Die Schneegesellschaft (OT: La Sociedad de la nieve)

Society Of The Snow Review – 'An affecting story of humanity and survival'
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Am 12. Oktober 1972 startet von Uruguay eine Charter-Maschine mit 45 Menschen an Bord, ein Großteil davon sind Mitglieder des Rugby-Teams Old Christians, die in Chile ein Freundschaftsspiel absolvieren sollen. Doch dazu wird es nicht kommen. Denn aufgrund eines verheerenden Navigationsfehlers zerschellt das Flugzeug in den Anden und stürzt in den Bergen ab. Zwölf Menschen sterben bereits während des Absturzes oder unmittelbar danach, weitere werden die erste Nacht nicht überleben. Der Rest kommt zwar mit dem Schrecken davon, steht aber vor einem Problem: Wie sollen sie von dem Berg wieder herunterkommen? Zwar werden unmittelbar nach dem Unglück Flugzeuge losgeschickt, um die Maschine und die Überlebenden zu suchen, doch ohne Erfolg. Und so müssen die Übrigen zu verzweifelten Mitteln greifen…

Zwar gilt die Reise per Flugzeug als eine der sichersten überhaupt. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht doch immer wieder mal zu Unglücken kommen kann, die oft dann besonders verheerend ausfallen. Eines der berühmtesten Beispiele ist das der uruguayischen Rugby-Mannschaft, die 1972 mit der Maschine in den Anden abstürzte und einen Weg finden musste, sich selbst zu helfen. Nicht nur, dass die Geschichte spektakulär und schockierend war. Sie wurde zudem immer wieder adaptiert. So gab es mehrere Theaterstücke und Bücher. Und natürlich die Filme. Schon 1976 gab es eine erste Version namens Überleben! aus Mexiko. 1993 folgte eine US-Fassung mit demselben Titel. 2007 kam ein Dokumentarfilm. Nun folgt eine dritte Spielfilmvariante namens Die Schneegesellschaft, die auf Netflix veröffentlicht wird. Bei einer Geschichte, die derart stark im Allgemeinwissen verankert ist und so oft erzählt wurde, stellt sich natürlich die Frage: Braucht es wirklich noch eine neue Verfilmung?

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Ganz einfach ist das nicht zu beantworten. Ein Vorteil der neuen Version ist natürlich, dass die technischen Möglichkeiten innerhalb der letzten 30 Jahre doch deutlich größer geworden sind. Die Schneegesellschaft weiß diese auch zu nutzen, gerade der Einstieg, bei dem das Flugzeug zerschellt und abstürzt, ist schon sehr beeindruckend inszeniert. Der spanische Regisseur J. A. Bayona, der nach seinen Großproduktionen Jurassic World: Das gefallene Königreich und Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht hier mal etwas kleiner unterwegs ist, schüttelt bei dem Absturz nicht nur die Insassen kräftig durch. Auch das Publikum muss sich hier auf einiges einstellen. Dass der Filmemacher ursprünglich aus dem Horrorbereich kommt und weiß, wie er spannende Momente kreiert, kommt ihm da zugute. Dafür ist er bei den schockierenden Szenen, in denen die Überlebenden gezwungen sind, die Toten zu essen, sehr zurückhaltend.

Wenig beeindruckend ist zudem die emotionale Komponente des Films. Dass sich Bayona darauf versteht, menschliche Schicksale mitreißend zu erzählen, hat er zuvor durchaus bewiesen. So geht das herausragende Fantasy-Drama Sieben Minuten nach Mitternacht auf sein Konto. Und dann wäre da natürlich noch The Impossible, bei dem er schon einmal eine reale Katastrophe thematisierte, genauer die Tsunamis in Thailand Ende 2004. Damals veranschaulichte er das Unglück jedoch anhand einer einzigen Familie, was es ihm ermöglichte, tiefer in die Psyche seiner Figuren einzutauchen.

Society of the Snow Survivor Thriller Coming to Netflix
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Bei Die Schneegesellschaft verzichtet er darauf, sondern will lieber allen 45 Menschen Tribut zollen, die bei dem Absturz dabei waren. Das ist einerseits löblich, da es oft befremdlich ist, wie in solchen Geschichten Opfer an den Rand geschoben werden, um Einzelnen den Vortritt zu lassen. Es führt aber auch dazu, dass niemand wirklich vertieft wird und man überhaupt keine Gelegenheit hat, die Figuren näher kennenzulernen. Zwar werden regelmäßig Namen eingeblendet. Das ist aber kein Ersatz für eine tatsächliche Charakterisierung, die Leute bleiben einem fremd. Da Bayona zudem darauf verzichtete, bekannte Schauspieler und Schauspielerinnen zu verpflichten, ist der Wiedererkennungswert gering.

Doch auch wenn Die Schneegesellschaft letzten Endes nicht ganz so bewegend ist, wie man sich das vielleicht wünschen würde, sehenswert ist das Ergebnis durchaus. Das Survival-Drama lockt mit umwerfenden Bildern aus den eisigen Berglandschaften. Die vielfältigen Versuche, sich aus der Situation zu befreien, etwa durch wiederholte Expeditionen, sind packend, vermitteln die Verzweiflung, wenn die Männer gegen den sicheren Tod anlaufen. Schauspielerisch kann man da ebenfalls nicht meckern. Das südamerikanische Ensemble, welches überwiegend aus Newcomern besteht, erledigt eine ordentliche Arbeit. Das Ergebnis ist dem bekannten US-Film sogar überlegen, weshalb diese Produktion gerade einem Publikum, das die Geschichte noch nicht kennt, zu empfehlen ist.

Society of the Snow Trailer Released by Netflix
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Fazit: Der diesjährige spanische Oscarbeitrag Die Schneegesellschaft erzählt die bekannte Geschichte um die uruguayische Rugbymannschaft, die 1972 mit dem Flugzeug in den Anden abstürzte und anschließend ums Überleben kämpfte. Das Survival-Drama hat dem Ganzen nicht wirklich viel Neues hinzuzuführen, ist aber packend und bewegend in Szene gesetzt.

Spain 2023 – 144 Minuten
Regie: J.A. Bayona
Genre: Drama / Geschichte
Darsteller: Enzo Vogrincic, Augistín Pardella, Matías Recalt, Esteban Bignliardi, Diesgo Vegezzi, Fernando Contingiani, Esteban Kukuriczka, uva.

 

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