BlackBerry – Klick Einer Generation (OT: BlackBerry)
In der letzten „Sneak Preview“ vergangenen Monats wählte das Lichtspielhaus des Vertrauens einen Streifen aus, von dem man aufgrund des reichlich spät einsetzenden Vorspanns eine Viertelstunde nicht so recht wusste, worum es sich genau handelte. Letztlich flimmerte „BlackBerry“ über die Leinwand, in welchem der kanadische Mittdreißiger Johnson einen Blick auf die Entwicklung eines der weltweit ersten, serienmäßig produzierten Smartphones wirft. Wackelige Aufnahmen mittels Handkameras, speziell während der Anfangsphase, bestimmen die Szenerie, mögen sicherlich ihren metaphorischen Zweck haben, strengen jedoch auch ein wenig an. Das Folgende offeriert trotz der interessanten, skurrilen Charaktere etliche Phasen des Leerlaufs und leider häufen sich auch Szenen, in denen die Gags in etwa so zünden, wie ein überaltertes Tischfeuerwerk. Um die Charaktere sympathisch zu finden, muss man wohl mit einem Fetisch für Nerds ausgestattet sein. Hinzu kommen offensichtliche Recherchefehler, denn beispielsweise kam mit keiner Silbe zur Sprache, dass Toshiba, Ericsson und Nokia allesamt ihre Modelle deutlich früher auf den Markt brachten, Blackberry selbst also nicht der Pionier gewesen ist, wenngleich immerhin der technologische Wettlauf dramaturgisch zutage tritt. Jay Baruchel leistet als Hauptdarsteller mitunter solide Arbeit, wurde jedoch als Verkörperung des Gründers hinsichtlich Alter und Statur schlicht und ergreifend fehlbesetzt, während Glenn Howerton sich in der Rolle des aalglatten, cholerischen CEO’s zeitweise im Overacting verdingt. Produkt und Verfilmung haben somit einiges gemeinsam: Beide begannen halbwegs vielversprechend, verhaspelten sich jedoch, wurden dadurch rückständig austauschbar und verschwanden aufgrund mangelnder Konkurrenzfähigkeit letzten Endes rasch in der Versenkung. Die eher an eine im Nachmittagsprogramm von ntv ausgestrahlte Dokumentation erinnernde, aber immerhin hinsichtlich des Aufstiegs und Niedergangs informative Spartenmixtur läuft in der Bundesrepublik offiziell am 07. Dezember 2023 an, sei allerdings nur denen empfohlen, die keine überhöhten Erwartungen an einen Kinobesuch stellen.
Deep Fear – Tauch Um Dein Leben! (OT: Deep Fear – Dive To Survive)
Dass „Haifilme“ keine Nischen bedienen, sondern eine durchaus respektable Gemeinde an Enthusiasten besitzen, beweisen nicht zuletzt die Zuschauerzahlen von „Meg 2“, der im Spätsommer hierzulande 1,1 Millionen Menschen zu einer Kinosichtung animierte. Nur wenige Wochen später lief eine weitere, größtenteils in Spanien gefertigte Produktion mit ähnlicher Thematik an, die jedoch in letzter Instanz weder Spannung erzeugt noch ernst genommen werden kann. Nicht nur wegen des selbst für Spartenkonventionen flunderdünnen Narrativs rund um eine Profiseglerin, die inmitten eines Sturms aufgrund von Zivilcourage in die Fänge von Drogenkriminalität gerät, erinnert „Deep Fear“ vielfach an einen ganz üblen Scherz. Insbesondere die Dialogisierung wandelt abwechselnd auf den Pfaden von Idiotie und unfreiwilliger Komik und die wenigen Charaktere sind dermaßen schablonenhaft gezeichnet worden, dass sich weder Interesse an ihren belanglosen Vorgeschichten oder ihrem Wohlergehen entwickeln kann. Speziell die finalen zehn Minuten sind an Logiklöchern und Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Während nicht einmal die handwerkliche Sphäre sonderlich gekonnt daherkommt und man sich augenscheinlich regelrecht anstrengen musste, die Haie dermaßen unecht zu animieren, sorgt es außerdem für dezente Fragezeichen, dass ausgerechnet in der Südkaribik wiederholt und deplatziert arabische Klänge anschwellen. Optisch erinnert die Hauptdarstellerin an Sofia Vergara, doch ihre Performance gleicht einem blutleeren Tiefschlag. Alle anderen Darsteller geben überdies nicht einmal als Haifutter eine gute Figur ab, weshalb es nicht verwundert, dass abgesehen von Ed Westwick bisher keine/r für etwas anderes als Low-Budget-Produktionen engagiert wurde. Ähnlich wie „The Dive“ und „Last Contact“, deren stupide Geschichten sich ironischerweise ebenfalls in der Tiefe des Ozeans vollziehen, ist „Deep Fear“ ebenfalls ein zelluloidgewordenes Desaster auf ausnahmslos allen Ebenen, welches einem dankenswerterweise nur knapp anderthalb Stunden an Lebenszeit raubt. Grauenhaft!
DogMan
„Der Hund ist der beste Freund des Menschen.“ – ein geflügelter Satz, der (mich ausgenommen) auf viele zutrifft, wird zum inhaltlichen Dreh- und Angelpunkt eines düsteren, im Rahmen der Filmfestspiele in Venedig uraufgeführten Psychothrillers, der inzwischen Luc Bessons 18. Regietätigkeit darstellt. Für den gehbehinderten Protagonisten Douglas, der unter strengem Regime aufwuchs, Misshandlungen erdulden musste und aufgrund diverser Totschläge polizeilich verhört wird, sind die Vierbeiner sogar zu den einzigen, schützenden Gefährten geworden – neben einer Maskerade, unter der er sein Martyrium verbirgt. Eine kennzeichnende, konsequente Kaltschnäuzigkeit, umrahmt von Phasen voller Sarkasmus bestimmt sowohl Stilistik, Dialogisierung als auch Wirkungsästhetik, welche eindeutige Parallelen zu Bessons Vorgänger „Léon – Der Profi“ aus dem Jahr 1994 offenbart. Als problematisch erweist sich bisweilen ein Hang zur Schwarzweißmalerei, der letztlich Liebhaber wie Antagonisten von Hunden in ihren Überzeugungen, aber auch Vorurteilen bestätigt. Ein Großteil des Lobs, das „DogMan“ bei seiner Premiere in Venedig einfahren konnte, hängt allerdings zu Recht mit der Leistung des Hauptdarstellers zusammen. Der Texaner Caleb Landry Jones wurde bisher nahezu ausschließlich in kleinen Nebenrollen besetzt, doch liefert nun als Protagonist unerwartet überragende Schauspielkunst, die ihresgleichen sucht, von innerer Zerrissenheit und dem Changieren zwischen den Geschlechtern lebt und der man sich nicht mal dann entziehen kann, wenn man es beabsichtigt. Aus diesem Grund fällt es auch nicht allzu stark ins Gewicht, dass das übrige Ensemble ausbaufähige Performances enthält, denn das hohe, psychologische Interesse an einer geschundenen Seele steht hierin über allem. Aus diesem Grund hallt das Zitat „Beschwerden sind Gebete an den Teufel.“ in ähnlichem Maße nach wie die kontrastreich eingefügte Hommage an die Chansons „La Foule“ und „Lilli Marleen“ und fügt sich in eine souveräne Inszenierung ein, die bei Betrachtern mehrheitlich für einen Kloß im Hals sorgen dürfte.
Dumb Money – Schnelles Geld (OT: Dumb Money)
Nachdem der aus Downunder stammende Craig Gillespie in Gestalt von „I, Tonya“ und „Cruella“ jeweils gelungene, vielbeachtete und mit jeweils einer Oscarstatue veredelte Leinwandarbeiten schuf, legte er nun den erzählerischen Fokus auf eine ungeahnte Börsensensation, die sich inmitten der ersten Welle der COVID-Pandemie ereignete. Die Aktie der Einzelhandelskette „GameStop“ ist heute geschätzt 6 Milliarden US-$ schwer, doch begann vor dreieinhalb Jahren als Leerverkauf mit Kleckerbeträgen von Kleininvestoren aus der Mittelschicht. Ebendiese, maßgeblich durch Keith Gill vorangetriebene Kursexplosion, welche das Interesse von Experten schnell auf sich zog, bebildert die Verfilmung. In Summe ist deutlich mehr richtig als falsch gemacht worden, allerdings beschleicht einen inmitten der Chronologie wiederholt das Gefühl, dass das Skript optimierbar gewesen wäre und laienhaften Betrachtern etwas mehr Aufklärung für Aktienhandel geboten hätte werden können. Inszenatorisch und stilistisch, inklusive der musikalischen Untermalung, ist das das Gebotene nahezu fehlerfrei, der Schnitt sogar perfekt, wandelt aber ein wenig zu augenscheinlich auf den Spuren von „The Social Network“. Das erweist sich als wenig verwunderlich, denn etliche der Autoren waren an beiden Produktionen maßgeblich beteiligt, aber trotz witziger Momente mit gutem Gespür für Timing und Zeitgeist wird nur sporadisch die narrative Dichte des Originals erreicht. In darstellerischer Hinsicht stechen vor allem Paul Dano in der auf einem speziellen Menschen basierenden Hauptrolle und die sich immer als Zugewinn erweisende Shailene Woodley heraus, aber auch Dane DeHaan als unsympathischer Sidekick. Ganzheitlich betrachtet, entfaltet „Dumb Money – Schnelles Geld“ immerhin Unterhaltungspotential und gibt einen Einblick in eine eigene, gleichermaßen risikoreiche Welt.
Freelance
Wie beinahe im Vorfeld erwartet, flimmerte die Actionkomödie „Freelance“ in einer Sneak Preview des letzten Monats über die Leinwand, schließlich sind die Betreiber gewissermaßen unter Zugzwang, nicht ausschließlich Nischenfilme vorab zu präsentieren, sondern gelegentlich auch den ein oder anderen Blockbuster. Der Franzose Pierre Morel, der vor fünfzehn Jahren in Gestalt von „96 Hours“ immerhin ein respektables, englischsprachiges Debüt lieferte, produzierte diesmal jedoch selbst bei erhöhter Einlassungsbereitschaft etwas, das ungefähr so mitreißt wie der zweistündige Anblick eines Metronoms. Das Narrativ rund um einen inzwischen als mittelständischer Jurist tätigen Veteranen, der per Zufall zum Begleitschutz einer Journalistin wird, verströmt bereits nach einigen Minuten pure Einfallslosigkeit nach Schema-F und könnte in vielen Belangen kaum vorhersehbarer sein. Um kein südamerikanisches Land vor den Kopf zu stoßen, wurde kurzerhand ein fiktives Land mit dem dümmlichen Namen Paldonien als revolutionärer Schauplatz gewählt, das aber in vielen Belangen stark an Venezuela oder Kolumbien erinnert. Selbst aus diesem möglichen, gesellschaftskritischen Ansatz wurde erstaunlich wenig gemacht, stattdessen stößt man auf Dialoge und Botschaften, die fortwährend zwischen machohaftem Reaktionismus und postkolonialen Vorurteilen pendeln und auch handwerklich treten im 5-Minuten-Takt Reserven zutage. Rund zwei Dutzend Filmauftritte absolvierte der ehemalige Wrestler John Cena inzwischen, doch trotz dieser Routine beläuft sich die Anzahl der gebotenen Gesichtsausdrücke erneut auf eine Anzahl, die an einer halben Hand abzählbar sind. Während Newcomer Juan Pablo Raba als skurriler Staatspräsident immerhin versucht, gegen das Skript anzukämpfen, wirken sämtliche andere Beteiligte vor der Kamera voller Lustlosigkeit. Letztlich ist „Freelance“ ein schnell vergessbares und unwitziges Machwerk, das einige Zusehende wohl nur bis zum Schluss auf den Sitzen hält, um geizbedingt Snacks und Getränke komplett zu verzehren.
Killers Of The Flower Moon
An Altmeister Martin Scorsese, mittlerweile fast 82 Jahre alt, scheiden sich die Geschmäcker, selbst unter Cineasten. Das ist nichts Neues. Während er selbst kürzlich eingestand, die Anfertigung von „Shutter Island“ zu bereuen, zählt insbesondere dieser für mich zu den interessantesten seiner Werke der letzten 15 Jahre, das Werk „The Irishman“ empfand ich hingegen als zeitraubende Zumutung, wurde von Experten und Publikum jedoch weitestgehend gefeiert. Mit leichter (Cineplex-bedingter) Verzögerung konnte nun eine Sichtung von Scorseses 28. Film erfolgen, der im Oklahoma der 1920er spielt und die im Zusammenhang mit Neureichtum durch Erdölquellen stehenden „Osage-Indian-Morde“ porträtiert, denen nachweislich etwa 60 (!) Indigene zum Opfer fielen. Sujets wie Profitgier, Kontrolle und Verschleierung, allesamt Schatten des Fortschritts, avancieren darin zu tragenden, erschreckenderweise mühelos auf die Gegenwart übertragbaren Aspekten. Nach starkem, rituell angehauchtem Opening rund um das scheinbare Näherrücken von Weißen und Indianern zeigt sich die Dichte des Skripts, denn die Zeit verfliegt verhältnismäßig schnell. Dies ändert sich erst in der finalen Stunde, denn die aufarbeitenden, juristischen Sequenzen sind mitunter zu lang, teilweise entbehrlich und nicht frei von gewisser, zähflüssiger Selbstherrlichkeit, andere jedoch treffen umso mehr mitten in die Magengrube. Insbesondere der Schnitt – und Kameraarbeit sowie akustische Gestaltung verdeutlichen, wie gut das routinierte Team von Scorsese miteinander interagiert und der größtenteils aus lediglich zwei unaufgeregten Arrangements bestehende Soundtrack erweist sich als förderlich. Anders als dutzende, vor allem US-amerikanische Kritiker würde ich nicht so weit gehen, Leonardo DiCaprio eine Karrierebestleistung attestieren zu wollen, dennoch tritt er wie nahezu immer überzeugend auf – trotz seines viral gegangenen, sich wiederholenden Schmollmundes. Unangefochtene, darstellerische Highlights bilden jedoch die zuvor verhältnismäßig unbekannte Lily Gladstone, die sich gute Chancen auf eine Oscarnennung ausrechnen darf, sowie ein auftrumpfender Robert de Niro in Form seiner gefühlt stärksten Performance seit dem Millennium. In Summe stellt „Killers Of The Flower Moon“ eine gelungene, handwerklich sogar fehlerfreie Produktion mit etlichen goldenen Einzelmomenten dar, wenn auch in Summe keine perfekte oder gar massenkompatible, jedoch hat sie zumindest bezüglich der immensen Lauflänge von 207 (!) Minuten einen persönlichen Kinorekord gebrochen. Empfohlen sei das 200 Millionen Dollar teure Mammutwerk vor allem für Scorsese-Fans oder Zuschauer/innen, die über genügend Einlassungsbereitschaft (und Sitzfleisch) verfügen.