Die Zeiten, in denen sich der Mensch selbst in geselliger Runde lieber unmittelbar mit seinen Artgenossen beschäftigte als mit dem Smartphone, liegen gefühlt ein ganzes Weilchen zurück. Das Handy ist längst nicht nur zum unverzichtbaren Spielzeug, sondern auch zum „Flugschreiber des Lebens“ geworden. Ebendiese Feststellung wird zum inhaltlichen Dreh- und Angelpunkt der Produktion namens „Das Perfekte Geheimnis“, die heute ihren offiziellen Kinostart feierte. Regisseur Bora Dagtekin, der mithilfe dreier „Fack Ju Göhte“-Filme mehr als 21 (!) Millionen Zuschauer in die Lichtspielhäuser lockte, bleibt seiner bevorzugten Sparte treu, kreiert diesmal jedoch etwas weitaus Reiferes im Stil eines Kammerspiels, das über plakativen Humor und Fäkalwitze hinausgeht und sich stattdessen durch gesteigertes, psychologisches Interesse an Partnerschaften auszeichnet.
Ein zunächst netter Pärchenabend wird dank eines zufälligen Einfalls schnell zum ultimativen Seelenstriptease, der nicht nur Grundsatzdiskussionen über Treue und Vertrauen zutage fördert, sondern auch Themen wie die Vereinbarkeit von Karriere und Kind, Oralverkehr, ein Outing sowie gegenseitige Wertschätzung gekonnt miteinander verbindet. Dagtekin setzt in deutlich geringerem Maße auf Derbheit, sondern durchleuchtet die jeweiligen Beziehungsdynamiken mit elegantem Gespür, in denen sich trotz gewisser Überspitzungen so mancher Zuschauer wiederfinden dürfte. Die Grundkonstellation ähnelt jener von Doris Dörries verkanntem Meisterwerk „Nackt“ aus dem Jahr 2002, denn auch darin versuchen die Protagonisten ihre Fassaden mit aller Macht aufrechtzuerhalten und Heimlichkeiten zu bewahren. Obwohl „Das Perfekte Geheimnis“ sicherlich nicht dessen Genialität oder Dichte erreicht und gelegentlich nicht frei von vorhersehbaren Momenten ist, zieht die Laufzeit von fast zwei Stunden dennoch wie im Fluge vorüber. Ursächlich dafür ist einerseits die Spielfreude des energetischen Ensembles, andererseits aber auch ein von smarten, zynischen Dialogen durchzogenes Skript. Als besonders entscheidend gestaltet es sich, in welcher emotionalen Stimmung man den Kinosaal betritt, denn die Grenzen zwischen Drama und Komödie verlaufen vielfach fließend. Insbesondere das abschließende Drittel wartet mit hoher emotionaler Durchschlagskraft auf und sorgt dafür, dass einige der nicht-zündenden Gags in Vergessenheit geraten. Nicht nur das eingespielte Dreigespann aus „Fack Ju Göhte“, sondern auch alle übrigen Schauspieler harmonieren ausgesprochen gut miteinander und agieren vordergründig mithilfe mimischer Raffinesse. In Summe stechen Florian David Fitz und Karoline Herfurth mit besonders überzeugenden Darbietungen hervor, während Jessica Schwarz eindrucksvoll beweist, dass häufig die reduziertesten Auftritte die stärkste Wirkung entfalten. Unter den sieben charmanten Sympathieträgern bildet ausgerechnet Frederick Lau das schwächste Glied, was jedoch auch seiner verhältnismäßig klischeehaften Rollenzeichnung angelastet werden muss.
Ganzheitlich betrachtet, stellt „Das Perfekte Geheimnis“ eine solide Überraschung inmitten des Kinoherbsts dar, die guten Gewissens als kurzweiliger Lichtblick inmitten des Ödlandes voll von baugleichen, deutschsprachigen Komödien bezeichnet werden kann. Wenngleich es nicht gelungen ist, den Hang zum Crowd-Pleasing gänzlich zu vermeiden, dürfte Dagtekins fünfte Regieführung einige wertvolle Diskurse anregen und rührt unter dem Strich in ähnlichem Maße wie er amüsiert.