„Carrie“ gehört zu meinen Lieblingsbüchern von Stephen King und auch Brian de Palmas erste Verfilmung aus dem Jahre 1976 mit Sissy Spacek, Piper Laurie und dem blutjungen John Travolta gehört für mich zu den besten Filmen seines Genres.
Dieser Tatsache und meiner doch eher skeptischen Haltung der Notwendigkeit von Remakes großartiger Filme geschuldet, waren meine Gefühle bei der Bekanntgabe einer neuerlichen Adaption des Stoffs auch zuerst zwiespältig. Doch die Kombination aus Regisseurin Kimberly Peirce, Chloë Moretz und Julianne Moore (die ich beide sehr schätze) in den Hauptrollen, die Ankündigung, dass der Film noch näher an der Romanvorlage sein soll, sowie die ersten Trailer haben mich dann doch sehr positiv gestimmt. Und die Neuauflage hätte an sich auch das Potenzial gehabt der 76er-Version zumindest ebenbürtig zu sein. Doch dies vermochte sie dann leider nicht ganz zu erfüllen.
Die 16-jährige Carrie White lebt im beschaulichen Örtchen Chamberlain, leidet schwer unter der Fuchtel ihrer wahnhaft religiösen Mutter Margaret und ist auch in der Schule eine klassische Außenseiterin. Als sie eines Tages nach dem Schulsport in der Dusche zum ersten Mal menstruiert ist sie verwirrt und geschockt, da sie von ihrer Mutter nie aufgeklärt wurde. Diese hält alles Körperliche für Sünde. Von ihren Schulkameradinnen verspottet und gedemütigt bemerkt Carrie auch zum ersten Mal ihre telekinetischen Fähigkeiten, mit denen sie Dinge bewegen kann und die sie, anfangs noch unbewusst, doch mit der Zeit immer gezielter, dann einsetzt, wenn sie sich bedroht fühlt. Sue, eines der Schulmädchen, bekommt aufgrund ihres Verhaltens in den nächsten Tagen Gewissensbisse und überredet daher ihren Freund Tommy mit Carrie statt ihr auf den bevorstehenden Abschlussball zu gehen, um Carrie etwas Gutes zu tun. Nach anfänglichem Zögern sagt Carrie zu. Doch Chris, eine weitere Mitschülerin, die Carries Panikattacke unter der Dusche sogar gefilmt und ins Netz gestellt hatte und daraufhin vom Ball ausgeschlossen wurde, sinnt auf Rache. Zusammen mit ihrem Freund Billy manipuliert sie die Wahlen zur Ballkönigin und besorgt sich einen Eimer Schweineblut, den sie an der Decke der Schulbühne befestigen, um ihn während der „Krönung“ auf Carrie regnen zu lassen. Der Plan geht auf, doch dann bricht sich Carries Wut ihren Weg und der Schulball endet in einem Blutbad. …
So gut de Palmas Film auch ist, weicht er doch an einigen Stellen von der Buchvorlage ab, und so war ich auf die angekündigte nähere Adaption gespannt. In Teilen ist es Pierce auch gelungen diese umzusetzen. So ist das komplette Setting des Films enger am Roman, auch wenn er natürlich in der heutigen Zeit und somit exakt 40 Jahre später angesiedelt ist. Dafür wird aber die unselige Bindung Margarets zu Carrie offenbart (inkl. deren erste Mordgedanken Carrie gegenüber, wobei diese im Buch nicht unmittelbar nach ihrer Geburt stattfinden), Carries Zerstörungsorgie wird detaillierter gezeigt (auch wenn diese origineller hätte umgesetzt werden können) und selbst Sues angedeutete Schwangerschaft wird erwähnt. All dies wusste neben den tollen Darstellern zu überzeugen. Zumindest die ersten 70 Min.
Bis dahin liegt der Fokus wie bei den Vorlagen noch verstärkt auf dem dramatischen Aspekt der Geschichte und Moretz weiß wie ihre Vorgängerin Spacek gerade in diesen Szenen zu überzeugen. Doch mit Beginn der Rachesequenzen legt sich gerade Moretz leider ein wenig zu viel ins Zeug. Schaffte es Spacek bei ihrer Figur nur durch Blicke Angst und Schrecken zu verbreiten, so gebahrt sich Moretz doch eher unfreiwillig komisch und wirkt bei ihrem Blutbad wie eine seltsame Mischung aus Hans Klok und Samara aus „The Ring“.
Äußerst schade, denn sie kann es eindeutig besser. Dies ist übrigens der einzige Punkt in dem mich meinem geschätzten Kollegen Patrick ernsthaft zustimmen kann. Obwohl auch mir die Zerstörung von Chamberlain ein wenig zu actionbetont inszeniert wurde (die „Tankstellenszene“ um Chris und Billie fand ich jedoch sehr gelungen). Was mich jedoch am meisten gestört hat, ist dass diese „Carrie“ weniger eine Neuverfilmung ist, die dem Roman noch neue Dinge entlocken kann, als eher ein Remake des Originalfilms und somit als eigenständiges Werk eigentlich kaum Berechtigung besitzt. Die Szenenabfolge ist wie im Originalfilm, obwohl Carrie im Buch zuerst Margaret umbringt, danach Chris und Billy und sich anschließend mit Sue sogar endgültig versöhnt. Einige Szenen wie die in denen Carrie von Margaret in die Abstellkammer gesteckt wird oder diese nach dem Mordversuch an Carrie von ihr umgebracht wird wurden sogar 1:1 übernommen (auch hier stoppt Carrie im Roman eigentlich Margarets Herz einfach durch Telekinese).
Beginnt der Film also noch sehr vielversprechend, so verkommt er im Laufe der Handlung doch eher zur reinen Zitatesammlung. War der 76er-Film also trotz diverser künstlerischer Freiheiten ein ultimatives Meisterwerk, dem ich ungeschränkt 9/10 Punkten gebe, so ist die 2013er-Variante leider nur eine Blaupause dessen, wenn auch gut gemacht. Dennoch hätte ihn die Filmwelt in der Art nicht unbedingt gebraucht.
USA – 2013 – 1 Std. 39 Min.
Regie: Kimberly Peirce
mit: Chloë Grace Moretz, Julianne Moore, Judy Greer, Portia Doubleday, Alex Russell, Gabriella Wilde, Ansel Elgort & Barry Shabaka Henley
Genre: Horror/Action/Drama