Philomena

„Philomena“, von Regisseur Stephan Frears in Szene gesetzt, beruht auf einer wahren Geschichte und dem daraus resultierenden Buch von Martin Sixpence: „The Lost Child of Philomena Lee.“

Philomena_1_2658148b

Die Ausgangssituation ist rasch erzählt: Philomena (dargestellt von Judi Dench) hat vor 50 Jahren im erzkatholischen Irland als Teenager einen unehelichen Sohn zur Welt gebracht. Von ihren Vater wird sie deswegen in ein Kloster gesteckt, wo sie Anthony zur Welt bringt und danach Zwangsarbeit leisten muss. Anthony wird zur Adoption freigegeben. Von wem er adoptiert wird, das erfährt Philomena auch nach intensiver Recherche nicht. Als sie ihrer erwachsenen Tochter schließlich davon erzählt, engagiert diese den gerade arbeitslos gewordenen ehemaligen BBC-Journalisten Martin Sixpence (Steve Coogan), um ihrer Mutter bei der Suche nach Anthony zu helfen. Dafür wird ihm versprochen, die Geschichte später veröffentlichen zu dürfen…

Das ist eine starke, berührende, eine mitreißende Geschichte, die für sich alleine schon gut zu verfilmen wäre. Doch der Komiker Steve Coogan spielt nicht nur die Hauptrolle neben Dench, er hat (gemeinsam mit Jeff Pope) auch das Drehbuch verfasst und er gibt dieser Geschichte einen zusätzlichen Spin. Er legt den Fokus nämlich auf das ungleichen Duo, das sich gemeinsam auf eine besondere Expedition wagt. Dench wurde hier – entgegen ihres sonstigen oft sehr strengen, aristokratischen Images – besetzt  und spielt die leutselige, kommunikative und sehr pragmatische Philomena so als hätte sie nie etwas anderes getan.

Martin dagegen ist ein hochintelligenter und eloquenter Journalist, aber auch Zyniker und Zweifler. Während Philomena es als Segen ansieht, dass Martin in ihr Leben getreten ist, ist er öfters genervt von ihrer patenten und hemdsärmeligen Art. Seiner Frau erzählt er etwa einmal bissig, dass er erstaunt sei, was der lebenslange Konsum von „Readers Digest“, der „Daily Mail“ und Liebensromanen anrichten kann. Doch so wie Philomena ihn bewundert, kann auch Martin sich nicht ganz dem Charme seines Gegenübers entziehen, die in ihm Saiten zum Klingen bringt, von denen er sich kaum erinnern kann, diese jemals gehabt zu haben.

„Philomena“ erzählt in prägnanten Rückblenden, das, was man über die Vergangenheit wissen muss, und bereitet dadurch den Boden für tiefgehende Empathie beim Zuseher, ohne dabei kitschig zu werden. Berührende Szenen wechseln sich mit sehr humorvollen ab – Coogans staubtrocken dargebrachter Wortwitz (ein Punkt, der für die Originalversion spricht) und das Timing der beiden Protagonisten ist sensationell. Mit Fortlaufen der Handlung lernen wir neue Seiten an ihnen kennen, und müssen vielleicht manches vorschnell getroffene Urteil anpassen. Philomena ist zwar immer noch (trotz allem!) sehr religiös, aber keineswegs konservativ oder gar sexualfeindlich. Martin ist zwar ziemlich mit sich selbst beschäftigt, kann aber auch starke Emotionen für sein Gegenüber entwickeln, wenn sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden verletzt wird.

 „Philomena“ ist nicht nur eine Mutter-Sohn Geschichte, und als solche gerade wenn man selbst Kinder hat sehr ans Herz gehend –  es ist, wenn man so will, auch eine Buddy-Komödie, ein skuriller Road-Movie und ein (Kriminal)fall, den es zu entschlüsseln gilt. Die letzte Lesart funktioniert dann am besten, wenn man möglichst wenig über das reale Vorbild weiß. In diesem Sinne: wenig recherchieren, dafür umso schneller ins Kino!


UK 2013 – 98 Minuten
Regie: Stephen Frears
mit Judi Dench, Steve Coogan, Michelle Fairley, Barbara Jefford, Mare Winningham, Peter Hermann, Sophie Kennedy Clarke
Genre: Drama

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Filme, Oscar Contender, Reviews. Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.