Viele Jahre sind vergangen, seitdem Morgoth Unglück über Mittelerde brachte und nur mit vereinten Kräften besiegt werden konnte. Tatsächlich ist so viel Zeit verstrichen, dass die Erinnerung an die Zeit verblassen und die Geschichten um ihn zu Legenden geworden sind. Es ist wieder Friede eingekehrt, das Böse ist fort. Oder etwa doch nicht? Die Elbin Galadriel (Morfydd Clark) ist fest davon überzeugt, dass die Gefahr nicht gebannt ist. Und so sucht sie noch immer nach Morgoths Diener Sauron, der vom Erdboden verschwunden zu sein scheint, und setzt damit das Abenteuer ihres Bruders fort, der im Kampf gestorben ist. Auch der Silber-Elb Arondir (Ismael Cruz Córdova) bleibt misstrauisch und geht gemeinsam mit der Heilerin Bronwyn (Nazanin Boniadi) seltsamen Vorkommnissen nach. Eine solche erlebt auch die Haarfüßin Nori (Markella Kavenagh), als sie eines Tages einen Fremden (Daniel Weyman) findet. Währenddessen begibt sich Galadriels Freund Elrond (Nazanin Boniadi) zum Zwergenprinzen Durin IV (Owain Arthur), um diesem einen Vorschlag zu machen…
Fantasyfans hatten die letzten Wochen gleich doppelt Grund zur Freude, standen doch parallel zwei Großereignisse an. Während House of the Dragon an die vergangenen Erfolge der Überserie Game of Thrones anknüpfen möchte, nimmt uns Amazon Prime Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht – der Titel – wieder auf eine Reise nach Mittelerde zurück. Jene Welt also, die auf den britischen Autor J. R. R. Tolkien zurückgeht und als Filmtrilogie weltweit ein Millionenpublikum anzog. Zwei Jahrzehnte später daran anknüpfen zu wollen, ist einerseits naheliegend. Gleichzeitig war die Skepsis im Vorfeld groß. Kann eine Serie, die von einem komplett anderen Team ist, den Zauber von damals wieder herausbeschwören? Schließlich war Peter Jackson selbst an dieser Aufgabe gescheitert, als er sich zu der zweiten Trilogie Der Hobbit überreden ließ.
Ein zweiter Knackpunkt war, dass die neue Geschichte Tausende von Jahren vor den Ereignissen der Filme spielen sollte. Das bedeutet einerseits, dass man eigentlich schon weiß, wie alles ausgeht. Ein Problem, das Prequels oft haben. Außerdem stehen durch die deutlich ältere Epoche kaum Figuren zur Verfügung, die das Publikum durch die Filme kennen und lieben gelernt hat. Die eine große Ausnahme ist natürlich Galadriel, wobei diese kaum aus ihren Auftritten in Der Herr der Ringe wiederzuerkennen ist. Statt der zurückgezogen lebenden Hexe, als die sie in Die Gefährten eingeführt wurde, ist sie in Die Ringe der Macht eine schwertschwingende Amazone, die sich von ihrer Trauer und der Wut durch die ganze Welt führen lässt. Dann ist da noch Elrond, der ebenfalls eine größere Rolle spielt. Und auch Sauron wird zu Beginn angesprochen, der hier zwar noch nicht die große Macht hat, mit der er später erneut Mittelerde in die Dunkelheit stößt. Es reicht aber, um viel Leid und Zerstörung zu verursachen.
Ansonsten sind die Figuren aber unbekannt, zumindest für Zuschauer und Zuschauerinnen, deren Wissen über Mittelerde in erster Linie aus den Verfilmungen stammt. Es sind sogar recht viele Figuren, an die sich das Publikum in Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht gewöhnen muss. Vor allem zu Beginn ist das etwas verwirrend, wenn die Serie ständig zwischen den einzelnen Handlungssträngen hin und her springt. Anders als bei Die Gefährten, das gleich mit der Zusammenführung der Hauptfiguren beginnt, gibt es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Geschichten. Aber das muss ja nicht verkehrt sein. Vielmehr macht es neugierig darauf, wohin das alles führen wird. Zumal von Anfang an viel mit Mystery-Elementen gearbeitet wird. Wer ist dieser Fremde, der vom Himmel fiel? Was hat es mit den seltsamen Beobachtungen zu tun, die Arondir und Bronwyn machen? Und wohin ist Sauron verschwunden?
In der Zwischenzeit darf man die Optik genießen, die sich Amazon jede Menge hatte kosten lassen. Hin und wieder wird der Computereinsatz doch etwas deutlich, ohne dabei die grotesken Ausmaße von Der Hobbit zu nehmen. Das wird aber durch die prächtigen Landschaften und die Ausstattung ausgeglichen. Wenn es ein Manko gibt, dann ist es, dass die Figuren nach den ersten Folgen bereits wenig Eindruck hinterlassen. Zum Teil hängt das mit den Dialogen zusammen, die nicht unbedingt literarische Qualitäten haben. Aber auch schauspielerisch fehlt eine Präsenz, die einem in Erinnerung bleibt.
Gegen Ende nimmt Staffel 1 dann Fahrt auf; Folge 6 („Udûn“) überzeugt mit brachialer Action. Das Finale schließlich zieht gleich mehrere Twists aus dem Ärmel und trumpft mit „Herr der Ringe“-Verweisen auf. Diese allein machen aber noch keine packende Geschichte. „Die Ringe der Macht“ hat schöne Momente, doch ist schlicht etwas langweilig und strotzt nur so vor Plot-Löchern. Unterm Strich mittelprächtige Fantasy. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um die bis dato teuerste Serie aller Zeiten handelt, aber auch ein kolossaler Reinfall.
J.R.R. Tolkien hat nicht nur eine Geschichte geschrieben, sondern eine ganze Welt erschaffen mit allem was dazu gehört. Wenn man sich an das Werk eines Genies anhaften möchte, sollte man eine gewisse Kenntnis und Ehrfurcht von und vor dem Werk haben.
Das bedeutet insbesondere, dass man bestehende Charaktere nicht ruiniert in dem man die weiseste aller Elbenfrauen in eine rachsüchtige, rücksichtslose, egozentrische und widersprüchliche Zicke verwandelt und den Erzbösewicht in einen Mann von der Straße.
Tolkien hat eine Phantasiewelt erschaffen. Es besteht kein Bedarf daran, dieser Welt den Stempel unserer modernen Realität aufzudrücken. Wenn man mehr „Diversität“ in Shows haben möchte, dann bitte in einer Form die logisch nachvollziehbar ist. Man sollte wirklich damit aufhören, bestehende Geschichten damit zu vermurksen. Wenn man das unbedingt möchte, muss man neue Geschichten schreiben. Staffel 2 von geplanten fünf befindet sich in Produktion. Meine Hoffnung ist dass man sich die Kritiken wirklich zu Herzen nimmt und die zweite Staffel sich deutlich steigert, dann bin ich auch bereit die Punkte nach oben zu hieven.
Folgen-/Wertungsübersicht:
- Schatten der Vergangenheit (5,5/10)
- Treibgut (5,0/10)
- Adar (5,0/10)
- Die große Wog (4,5/10)
- Abschiede (3,5/10)
- Udûn (7,0/10)*
- Das Auge (4,5/10)
- Gebunden (5,0/10)
[Gesamt: 5,0/10]