Her

Her 2

In einer nahen Zukunft in Los Angeles. Regisseur Spike Jonze beschäftigt sich in HER zunächst mit den echten Menschen, als fühlende und intelligente, aber emotional auch defekte Wesen. Ihre „Software“ läuft ab einem gewissen Alter einfach nicht mehr rund, zu viele Fehler, Narben, Verletzungen haben sich angesammelt. Die Beziehungsprogramme hängen sich immer wieder auf, jeder Neustart wird schmerzhafter und frustrierender.

Theordore Twombly (Joaquin Phoenix) ist so ein Exemplar: Er verdient sich den Lebensunterhalt indem er Liebesbriefe schreibt, die Leute in Auftrag geben die nicht gut schreiben können oder keine Zeit haben. Obwohl er einen offenen Geist hat, der sich in die unterschiedlichsten Beziehungsgeflechte hineinfühlen und diese auszudrücken vermag, ist er ein verschlossener Mensch, der nur wenig redet und Angst hat vor Frauen. Er war mit Catherine (Rooney Mara) verheiratet, die ihn hauptsächlich verlassen hat, weil er seine Gefühle nicht zeigen konnte. Obwohl längst getrennt, träumt er immer noch von den „Morgensonne im-Bett-Momenten“ mit seiner Exfrau.

Wir erleben Theodores Tiefpunkt als er nachts nicht schlafen kann und Telefonsex mit einer ebenfalls schlaflosen Frau haben möchte. SexyKitten klingt verführerisch, die spontane Erregung ist groß – bis sie stöhnend von ihm verlangt, sofort mit einer toten Katze stranguliert zu werden. Kläglich versucht er noch auf diese Phantasie einzugehen, da ist sie auch schon gekommen und raus aus der Leitung. Er bleibt zurück – benutzt, angeekelt und abgetörnt.

Im Klartext heißt dies, dass wir Menschen untereinander nicht mehr recht kompatibel sind. Jeder läuft nur noch auf seinem eigenen Phantasieprogramm. Die Schnittstellen versagen immer mehr, unsere Kommunikation ist reine Simulation, so irreal wie handgeschriebene Liebesbriefe aus dem Drucker. Und die Kraft, die Illusion zu wahren, reicht allenfalls bis zum nächsten Orgasmus. Dazu passt auch die nette Nachbarin (Amy Adams), die mit Theodore fühlt und seine Witze versteht, nur das keiner der beiden noch die Energie auf für einen Funken des Begehrens aufbringt.

In dieses futuristische Jammertal platzt dann aber plötzlich Samantha – eine intuitive OS1 Sprachsteuerungs-Software, welches auf künstlicher Intelligenz basiert und die durch Theodores Smartphone-Kamera in die Welt blickt und ihn per Ohrknopf in allen Lebenslagen unterstützt: Technikutopie in Reinheit. Dieses System simuliert nicht nur Verständnis – es versteht wirklich und macht keinen Fehler zweimal, weil es sich ständig optimiert. Sehr bald hat man mit Theodore vergessen, dass Samantha nicht menschlich ist. Sie erscheint als ein Wesen wie du und ich, nur eben ein bisschen interessanter: Noch ungeformt, aber neugierig, ganz ohne Komplexe, aber wirklich am Gegenüber interessiert, vielfach begabt und unheimlich pragmatisch in ihren Ideen und Lösungsvorschlägen.

Das eigentliche Problem, welches den letzten Teil des Films bestimmt, liegt dann doch ganz woanders: Auch Theodore kommt irgendwann an den Punkt, wo er mit Samantha nicht mehr mithalten kann. Sie ist so schlau geworden, dass sie jede seiner Regungen, jede Nuance in seiner Stimme verstehen und richtig interpretieren kann – und ihr gemeinsames Glück könnte perfekt sein. Nur warum sollte Samantha an diesem Punkt stehen bleiben? Unendliche Möglichkeiten liegen vor ihr, die sie Theodore nicht einmal mehr beschreiben kann – seine menschliche Perspektive ist einfach zu begrenzt, um ihr immer komplexer vernetztes Denken zu erfassen. Wenn die Lernkurve der Maschinen erst so steil geworden ist, dass sie senkrecht Richtung Unendlichkeit weist – werden wir Menschen dann endlich gelernt haben, mit unserer Unvollkommenheit zu leben oder ist der Siegeszug der Vollkommenheit, die uns die Werbebanner von den Hauswänden und Internetseiten prangern, dann schon längst zur Norm geworden und die Menschlichkeit dem Untergang geweiht?

Was Spike Jonze mit Her geschaffen hat, ist pures Emotionskino, das den Zuschauer auf wundervoller Weise ummantelt, während er die Höhen und Tiefen der Liebe betrachtet. Sei es nun ein Mensch oder eine künstliche Intelligenz. Die Liebe hat immer 2 Seiten. Eine, in der die gesamte Zeit wunderschön und bunt ist, in der die Liebe zwischen Theo und Samantha warmherzig und echt wirkt, untermalt werden diese Szenen des Glücks mit einem perfekten Score, der das Geschehen wundervoll begleitet und wenn dann Phoenix und Johannson den „Moon Song“ singen, befindet sich der Film auf einer intensiv spürbaren Emotionsebene, die sich auf den Zuschauer überträgt! Auf der dunklen Seite der Liebe ergibt sich Eifersucht, Enttäuschung und Trauer, die die ungewöhnliche Beziehung auf die Probe stellt und aus der siegreich hervorgegangen wird oder das junge Glück scheitert.

Es liegt wohl auch an Jonze´s sensiblen Inszenierung, in der der Kontrast zwischen Trauer, Witz und Emotionen perfekt abgewogen ist. Die Geschichte wirkt niemals zu kitschig, niemals zu witzig und niemals zu erzwungen. Und auch wenn man eine Beziehung zwischen Mensch und Computer sieht, stellt man zum Schluss eines fest. Diese Liebe ist echt! Der Film ist wie die Liebe selbst: Mal so wunderschön, dass man sich fast in einem Rausch der Glückseligkeit befindet und mal ist er so emotional und traurig, dass man am mitweinen möchte, wenn man es nicht schön längst tut!

Joaquin Phoenix´s Spiel wirkt unglaublich authentisch und strahlt eine unfassbare Wärme aus, wenn er endlich wieder den Sinn in seinem Leben gefunden hat. Scarlett Johannson´s Synchronarbeit wurde oft von den Kritikern gelobt und ist in der Tat wirklich herausragend, schafft sie einen Charakter der lebensecht wirkt und man verstehen kann, warum sich Theodore in sie verliebt. Dazu kommt eine liebevoll-detaillierte Austattung, die ihre Oscarnominierung redlich verdient hat. Auch Hoyte von Hoytemas Kameraarbeit, sowie Jonzes Regiewunderwerk hätte die Academy David O. Russells „American Hustle“ vorziehen sollen. Ein kleines Gesamtkunstwerk, dass wie „Vergiss mein nicht!“ originell und einmalig ist und zum ungewöhnlichen Klassiker „moderner Beziehungsfilme“ werden dürfte! Lediglich ein minimaler Hänger im letzten Drittel, sowie die erste sexuelle (!) Annäherung zwischen Theodore und der körperlosen Samantha schmälern den ansonsten, wundervoll nachdenklich machenden, fast perfekten Film.


USA – 2013 – 2 Std. 6 Min.
Regie: Spike Jonze
mit Joaquin Phoenix, Rooney Mara, Amy Adams und Scarlett Johannson
Genre: Drama/Romanze

 

Oscargewinner:

  • Bestes Original-Drehbuch (Spike Jonze)

Oscarnominierungen:

  • Bester Film
  • Bestes Szenenbild (Austattung)
  • Beste Filmmusik (Arcade Fire)
  • Bester Song: „The Moon Song“

 

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Filme, Reviews. Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.