Die Nachricht des gestrigen Tages kam altersbedingt sicherlich nicht gänzlich unerwartet, aber dennoch führte sie dazu, dass wohl alle Liebhaber von Filmklassikern voller Ehrfurcht für einen Moment innehielten. Wenige Wochen nach ihrem 104. Geburtstag verstarb Olivia Mary de Havilland in ihrer Wahlheimat in Paris eines natürlichen Todes. Nach dem Ableben von Kirk Douglas im Februar diesen Jahres hat nunmehr die letzte Legende aus der „Goldenen Epoche Hollywoods“ die Augen für immer geschlossen, welche ihre beeindruckende, lange Karriere an der Seite von Errol Flynn begann und etliche Jahre als „Frau im Schatten von Vivien Leigh“ betitelt worden ist. Sie sollte ihre Drehpartnerin aus dem unerreichten Südstaatenepos „Vom Winde Verweht“ jedoch letzten Endes um ganze 53 (!) Jahre überleben.
Nach ihrem Engagement als gutherzige Melanie Hamilton, das sie mehrfach als „Märchen“ bezeichnete, profilierte sie sich schnell als eine der führenden Charakterdarstellerinnen ihrer Generation und bewies eindrucksvoll, dass sie in der Lage war, jeden Rollentypus mit Empathie, Klasse und Glaubwürdigkeit zu verkörpern. Innerhalb eines Jahrzehnts wurde sie fünf Mal für den begehrten Academy Award nominiert und gewann ihn 1947 sowie 1950 jeweils als „Beste Hauptdarstellerin“ für ihre herausragenden Performances in „Mutterherz“ und „Die Erbin“.
Ebenso berüchtigt wie Affären mit James Stewart, Howard Hughes sowie dem britischen Premierminister Edward Heath war darüber hinaus ihre lebenslange, medienwirksam inszenierte Rivalität mit ihrer Schwester Joan Fontaine (1917-2013), zwischen denen es aufgrund eines Missverständnisses zum endgültigen Bruch kam, als die jüngere der beiden sich in derselben Oscarkategorie gegen die andere durchsetzen konnte. Des Weiteren trug die in Tokio geborene Mimin entscheidend zum Ende der Dominanz der Filmstudios gegenüber Schauspielern bei, indem sie 1944 vor Gericht erfolgreich die selbstbestimmte Rollenauswahl einklagte – ein Präzedenzfall, der heute noch als „De-Havilland-Law“ bekannt ist. So lehnte sie beispielsweise die prestigeträchtige Besetzung als Blanche Dubois in „Endtstation Sehnsucht“ ab. Ferner übernahm sie als erste Frau überhaupt den Jury-Vorsitz der Filmfestspiele in Cannes.
Aus diesem Grunde mischt sich unter das Gefühl der Trauer und Bedächtigkeit vor allem ein hohes Maß an Dankbarkeit für die Lebensleistung einer unvergleichlichen, energetischen Dame, die bis zuletzt geistig rege blieb und erst nach ihrem 100. Geburtstag in aller Seelenruhe mit ihren Memoiren begann und 2018 in den Adelsstand erhoben wurde. Obwohl sie sich bereits in den 1960ern von der Kinoleinwand verabschiedete sowie 20 Jahre später auch von der Tätigkeit als Darstellerin in TV-Produktionen ist ihre Genialität und ihr enormes, schauspielerisches Spektrum noch immer präsent und dürfte als inspirierendes Vorbild für unzählige nachgeborene Aktricen fungieren. Das Vermächtnis der freiheitsstrebenden Olivia de Havilland wird die Zeit überdauern, weswegen ich in aller Kürze ihren gelungensten Rollen die entsprechende Würdigung zukommen lassen möchte.
Möge sie in Frieden ruhen, unvergessen bleiben und ihren namhaften Weggefährten in himmlischen Gefilden einen Gruß entsenden.
Platz 10: Emmy Brown in „Das goldene Tor“ (1941)
Platz 9: Terry & Ruth Collins in „Der schwarze Spiegel“ (1946)
Platz 8: Maria Feodorowna in „Anastasia“ (1986)
Platz 7: Hermia in „Ein Sommernachtstraum“ (1935)
Platz 6: Rachel Sangaletti Ashley in „Meine Cousine Rachel“ (1952)
Platz 5: Jody Norris in „Mutterherz“ (1946)
Platz 4: Miriam Deering in „Wiegenlied für eine Leiche“ (1964)
Platz 3: Melanie Hamilton in „Vom Winde Verweht“ (1939)
Platz 2: Virginia Cunningham in „Die Schlangengrube“ (1948)
Platz 1: Catherine Sloper in „Die Erbin“ (1949)