Nick (Ben Affleck) und seine Frau Amy (Rosamund Pike) führen in einer kleinen Provinzstadt Missouris ein ruhiges Leben. Am Morgen des 5. Juli wollen die beiden ihren fünften Hochzeitstag begehen. Bevor jedoch das ehemalige Autoren-Ehepaar ihre jährlich veranstaltete Schatzsuche beginnt, gönnt sich Nick in seiner eigenen Bar noch einen Drink. Daraus lässt sich schon schließen, dass die Ehe zwischen den beiden nicht mehr das ist, was sie einmal war. Gequält fährt Nick zu seiner Frau nachhause, findet jedoch nur einen zerbrochenen Glastisch und weitere Anzeichen auf einen Kampf vor. Die Polizei geht von einem Gewaltverbrechen aus. Im Zentrum der Ermittlungen steht Nick selbst, der sich mit merkwürdigen Verhalten und einem Gestrüpp an Lügen zur Zielscheibe der Polizei macht.
Das neueste Werk von David Fincher ist gespickt voll mit äußerst klug angelegten Rückblenden. Von den Anfängen der Beziehung, der Entwicklung der Ehe bis hin zum Zerfall der trauten Zweisamkeit. Fincher kombiniert gekonnt die Vergangenheit mit der Gegenwart, ohne dabei den Überblick für das Wesentliche zu verlieren. Viel mehr erlaubt es einem, der Großzahl an Charakteren eine gewisse Tiefe zu verleihen, was wiederum, egal um welchen Haupt- oder Nebencharakter es sich dabei auch handelt, zu empathischen Zügen beim Kinobesucher führen kann. Fincher inszeniert dabei in gewohnt grandioser Manier und lässt keinerlei Zweifel an seinem Status als einer der besten Regisseure Hollywoods aufkommen.
Schauspielerisch ist es ein Zusammenfluss an großartigen Darstellungen. Hatte man bei der Besetzung von Ben Affleck oder Tyler Perry noch Bedenken, so müssen diese dezidiert vom Tisch geräumt werden. Beide liefern mit Abstand die besten Performances ihrer bisherigen Karriere ab. Speziell hervorheben muss man jedoch Rosamund Pike, die zwar schon mit Filmen wie „Barney’s Version“ Aufmerksamkeit erregt hat, sich jedoch durch die gebotene Leistung in „Gone Girl“ schlagartig in eine neue Liga katapuliert. Die Rolle der verschwundenen Ehefrau meistert sie nicht nur, sie lenkt in jeder einzelnen Szene die Aufmerksamkeit in Gänze auf sich und zieht mit ihrer Präsenz einen förmlich in den Bann. Mit Prognosen sollte man zwar generell immer vorsichtig sein, jedoch lehnt man sich hier nicht explizit weit aus dem Fenster, wenn man sagt, dass Rosamund Pike ihrer ersten Oscar-Nominierung geradewegs entgegensteuert.
Einzig bei Neil Patrick Harris fällt es schwer, seiner Rolle Glaubhaftigkeit abzugewinnen. Dies liegt jedoch nicht am Spiel von Harris, sondern viel mehr an der Rolle selbst. Diverse Gesichtszüge, Gestik und Wortwahl erinnern frappant an den Charakter „Barney Stinson“, womit man sich unfreiwillig einer gewissen Situationskomik konfrontiert sieht. Eine bedachtere Wahl als den „How I Met Your Mother“-Star, wäre wünschenswert gewesen.
Ein weiteres Erfolgsrezept der letzten Filme von David Fincher war die Wahl der musikalischen Untermalung. So unkonventionell die Musik von Atticus Ross und Trent Reznor auch sein mag, so erstaunlich passend ist sie im Zusammenspiel mit den eingefangen Bildern. Emotionen werden dadurch nicht nur kreiert, sondern ganzen Handlungssträngen eine teilweise mystische Ummantelung verliehen. Seit „The Social Network“ arbeitet nun Fincher mit den beiden Ausnahmekünstlern zusammen – eine kongeniale Kombination, die hoffentlich auch in Zukunft bestehen bleibt.
„Gone Girl“ wirkt zwar wie ein Mystery-Thriller, entpuppt sich jedoch zu einem weit komplexeren Werk, mit Hang zur alltäglichen Dramatik. Mit Hilfe der „Gone Girl“ Bestseller- und gleichzeitigen Drehbuch-Autorin Gillian Flynn, hält Fincher öfters den Spiegel der Realität vor die Augen des Publikums und zeigt direkt mit dem Finger auf diverse – teils skurrile – Missstände der Gesellschaft. So ist es nicht nur ein fesselnder Film, sondern auch ein weiterer Blick hinter die dunkle Fassade des Menschen.
USA – 2014 – 2 Std. 29 Min. Regie: David Fincher mit Ben Affleck, Rosamunde Pike, Tyler Perry, Neil Patrick Harris, Carrie Coon, Kim Dickens Genre: Drama/Mystery/Thriller