Mr. Morgan’s Last Love

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Nachdem ich den letztwöchigen Arthaus-Film „Gloria“ als große Enttäuschung empfunden habe, bereitet es mir umso mehr Freude, heute über einen Film schreiben zu können, der mir Lichtjahre besser gefallen hat. Und zwar geht es um das neueste Werk der deutschen Regisseurin Sandra Nettelbeck, welche unter anderem bereits vor über zehn Jahren für „Bella Martha“ verantwortlich war und viel Kritikerlob dafür einheimste. Da der wunderbare Michael Caine darin auch noch die männliche Hauptrolle spielt, musste ich über den Kinobesuch nicht lange nachdenken. Ich darf vorweg nehmen, dass es sich gelohnt hat und ich schon seit geraumer Zeit keine bessere Tragikomödie gesehen habe.

Kurz gefasst geht es in „Mr. Morgan’s Last Love“ darum, wie der längst emeritierte Philosophie-Professor Matthew Morgan (Michael Caine) nach dem schmerzlichen Tod seiner über alles geliebten Frau (Jane Alexander) sein Leben bestreitet und wegen des fehlenden Kontaktes zu seinen Kindern (Justin Kirk, Gillian Anderson) droht, zu vereinsamen. Obwohl er schon Ewigkeiten in Paris lebt, spricht er keinen einzigen Satz Französisch und wirkt ansonsten auch ungewöhnlich neurotisch. Eines belanglosen Tages lernt er durch Zufall die rund fünfzig Jahre jüngere Tanzlehrerin Pauline (Clémence Poésy) kennen und gewinnt durch ihre ungekünstelte, sympathische Art schnell neuen Lebensmut. Allerdings treten nach dem Besuch seiner Kinder die tiefen Zerwürfnisse innerhalb von der Familie zutage, welche durch die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Matthew und Pauline noch angeheizt werden.

Mein erster Gedanke war, dass „Mr. Morgan’s Last Love“ aufgrund seines Settings und seiner humanistischen Erzählhaltung auch von Woody Allen hätte stammen können. Ich sehe ihn jedenfalls als rundum gelungenes Beispiel für eine tiefgründige, bittersüße, ehrliche, aber zu keinem Zeitpunkt anstößige Tragikomödie, denn die Regisseurin hat die schwierige Aufgabe gemeistert, die Balance zwischen Rührseligkeit und Realismus zu halten und sich dennoch niemals in den oft typischen Sentimentalitäten oder Klischees zu verstricken. Der feine, intelligente und niveauvolle Humor, insbesondere die sich wiederholende Anspielung auf das französisch-amerikanische Verhältnis, war ganz nach meinem Geschmack. Der von Liebe beseelten Geschichte über die Wunden der Vergangenheit, Selbstmordgedanken, den allgemeinen Lebenssinn, Familienkonflikte und die Chance auf eine späte Versöhnung liegt ein ausgezeichnetes Drehbuch mit ausgezeichnete, charmanten und nachwirkenden Dialogen zugrunde. Die Thematik geht einem wirklich ans Herz, gerade weil sie für jeden eine gewisse Relevanz haben dürfte.

Hinzu kommen noch wunderbare Kameraeinstellungen, welche die französische Hauptstadt in verschiedenen Perspektiven porträtieren. Zudem sind auch die inhaltlichen Rückblenden gelungen und wirkten nicht deplatziert. Erstklassig ist ebenfalls die filmmusikalische Begleitung von Hans Zimmer. Mit seinem Score beweist er erneut, dass er auch in „leiseren“ Produktionen hervorragende (wenn nicht sogar noch bessere) Arbeit leistet. An den sanften Tönen konnte ich mich jedenfalls kaum satt hören, insbesondere dann nicht, wenn Norah Jones mit dem schönen Song „Not Too Late“ auch noch den Abspann musikalisch untermalte. Wenn ich überhaupt etwas in irgendeiner Form kritisieren kann, dann ist es allerhöchstens die eine Winzigkeit zu lange Laufzeit sowie die leichte Vorhersehbarkeit des Endes ab dem letzten Filmdrittel.

Maßgeblich entscheidend dafür, dass der Zuschauer von Nettelbecks Film mitunter binnen weniger Sekunden vom Lachen zum Weinen übergeht, ist das schauspielerische Ensemble, das keine Schwachstelle besitzt, was überaus selten ist. Ich schätze vor allem Michael Caine außerordentlich, auch wenn er in der vergangenen Dekade leider aufgrund der geringen Größe seiner Rollen kaum sein ganzes Können beweisen konnte. In „Mr. Morgan’s Last Love“ allerdings kann er es endlich einmal wieder! Caine agiert als Hauptdarsteller meisterhaft subtil sowie zutiefst berührend und schafft es, dass sich auch junge Menschen in ihn hineinversetzen können, und das, obwohl der von ihm gespielte Charakter offensichtlich einige Fehler gemacht hat und Schwächen besitzt. Er blieb sowohl als verzweifelter, lebensmüder Witwer als auch als scherzender, kauziger Herr glaubhaft und stellte dadurch erneut seine enorme Vielseitigkeit unter Beweis. Eine Oscarnominierung wäre in meinen Augen, sofern es wirklich nur nach Leistung geht, mehr als verdient! Doch auch Clémence Poésy, die ich nahezu nur aus den „Harry Potter“-Filmen kenne und von vielen bisher nur belächelt worden ist, machte ihre Sache erstaunlich gut und verkörperte ihre Rolle mit Charme, Facettenreichtum und einer erfrischenden Leichtigkeit. Hinzu kam noch ein lobenswerter Kurzauftritt von Gillian Anderson als egozentrische Tochter, bekannt aus „Akte X“ sowie der von Justin Kirk dargestellte Sohn, welcher besonders negative Emotionen überzeugend transportieren konnte.

Ich für meinen Teil war hochzufrieden und durchweg gefangen von dem vielleicht nicht massenkompatiblen, aber unglaublich herzerwärmenden Werk, das die ideale Mixtur aus tragischen und komödiantischen Elementen beinhaltete. Das Besondere ist auch, dass der Filmtitel mehrere Deutungen zulässt und somit in vielerlei Hinsicht ein Liebesfilm ist. Eine große Rolle wird der Film in der bevorstehenden Awardsaison wohl (leider!) nicht spielen, doch das Schöne daran ist, dass man ihm beinahe anmerkt, dass er das auch gar nicht krampfhaft möchte. Sehr sehenswert!

USA / BL / D / F 2013 – 115 Minuten Regie: Sandra Nettelbeck mit: Michael Caine, Clémence Poésy, Justin Kirk, Gillian Anderson Genre: Tragikomödie
USA / BL / D / F 2013 – 115 Minuten
Regie: Sandra Nettelbeck
mit: Michael Caine, Clémence Poésy, Justin Kirk, Gillian Anderson
Genre: Tragikomödie
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