Gemessen am bescheidenen Budget von gerade einmal 12 Millionen US-$ und einem Pensum von lediglich 30 (!) Drehtagen ist das Werk mit dem sperrigsten Titel der Saison fast schon in die Gattung eines Independent-Films einzuordnen, zieht jedoch im Hinblick auf die relative Anzahl an Honorierungen unzähliger Filmverbände vielfach an seiner kostenintensiv gefertigten Konkurrenz vorbei. Die bereits im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig urveröffentlichte, inzwischen dritte Regieführung des gebürtigen Iren Martin McDonagh generierte zunächst Erwartungen an einen wenig involvierenden Kriminalfilm nach altbekannten, typisch amerikanischen Denkmustern, doch genau unter dieser Prämisse weiß „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ aufgrund seiner Skurrilität und Tragik gleichermaßen zu entwaffnen, provozieren und unterhalten. Was anhand des filmischen Resultates in erster Linie bleibt, ist die nachwirkende Erkenntnis, niemals ausschließlich anhand der Sichtung des Trailers voreingenommen zu urteilen und, dass sich Leinwandproduktionen gerade dann als besonders veritabel erweisen, wenn der herausfordernde und oft misslungene Spagat zwischen zwei scheinbar gegensätzlichen Genres gelingt.
Inmitten der hypothetischen, ländlichen Gemeinde Ebbing im Mittleren Westen verortet, bebildert McDonagh den Feldzug der in mittlerem Alter befindlichen Mildred gegen die zuständige Polizeibehörde, welche sich hinsichtlich der Aufklärung der bestialischen Ermordung ihrer Tochter unfähig und unwillens präsentiert. Nach beinahe gemächlichem Start und trotz eines grundsätzlich recht simpel gestrickten Plots beeindruckt vor allem die Intensität des Gebotenen, andererseits auch die schrittweise, unerwartete Umkehrung einzelner Charaktere zu Antihelden mit sympathischen Zügen. Die messerscharfe Dialogführung und der wiederholt zutage tretende Humor sind freilich von äußerst derber Couleur, in einzelnen Szenen sogar rabenschwarz, geschehen jedoch augenscheinlich nicht um des bloßen Selbstzweckes willen, sondern viel mehr als greifbare, gesellschaftliche Kritik an einem sozialen Konstrukt, das verlernt hat, miteinander zu kooperieren. Überdies entfaltet sich auch ohne das Vorhandensein actionreicher Momente eine spannend angeordnete, psychologische Fülle im Zusammenhang mit Rachegelüsten, Rassismus, Trauerbewältigung und öffentlicher Schadensbegrenzung. Neben einer meisterhaften Schnittarbeit überzeugt besonders die unaufdringliche Mischung aus Eigenkompositionen von Carter Burwell sowie grandios platzierten Songs. Neben dem symbiotisch agierenden Team hinter der Kamera verleiht das Schauspielensemble dem Zweistünder eine geradezu fulminante Raffinesse. Frances McDormand, die mich bis dato eigentlich nur sporadisch vollends mitreißen konnte, beeindruckt mit einer facettenreichen, dauerpräsenten Performance, in der sich unbändiger Schmerz, Ironie und der Drang nach Satisfaktion in selber Weise authentisch entladen und die den bisherigen Nominierungsregen überdies rechtfertigt. Der fast schon als Co-Lead agierende Rockwell in der Rolle des einfältigen Officers Dixon verdient hingegen keine anderen Adjektive als „außergewöhnlich“ und „herausragend“ und spielt alle anderen Herren mühelos an die Wand, sogar den souverän auftretenden Woody Harrelson, dem ich für seine Darbietung in „Schloss Aus Glas“ den Vorzug gegeben hätte. Des Weiteren tragen auch Lucas Hedges, Caleb Landry Jones und Abbie Cornish zu einer bis in die kleinsten Nebenrollen zufriedenstellenden Gemeinschaftsleistung dabei.
Ab diesem Donnerstag darf „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, der als erster Film seit unfassbaren 26 Jahren zwei Nominierungen in der Kategorie „Besten Nebendarsteller“ einheimsen konnte, nun auch offiziell in Deutschland einer Sichtung unterzogen werden, hinterlässt einen starken, wohldurchdachten Gesamteindruck und darf als erste, positive Überraschung des noch jungen Jahres 2018 betrachtet werden. Interessanter Weise merkt man dem eindringlichen Zweistünder jedoch förmlich an, dass er sich analog zur Protagonistin nicht um die Meinung der Masse schert, sondern viel mehr gefertigt worden ist, um dank seines offenen Endes humanitäre Diskurse anzuregen.