Am heutigen Tage flatterten die lang ersehnten Oscarnominierungen ins Haus und sorgten für einige Überraschungen. Im Hinblick auf das für drei Golden Globes vorgeschlagene Werk namens „Knives Out – Mord Ist Familiensache“ jedoch bewahrheiteten sich die Prognosen, denn die Academy wählte den Krimi als einen der Kandidaten für das „Beste Originaldrehbuch“. Trotz beeindruckender Besetzung und inszenatorischen Aufwands blieb es letztlich aber „nur“ bei dieser einen Nennung, dennoch verführte der einhellig positive Kritikertenor zu einer schnellen Sichtung. Wie der Titel es bereits erahnen ließ, unternahmen die Beteiligten den Versuch, eine zwischen Moderne und Tradition schwankende Detektivgeschichte zu erzählen und konzentriert sich auf eine selbstzerstörerische Familie und einen Mordfall, der scheibchenweise einen bitterbösen Sud aus Missgunst und Egoismus freilegt. In Summe handelt es sich im konkreten Fall keineswegs um einen schlechten Film, dennoch beschleicht wohl nicht nur Spartenfans bereits nach kurzer Zeit das Gefühl von narrativer Überfrachtung.
Dass Rian Johnson nicht nur Regie führte, sondern auch das Skript verfasste, hätte man anhand des Gebotenen vermutlich nicht im ersten Moment erwartet, denn dieser war unmittelbar zuvor für die achte Episode von „Star Wars“ verantwortlich und wurde dafür aus meiner Sicht zu Unrecht gescholten. Hierin verliert er keine Zeit und wählt den rätselhaften Tod des Familienoberhaupts als unmittelbaren Ausgangspunkt. Speziell die raschen Wechsel der Personenfiguration im klassischen Verhörstil erzeugen infolgedessen eine immense Spannung, die mittels Retrospektiven anhält, auch wenn die Wahrheit erstaunlich früh teilenthüllt wurde. Trotz eindrucksvoller, scharfer Wortgefechte erweist es sich allerdings einerseits als problematisch, dass die meisten der Charaktere einem fortwährend unzugänglich erscheinen und sich ein richtiger Involvierungseffekt nur in Ansätzen beziehungsweise primär im Hinblick auf die nicht zur Sippschaft gehörende Protagonistin einstellen möchte. Des Weiteren übertreibt es Rian Johnson mit dem „Whodunit“ insbesondere im letzten Drittel mit einer Vielzahl an Wendungen, die selbst für eine investigative Satire reichlich konstruiert anmuten. Gerade im Hinblick auf die Auflösung wäre weniger definitiv mehr gewesen, was auch auf die nicht gerade unbeträchtliche Laufzeit zutrifft. Die sich nach und nach entladenden Zwistigkeiten sind lobenswerter Weise gekennzeichnet von zeitgenössischen Sujets wie Trumps Migrations“politik“ und setzen der traditionellen, elegant fotografierten Szenerie zeitgenössische Relevanz entgegen, die aber mitunter abrupt anmutet. Insgesamt wird der zweistündige Krimi durch einen starken Einsatz von Musik und die Routine des Starensembles entscheidend aufgewertet und hält das Interesse am Leben. Auf dem Papier liest sich die Darstellerriege bereits wie eine Bestenliste, Daher verwundert es nicht, dass die unterschiedlichen Akteure vortrefflich miteinander harmonieren und mit viel Energie bei der Sache sind. Unter den Darstellern gelingt es besonders den Zugpferden Jamie Lee Curtis. Michael Shannon und Toni Collette sowie der verhältnismäßig unbekannten Ana de Armas für eine Vielzahl an Glanzmomenten zu sorgen. Während Daniel Craig endlich einmal andere Facetten zeigt, die mit dem 007-Typus wenig gemeinsam haben, sorgte Chris Evans jedoch für den denkwürdigsten Auftritt.
Seit der ersten Januarwoche können sich die Zuschauer hierzulande selbst ein Bild von „Knives Out“ machen, der grundsolide Unterhaltung bietet und bestens als enthusiastisches Darstellerkino sowie als Hommage an die Kriminalfilme der 60er und 70er funktioniert. Trotz ambitionierter Ideen versäumte man es jedoch, dem Genre etwas Neuartiges hinzufügen und verstrickte sich stattdessen wiederholt in unglaubwürdige Aufarbeitungsmechanismen. Folglich überrascht die Entscheidung der Academy, ausgerechnet das Storytelling zu den Jahresbesten zu zählen. Dessen ungeachtet, hält eine Inaugenscheinnahme zumindest keine gravierenden Risiken und Nebenwirkungen für Leib und Seele bereit.