Nach fast einem Jahr Pause möchte ich diese Reihe nun mit einem weiteren Highlight des anspruchsvollen Splatter-Trashs wiederbeleben. Der heutige Beitrag stammt dabei von unseren französischen Nachbarn, auch wenn die Geschichte von „Rubber“ in der kalifornischen Wüste angesiedelt und weitestgehend mit amerikanischen Darstellern bestückt ist.
Denn hinter diesem bizarren Genre-Meisterwerk steckt Regisseur und Autor Quentin Dupieux, der ferner auch in Personalunion für Schnitt, Kamera und unter seinem Künstlernamen Mr. Oizo („Flat Beat“, die Älteren werden sich erinnern!), zusammen mit seinem DJ-Freund Gaspard Augé für den Soundtrack verantwortlich zeichnet. Vergesst übrigens alles bisher gesehene, Killerschafe, Killertomaten; alles Kinderkram. Hier kommt der ultimative Killerreifen!
„Ladys, Gentlemen: Der Film, den sie gleich sehen werden, ist eine Hommage, an die reine Willkür.“ Mit diesen Worten richtet sich Lieutenant Chad (Stephen Spinella), nach einem genialen Intro, direkt an den geneigten Zuschauer. Und zwar die vor den Bildschirmen, denn Dupieux lässt die Handlung auch in einer Art Film im Film von Zuschauern vor Ort beobachten. Diese werden dabei von dem „Buchhalter“ (Jack Plotnick) auf einem Aussichtshügel in der kalifornischen Wüste mit Ferngläsern ausgestattet.
Dann beginnt die eigentliche Story. Irgendwo im Niemandsland erhebt sich ein alter, wild entsorgter Autoreifen. Zuerst ist er noch etwas wackelig unterwegs, fast wie ein Kleinkind, doch schon bald hat er den richtigen Dreh heraus und rollt unaufhörlich vor sich hin. Wirkt er hier noch ruhig, beinahe friedlich, offenbart er jedoch schnell seine sadistische Seite. Er liebt es nämlich alles, was ihm über den Weg kommt, platt zu rollen und was er so nicht klein bekommt, lässt er dank einer Art telekinetischen Fähigkeit wortwörtlich explodieren. Irgendwann erreicht er eine Straße und wird dabei von einem Transporter angefahren. An der nächsten Tankstelle rächt er sich, indem er den Kopf des Truckers explodieren lässt. Doch der Reifen ist nicht allen Menschen, Tieren und Dingen feindlich gesinnt. An einem nahe gelegenen Motel trifft er auf die hübsche Sheila (Roxane Mesquida), die er bereits kurz vor seinem Unfall auf der Straße wahrgenommen hat, und verliebt sich in sie. Die Polizei, in Gestalt von Lieutenant Chad, ist ihm aber schon auf den Versen, pardon Felgen.
Derweil „kümmert“ sich der Buchhalter weiter um die Zuschauer, die das Spektakel von der Wüste aus verfolgen. …
Auf die Story vom Reifen mit menschlichen Gefühlen und Verhalten, muss man sich natürlich erst mal einlassen. Hat man dies aber getan, bekommt man eine durchgeknallte, selbstironische und extrem coole Splatterparade geboten, wie man sie so sicher noch nicht gesehen hat. Anleihen an die teils surrealistischen Werke von David Lynch und David Cronenberg, aber auch Robert Rodriguez sind unverkennbar.
Und wem das immer noch nicht genügt, bietet „Rubber“ auf einer Meta-Ebene auch noch eine ordentliche Portion Kritik an Hollywood und tumben Blockbuster-Gängern, die sich kommentarlos jeden Mist vorsetzen lassen. So entpuppen sich die Zuschauer im Film als Abziehbilder klassischer Kinogänger wie sie sicher schon Jeder von uns erlebt hat, die die Prämisse des lebendigen Reifens (der für sie als Teil des Films ja real ist!) ebenso unreflektiert hinnehmen.
„Rubber“ ist also nicht nur reinster Trash vom feinsten, sondern durchaus auch ein Film mit Botschaft. Nicht umsonst feierte er seine Uraufführung auch bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes (kein Witz!).
Wie sagt Sheila an einer Stelle im Film: „Du bist nichts als Gummischeiße!“. Dem ist nichts hinzuzufügen, in positiver Weise natürlich.
F – 2011 – 1 Std. 22 Min.
Regie: Quentin Dupieux
mit Stephen Spinella, Jack Plotnick, Roxane Mesquida, Wings Hauser, Ethan Cohn, Charley Koontz, Daniel Quinn, Devin Brochu & „Robert“
Genre: Splatter, Komödie