Den 2. April 2020 dürften sich wohl einige Filmfans dick im Kalender angestrichen haben, denn in Gestalt von „No Time To Die“ wird nach mehreren Verschiebungen hierzulande die inzwischen 25. Verfilmung der 007-Reihe veröffentlicht. Daniel Craig schlüpft darin zum fünften (und angeblich letzten) Mal in die Rolle des fiktiven MI6-Agenten und der Trailer lässt wieder einmal hohe Erwartungen aufkommen.
Doch was wäre ein actionreicher Film über den verführerischen, unkaputtbaren Spion mit der Lizenz zum Töten ohne den zugehörigen Soundtrack? Dies bewiesen die globalen Reaktionen dieser Woche, nachdem der neueste Bond-Song der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Bis dato wurden drei Liedbeiträge aus „James-Bond“-Filmen für den Oscar nominiert und viele andere gelten nicht von ungefähr als zeitlose Kulturgüter. Analog zu den jeweiligen Handlungen der Filme verlässt sich die Reihe vielfach auf ein Erfolgsrezept aus Tradition und Nostalgie. Und so verwundert es auch nicht, dass man einem guten Titelsong sofort anhört, dass es sich um einen solchen handelt.
Zum Jubiläum der Reihe bietet sich die perfekte Gelegenheit, in Form einer (selbstverständlich rein subjektiven) Bestenliste auf die bisherigen Bond-Titellieder zurückzublicken und die Beiträge als eigenständiges Musikgenre mit unverkennbarem Sound hervorzuheben.
Platz 10: „You Only Live Twice“ von Nancy Sinatra (1967)
Mysteriös und bezaubernd zugleich – so könnte man den mittlerweile 53 Jahre alten Klassiker bezeichnen, der meine persönliche Top-10 eröffnet. Vor allem dank des Einflusses ihres Vaters konnte sich Nancy Sinatra überhaupt gegen Aretha Franklin durchsetzen und dafür darf man heute zutiefst dankbar sein. Insbesondere die Klänge des Streicher-Ensembles bleiben nach wie vor im Ohr und wurden seitdem nicht ohne Grund dutzendfach adaptiert. Doch auch das unverwechselbare Timbre von Sinatra, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag begehen wird, sorgt vielfach für Gänsehaut und umrandet ein Stück, das deutlich frischer daherkommt als viele andere schwerlastige Bond-Songs der Zeit.
Platz 9: „Die Another Day“ von Madonna (2002)
Von vielen Kritikern auf die hinteren Plätze der beliebtesten Bond’schen Musikbeiträge verbannt, sehe ich dies nicht nur aus ungebrochener Fanliebe zu Madonna ein wenig anders. Mit ihrem Stil und dem Einsatz von Verfremdungseffekten ist es der Queen Of Pop vor 18 Jahren gelungen, die Reihe in akustischen Belangen erfolgreich ins 21. Jahrhundert zu führen und dem relativ schwachen, zugehörigen Film sowohl einen Hauch Klasse als auch Modernität zu verleihen und mit starren Konventionen zu brechen. „Die Another Day“ hebt sich dank elektronischer Einflüsse von allen anderen Titelsongs ab, lässt aber dennoch die orchestralen Wurzeln des Sounds alter Tage wiederholt durchblitzen. Obendrein ist das zugehörige Musikvideo noch immer eine Sensation. Mal ehrlich: Wer würde nicht einmal gern einen Fechtkampf gegen sich selbst führen?
Platz 8: „Diamonds Are Forever“ von Shirley Bassey (1971)
Dass Diamanten in den Missionen des James Bond wiederholt eine bedeutsame Rolle spielen und sie nicht nur die besten Freunde der Mädchen sind, dürfte ebenso unumstritten sein wie die Unzerstörbarkeit dieser Juwelen. Ebenso verhält es sich auch mit der Titelmelodie von „Diamantenfieber“, wofür Sean Connery überraschend noch ein letztes Mal in die Rolle des 00-Agenten zurückkehrte. Wechselnde Stimmungslagen, ein gekonnter Einsatz unterschiedlicher Instrumente und der schrittweise anschwellende Gesang der mehrfach engagierten Shirley Bassey kennzeichnen einen stimmigen Song, der auch nach fast 5 Dekaden nichts von seiner Klasse verloren hat und in qualitativer Hinsicht einen gelungeneren Filme hätte untermalen sollen.
Platz 7: „Writing’s On The Wall“ von Sam Smith (2015)
Bis dato konnte nur ein einziger Song der gesamten 007-Reihe im Heimatland der romanbasierten Figur namens James Bond die Spitzenposition in den Charts erringen – und zwar „Writing’s On The Wall“, der wiederum den 24. Streich „Spectre“ effektvoll unterstützte. Das Stück benötigte zwar ein wenig Zeit, um seine Genialität entfalten zu können, dennoch handelt es erneut um einen Beitrag, dem man seine Herkunft unverkennbar anmerkt. Sam Smiths gigantische, warme Stimme geht runter wie Honig, glänzt vor allem in den Falsett-Momenten und setzt einer der wohl besten Eröffnungssequenzen aller James-Bond-Filme inmitten der Feierlichkeiten zum „Día de Muertos“ in Mexiko City die Krone auf. Entstanden ist ein starker Titelsong voller Wehmut für „Spectre“, der mit dem Oscar als „Bester Filmsong“ ausgezeichnet wurde – und das auch völlig zu Recht.
Platz 6: „Licence To Kill“ von Gladys Knight (1989)
Nachdem sich Musikgiganten wie a-ha, Paul McCartney, Duran Duran und Tom Jones dem schwierigen Unterfangen stellten, Bond musikalisch zur Seite zu stehen, gelten vor allem die Verfilmungen mit Roger Moore und Timothy Dalton als krisenhafte Phase für die Filmreihe. Dessen ungeachtet wartete Souldiva Gladys Knight auf Solopfaden mit einem der besten Lieder des Oeuvres auf und interpretierte einen Song, der sich den beat- und New-Wave-lastigen 80ern mit klassischen Klängen entgegenstellte. Vor allem in Europa wurden mit „Licence To Kill“ vielfach Spitzenpositionen in den Hitlisten erreicht. Der Song glänzt dank einer perfekten, großartige intonierte Synthese von Melodramatik und Feeling und fängt den Geist älterer Verfilmungen hervorragend ein.
Platz 5: „The World Is Not Enough“ von Garbage (1999)
Auch das 19. Titellied weiß zu überzeugen und setzt auf die Verbindung von charakteristisch orchestralem Flair, Stimmgewalt und nostalgischen Motiven. Für mich zählt „The World Is Not Enough“ zur Gruppe der unterschätzten Beiträge, insbesondere weil er den Bond-Song bildet, der den meisten Sex-Appeal ausstrahlt und man der verantwortlichen Rockband wohl absolut nicht zugetraut hätte, sich so überzeugend in das Genre einzufügen. Und auch in inhaltlicher Hinsicht ist der Text aktueller denn je und greift den vielfach um sich greifenden Größenwahn sehr elegant auf.
Platz 4: „No Time To Die“ von Billie Eilish (2020)
Als ich den Song aus dem 25. Teil der Reihe um den Geheimagenten im Dienst Ihrer Majestät gestern zum ersten Mal in voller Länge hörte, war ich (entgegen meiner Gewohnheiten) sprachlos und verspürte einen dicken Kloß im Hals. Das nunmehr neueste Mitglied im Kader der 25 offiziellen Titellieder ist ein kleines, melodisches und reduziert gestaltetes Meisterwerk, das den klassischen Stil der Goldenen Ära wiederaufleben lässt und insbesondere deswegen beeindruckend anmutet, weil Billie Eilish mit gerade einmal 18 Jahren die mit Abstand jüngste Interpretin ist, der jemals die Ehre zuteilwurde. Melancholisch-wehmütig und geduldvoll arrangiert sowie mit eindringlich-gehauchten Textzeilen unterlegt – und schon ist ein Hit von Weltformat entstanden, der das Herz in Windeseile erobert. Die Freude auf den in sechs Wochen anlaufenden „No Time To Die“ erreicht spätestens jetzt ihren Höhepunkt.
Platz 3: „Goldfinger“ von Shirley Bassey (1964)
Insgesamt drei Mal betraute man die Waliserin Shirley Bassey damit, einem Bond-Film ihre herausragende Stimme zu leihen. „Goldfinger“ markiert jedoch nicht nur ihren größten persönlichen Triumph, sondern blieb auch über Jahrzehnte hinweg ebenjenes Werk, an dem sich alle anderen namhaften Künstler messen mussten. Herausragend gesungen, beeindrucken bereits die ersten kolossalen Klänge und entführen einen unmittelbar ins fiktive Universum von James Bond. Der Titelsong bewegt sich auf ähnlich hohem Niveau wie die namensgleiche Verfilmung und darf mit Fug und Recht zu den unerreichten Klassikern in der Geschichte der Filmmusik gezählt werden.
Platz 2: „Skyfall“ von Adele (2012)
„You may have my number, you can take my name – but you’ll never have my heart.“ Nicht nur dank dieser genialen Textzeile ist Adele Adkins‘ Interpretation „Skyfall“ eines der Highlights, die das Franchise in annähernd 60 Jahren hervorgebracht hat. Dröhnend, sensibel und perfektionistisch gestaltet, bildet der düstere Song, in dem das Piano anfangs den Ton angibt eine Hommage an die Goldene Ära. Auch nach fast einem Jahrzehnt hat das Werk nichts von seiner Anziehungskraft verloren, wird dem heroischen Titel vollkommen gerecht und veredelt den aus meiner Sicht überzeugendsten Teil mit Daniel Craig in der Hauptrolle.
Platz 1: „Golden Eye“ von Tina Turner (1995)
Wie so oft, kann es nur eine geben, und das ist in diesem Fall ganz klar die Rockdiva Tina Turner, die sich als perfekte Wahl erwies! Brillant arrangiert, makellos und kraftvoll gesungen, untermalte der zeitlose Song seinerzeit den ersten Einsatz von Pierce Brosnan geradezu meisterhaft und setzte ein schwer zu negierendes Ausrufezeichen, das auch kommende Generationen begeistern wird. Bereits die ersten vier Töne fesseln den Zuhörer sofort und das Zusammenspiel von Stimme, orchestraler Begleitung und den doppelbödigen Lyrics sorgt auch nach einem Vierteljahrhundert für wohlige Schauer. Ohne jeden Zweifel ist mit „Golden Eye“ ein Meisterwerk entstanden, das Traditionen fortführt, allerdings moderner anmutet als all seine Vorgänger und bisher in vielen Belangen nicht übertroffen werden konnte. Und spätestens seit der karrierekrönenden Darbietung von Turner weiß man über den Protagonisten: „A bitter kiss will bring him to his knees.“