Champions
Sneak Preview #1: Nach dreizehn gemeinsamen Produktionen der Gebrüder Farrelly gingen die beiden in jüngster Zeit getrennte Wege. Während der ältere der beiden dank „Green Book“ prompt zwei Oscartrophäen einheimste, erschien nun mit „Champions“ der erste Film von Bobby Farrelly auf Solopfaden, in dem ein Basketball-Coach aufgrund eines Alkoholdelikts dazu verurteilt wird, eine kognitiv beeinträchtigte Jugendmannschaft zu trainieren. Im Zuge von stetigen Inklusionsbestrebungen in unserer Gesellschaft ist die basale Thematik allerehrenwert, doch bedauerlicherweise hapert es in Bezug auf die Umsetzung an mehreren Stellen. Wenngleich die Beteiligten im Grundtenor für Toleranz werben und gegen Vorurteile eintreten, sind etliche der Gags arg kalauerlastig und vorurteilsbehaftet, während andere, vor allem jene im Zusammenhang mit Madison Tevlon, die mit Down-Syndrom zur Welt kam, durchaus zum Schmunzeln anregen. Als problematisch erweist sich dagegen die Vorhersehbarkeit des Geschehens, denn man erahnt nahezu jeden Folgeschritt bereits 10 Minuten im Vorhinein, selbst wenn man die zugrundeliegende Leinwandversion aus España nicht kennt. Leider agiert auch Woody Harrelson, nachdem er oft an Oscarnominierungen vorbeigeschrammt ist, zwar in Summe solide, jedoch phasenweise mit ungewöhnlicher Handbremse. Zwar handelt es sich bei „Champions“ keinesfalls um einen Totalausfall, dennoch beschleicht einen vor allem das Gefühl, dass auf erzählerischer Ebene weitaus mehr drin gewesen wäre.
Das Rätsel (OT: Les Traducteurs)
Sneak Preview #2: Ein Film, der im frankophonen Nachbarland bereits vor drei Jahren über vereinzelte Leinwände flimmerte, wird seinen Kinostart hierzulande erst offiziell am 01. Juni 2023 erleben – es sei denn, man hat das Privileg, ihn im Rahmen einer Vorpremiere sichten zu können. In „Les Traducteurs“ geht es um eine Gruppe von neun Personen aus verschiedensprachigen Staaten, die als Übersetzer für das geheime Manuskript eines gefeierten, mysteriösen Autors engagiert werden und sich in isolierter Umgebung alsbald in den Wirren von Kriminalität, Misstrauen, Gewalt und Hacking wiederfinden. Erstaunlicherweise basiert das Gebotene nicht auf einer Buchvorlage, sondern auf einem hochintelligent konstruierten Originaldrehbuch. Was bedächtig beginnt, mausert sich scheibchenweise zu einem investigativen, anspruchsvollen und handwerklich überaus eleganten Kriminalfilm mit unverkennbaren Suspense-Qualitäten, das im finalen Drittel aufgrund einer unerwarteten Wendung seine volle Qualität entfaltet. Insbesondere die musikalische Untermalung sowie eine emotionsfokussierte Kameraarbeit erhöhen die klaustrophobische Atmosphäre, während die eloquenten Leistungen der internationalen Schauspielriege im Gedächtnis bleiben, vor allem aber jene der beiden zu Gegenspielern werdenden männlichen Hauptdarstellern. Doppelbödig inszeniert, fordert „Das Rätsel“ Geduld & Mitdenken vom Zuschauer ab, hebt sich aber gerade deswegen deutlich von anderen, nach Schema-F gestalteten Spartenvertretern ab.
Das Reinste Vergnügen (OT: How To Please A Woman)
Ein Komödie made in „Down Under“, in deren Zentrum eine unglücklich verheiratete Frau mittleren Alters steht, die sich nach einer unerwarteten Kündigung und einer missglückten Geburtstagsüberraschung kurzerhand eine clevere Geschäftsidee zu eigen macht, klang auf dem Papier zunächst recht amüsant. Leider ist das auf Zelluloid gebrachte Resultat über putzende Callboys jedoch nicht nur über weite Strecken blutleer und hölzern, sondern in vielen Belangen auch unverschämt sowie reaktionär, was Gender-bezogene Sujets anbetrifft. Vollgestopft mit einer Reihe an altgedienten Klischees und einem miserablen Timing im Hinblick auf Dialoge, vermögen lediglich zwei Witze, den Mundwinkel kurzzeitig einen Millimeter anzuheben, während die Darsteller/innen entweder lustlos oder zutiefst amateurhaft agierten, sodass das Dargebotene fortwährend anmutet, als handele sich um eine Schulaufführung der besonders schlechten Art. Letzten Endes wird „Das Reinste Vergnügen“ seinem Titel in keinster Weise gerecht, mutet wie eine Sat.1-Eigenproduktion mit auffallend kurzer Halbwertszeit an und bietet außer einem netten „Fourpack“ erschreckend wenig.
Der Geschmack Der Kleinen Dinge (OT: Umami)
Wahrscheinlich wissen nur die wenigsten, dass es außer süß, salzig, sauer und bitter noch eine fünfte Geschmackrichtung gibt, die als umami bezeichnet wird. Um dem Geheimnis dessen auf den Grund zu gehen, reist ein erfolgreicher, jedoch zunehmend angeschlagener Sternekoch aus Frankreich Hals über Kopf ins „Land der aufgehenden Sonne“ und entdeckt dabei ungewollt seine Lebensfreude wieder. Diese an sich simple Geschichte über interkontinentale Kontraste wird zum Ausgangspunkt einer kurzweiligen Tragikomödie, die mit geduldiger Hand inszeniert wurde und trotz augenzwinkernder Momente zunehmend existenzielle Fragen lanciert und von feinsinnigen Wortwechseln, intimer Grundstimmung und einer satten Farbgestaltung profitiert. Insbesondere Hauptdarsteller Gérard Depardieu wird dabei viel Raum zur Entfaltung zugestanden, weswegen er auch eine der souveränsten Performances seit Langem liefert. Zwar lässt speziell der vorhersehbare Schlusssteil einiges an Potential liegen, dennoch dürfte in Summe „Der Geschmack Der Kleinen Dinge“ vor allem Unternehmungslustigen, Bonvivants und Arthausfilm-Liebhabern zu gefallen wissen.
Der Super Mario Bros. Film (OT: The Super Mario Bros. Movie)
Für viele Kinder der späten 80er und frühen 90er zählten Super-Nintendo-Spiele wohl zu den Jugend-Highlights schlechthin – allen voran „Super Mario World“ und „Super Mario Kart“. Es war vor dem Hintergrund allgemeiner Revival-Affinität somit nur eine Frage der Zeit, bis die Abenteuer der italienischen Klempner Mario und Luigi erneut Einzug auf die Leinwand halten würden. Prompt enterte der Animationsfilm die Top-75 der kommerziell rentabelsten Kinoproduktionen aller (!) Zeiten und bringt sich bereits jetzt in Lauerstellung für eine Oscarnominierung im kommenden Jahr, was eine Inaugenscheinnahme erforderlich machte. „Der Super Mario Bros. Film“ ist geprägt von nostalgischen Elementen und dem Wiedersehen mit altbekannten Charakteren – abgesehen von Yoshi – und bietet solide, familienkompatible und augenzwinkernde Unterhaltung, ohne in ein Witzfeuerwerk abzudriften. Wenngleich die Tricktechnik temporär einen Hauch zu hektisch daherkommt, entschädigen vor allem ein abwechslungsreicher Soundtrack, warme Momente sowie kleine Seitenhiebe auf die Eigenheiten der italienischen Kultur. Letztlich ist das kurzweilige Endergebnis sicherlich kein Überwerk innerhalb des Genres, allerdings unterhält es deutlich besser als viele der Werke, die in letzter Zeit unter der Verantwortung von Disney und Pixar entstanden.
Die Drei Musketiere – D’Artagnan (OT: Les Trois Mousquetaires: D’Artagnan)
Nicht weniger als dreißig Mal wurde der berühmteste Roman von Alexandre Dumas bis dato für Film und Fernsehen adaptiert, zuletzt 2011. Im Gegensatz zum US-Pendant verzichtete man diesmal auffallend auf Pathos und hielt sich stattdessen eng an die Vorlage. Der in der Phase der Konfessionsspaltung angesiedelte Zweistünder besticht nicht nur durch seine Eröffnungssequenz im Stil von „Pakt der Wölfe“, sondern auch durch spannend inszenierte Duelle und anmutige Dialoge. Dass Bourbolons erst vierte Regierarbeit zu den teuersten Produktionen der Grande Nation der letzten Dekade gehört, sieht man dem Resultat an, denn die opulente, zeittypische Ausstattung, aufwendige Kostüme sowie erlesene Drehorte lassen selbst bei Genrefans kaum Wünsche offen. Hinzu gesellt sich ein souveränes Ensemble, aus dem neben Vicky Krieps in der Rolle der französischen Regentin Anna sowie Protagonist François Civil hervorstechen. Letzterer, bekannt geworden an der Seite von Juliette Binoche, spielt die Titelfigur besonders passioniert und beweist, dass nicht nur blendendes Aussehen zu seinen Stärken gehört. Lediglich Éric Ruf, der Kardinal Richelieu recht kraftlos mimt, erweist sich als Fehlbesetzung. Insgesamt ist in Gestalt von „D’Artagnan“ somit ein sehenswerter, nahezu fehlerfreier Streifen entstanden, der unterstreicht, dass Weltliteratur des 19. Jahrhunderts noch immer eine universelle Daseinsberechtigung zukommt, weswegen man erwartungsvoll auf die parallel gefilmte, bereits für Dezember 2023 angekündigte Fortsetzung namens „Milady“ blicken kann. In diesem Sinne: Einer für alle, alle für einen!