Pünktlich zum heutigen Nationalfeiertag startete ebenjener Film, der vor rund einem Monat als offizieller Beitrag Deutschlands in der Kategorie „Bester Fremdsprachiger Film“ bekanntgegeben wurde und sich u.a. gegen „Drei Tage In Quiberon“ und „Ballon“ durchsetzen konnte. Nachdem in den vergangenen zwei Jahren jeweils Werke aus der unmittelbaren Gegenwart auf die Oscarbühne entsandt worden sind, fiel die Wahl nun ein weiteres Mal auf einen Drama mit Fokus auf die beiden Diktaturen 20. Jahrhunderts. Mit seinem erst dritten Film in Spielfilmlänge fährt Florian Henckel von Donnersmarck in vieler Hinsicht schweres, sperriges Geschütz auf und beweist mithilfe von „Werk Ohne Autor“ sein Faible für Bildgewalt. Sofern man nicht weiß, dass die schicksalshafte Geschichte um einen jungen Maler auf einem Originaldrehbuch des Regisseurs selbst basiert, könnte man die insgesamt drei Jahrzehnte umfassende Chronologie glatt für eine autobiographische Romanverfilmung halten, die letztlich einen starken Eindruck hinterlässt, allerdings auch eben so viel Geduld abverlangt.
Aufgrund eines kompletten Verzichts auf einen klassischen Vorspann wird der Zuschauer unmittelbar ins Geschehen rund um den Aufstiegs und Niedergang des Dritten Reichs involviert. Getreu dem Titel, unter dem der an Originalschauplätzen gedrehte Film international vermarktet wird, soll auch der Zuschauer gerade in der ersten Hälfte dazu angehalten werden, auch in den schmerzhaften und schamerzeugenden Momenten nicht die Augen zu verschließen. Während speziell die meisterhaft inszenierte Sequenz rund um den Bombenangriff auf Dresden und die drakonische Euthanasie-Praxis für schonungslose Momente des Erschauderns sorgen, verbleibt das Interesse stets auf den Schicksalen der beiden beteiligten Familien. Als eindrucksvoll erweist sich auch die atmosphärisch dichte und reflektierte Skizzierung dessen, wie Ostdeutschland innerhalb kürzester Zeit von einer Ideologie in die nächste abglitt und, dass sich in Gestalt eines ehemaligen Reichsarztes viele Zeitgenossen an die Umstände anpassten, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Dank eins überzeugenden Wechsels zwischen Dialogführung und reduzierteren Passagen tritt insbesondere im zweiten Part augenscheinlich zutage, dass die Macher dem Element der künstlerischen Selbstverwirklichung größere Bedeutung beimessen als der bloßen Erteilung von Absolution im Rahmen der eigenen Vergangenheitsbewältigung. Anlasten könnte man dem über mehrere Jahre in Planung und Produktion befindlichen Resultat einen gelegentlichen Hang zur Selbstgefälligkeit und natürlich die nicht gerade unbeträchtliche Laufzeit von weitaus mehr als drei vollen Stunden, die den Querschnitt des Publikums irritieren dürfte. Dieses Manko wird aber durch die handwerkliche Raffinesse, die exakt in den richtigen Momenten anschwellende, geradezu bombastische Filmmusik und die schauspielerische Qualität ausgeglichen. Angeführt wird das dynamisch agierende, etablierte Ensemble von der starken Performance des mittlerweile 36-jährigen, scheinbar in den Jungbrunnen gefallenen Tom Schilling, der den empfindsamen Protagonisten sowohl im jugendlichen als auch erwachsenen Alter glaubhaft verkörpert und dessen Zweifel nachfühlbar werden lässt. Auch Sebastian Koch wird erlaubt, seine darstellerische Klasse zu illustrieren, dennoch bleiben vor allem die authentischen Auftritte von Saskia Rosendahl, Oliver Masucci und Hanno Koffler im Gedächtnis.
Letzten Endes ist es „Werk Ohne Autor“ gelungen, den umfangreichen, narrativen Kreis zu schließen, sodass man dem Anwärter auf eine Oscarnominierung in der Tat am ehesten mit einem Gemälde vergleichen kann, das in einigen Belangen mit Konventionen bricht und vom Betrachter verlangt, sich wirklich darauf einlassen zu wollen. Wenngleich der Dreistünder alles andere als massenkompatible Unterhaltung darstellen mag, überzeugt er dennoch im Lichte einer kraftvolle, durchdachte und universelle Parabel rund um Schuld, mangelnde Reue, Intimität und Inspiration. In Unkenntnis der internationalen Konkurrenz erscheint ein Einzug in die sparteninterne „Shortlist“ nicht nur als möglich, sondern auch als wahrscheinlich und keinesfalls unverdient.