicht erwachsen werden.

Natürlich muss er dann doch in die „gefährliche“ Großstadt. Es ist Berlin, könnte aber genauso gut jede andere Großstadt oder größere Stadt sein. Dort hat er ein von seinem todkranken Großvater organisiertes Praktikum bei einem Kalenderverlag bekommen. Seine Skizzen, Zeichnungen von rammelnden Wildtieren (!), die in einem Kalender erscheinen sollen, werden wohlwollend von dem Chef und seinem schwulen Sohn (in der für eine Großstadt unangenehmen, sowie überholten verklemmten bürgerlich-konservativen Variante) akzeptiert.

Ole wird von seinem Cousin Rokko (Klaas Heufer-Umlauf), bei dem er übernachten soll und den er seit Kindesbeinen nicht mehr gesehen hat, aufgenommen. Dabei soll Rokko eigentlich ziemlich böse sein; vor allem weil ihre Väter seit Ewigkeiten miteinander zerstritten sind und das dann natürlich auch für deren Kinder gelten muss. Aber er ist ziemlich nett, lässig und hat immer ein Lächeln im Gesicht. Nett und auch sehr unverklemmt ist Fritzi (Jytte-Merle Böhrnsen), die sich ohne Scham vor Ole anzieht. Für Rokko ist sie mehr die kleine Schwester und, weil er sie kennt, empfiehlt er Ole, sich nicht mit ihr einzulassen, aber selbstverständlich verliebt sich dieser sofort in sie. Fritzi, ganz das schamlose Stadtluder, will ihn gleich am ersten Abend in einem von ihr aufgebrochenem Auto vögeln, doch dazu kommt es zu dem Zeitpunkt dann doch noch nicht. Zeit etwas Tiefgang in die Figuren zu bringen, damit der Zuschauer sich wenigstens ein bisschen wünscht, dass Ole das verkorkste Stadtmädchen doch noch bekommt und sie dazu ermutigt sich der Liebe zu öffnen.

Zwischenzeitig stirbt Oles Opa und Fritzi, Rokko und sein Vater machen sich auf den Weg zur Trauerfeier – und wir erfahren mehr von dem so komplizierten Familienstreit, als wir jemals erfahren wollten. Letztendlich geht es einfach um zwei Dickköpfe, die wegen einer Frau seit 25 Jahren nicht miteinander reden wollen.

„GroßStadtKlein“ spielt, wie so viele deutsche Filme, in einer künstlichen Patchwork-Welt, in der nichts zusammenpasst, strotzt vor Stereotypen und Klischees (Die Jungs gehen zur Problembewältigung natürlich in einen Stripclub), vermeidet Konflikte und ertränkt alles in biederer Harmonie. Das ist einfach langweilig und, wenn man überlegt, was man mit einem besseren Drehbuch hätte machen könne, auch ärgerlich, denn an den sympathischen Darstellern liegt es nicht, dass „GroßStadtKlein“ einfach nicht zu fesseln weiß. Viele einzelne Szenen sind sogar recht gut umgesetzt und in sich stimmig, doch schaffen es nicht Mal den Film ins Mittelmaß zu heben. Einzig Tobias Moretti (Bekannt aus Kommissar Rex) liefert eine unsympatisch-charismatische Vorstellung ab und lotet die (Un)Tiefen seines Charakters aus.

Wertung40

Deutschland – 2013 – 1 Std. 38 Min.
Regie: Tobias Wiemann
mit: Jacob Matschenz, Jytte-Merle Böhrnsen, Klaas Heufer-Umlauf, Kostja Ullmann, Pit Bukowski, Tobias Moretti & Ulrike Krumbiegel
Genre: Komödie

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