
In der Jim-Crow-Ära der Vereinigten Staaten kehren die beiden berüchtigten Zwillinge Smoke und Stack (Beide: Michael B. Jordan) in ihre Heimatstadt zurück, um einen Nachtclub zu eröffnen. Mit einem Truck voller Waffen, irischem Bier und italienischem Wein aus Chicago wollen sie das Gangsterleben hinter sich lassen und die Früchte ihrer Arbeit in ihre neue Bar investieren. Zu diesem Zweck rekrutieren sie entfernte Verwandte und alte Freunde – unter anderem ihren Cousin Sammy „Preacherboy“ (Miles Caton). Gegen den Willen seines Vaters nimmt Sammy die Einladung seiner Cousins an, um seiner Leidenschaft als Blues-Musiker nachzugehen. Was als fulminante Einweihungsfeier geplant war, nimmt jedoch eine unvorhergesehene Wendung, als ein seltsames Trio auftaucht und Einlass begehrt…
Vor Blood & Sinners war Nächster Halt: Fruitvale Station aus dem Jahr 2013 Ryan Cooglers letztes Projekt abseits großer Franchises. Seither war er hauptverantwortlich für Creed – Rocky’s Legacy sowie für Marvels Black Panther und dessen Fortsetzung Wakanda Forever. Trotz des großen Erfolgs aller drei Filme blieb der Eindruck, dass Coogler durch die Beschränkungen des Franchise- und Blockbusterkinos sein volles Potenzial noch nicht ausschöpfen konnte. Bei Blood & Sinners führte er nicht nur Regie, sondern schrieb auch das Drehbuch und hatte somit die komplette kreative Kontrolle.
Ryan Cooglers neuester Film vereint eine ganze Reihe von Genres. Zeitlich spielt Blood & Sinners im Amerika der 1930er-Jahre, Sklaverei ist zwar offiziell abgeschafft, doch Rassismus steht an der Tagesordnung. Die Smoke-Stack-Zwillinge als ambivalente Helden funktionieren wie bei einem klassischen Western. Während der ersten Hälfte des Films könnte man jedoch fast vergessen, dass Blood & Sinners nicht nur Neo-Western oder Blaxploitation-Thriller ist, sondern zugleich Vampir- und Horrorfilm. Coogler erinnert seine Zuschauer durch clevere, wirkungsvolle Jumpscares, ohne dieses Stilmittel zu übertreiben.
Bei einer Laufzeit von über zwei Stunden nimmt sich Coogler sehr viel Zeit, seine Charaktere vorzustellen und ein Gefühl von Zusammenhalt zu etablieren – nur um dieses in der zweiten Hälfte Stück für Stück zu dekonstruieren. Blood & Sinners findet über seine gesamte Länge eine bemerkenswerte Balance zwischen politischen Themen, fast philosophischen Fragen über Freiheitsdrang, die Last der Vergangenheit oder familiäre Verstrickungen und einer blutigen, aber auch unterhaltsamen Eskalation, sobald der Film an Fahrt und Action aufnimmt.
Neben Cooglers detaillierter Charakterzeichnung ist es vor allem das Spiel des gesamten Ensembles, durch das Zuschauer kaum umhinkommen, eine emotionale Bindung zu den Figuren aufzubauen. Nach Creed und Black Panther setzt Coogler erneut auf Michael B. Jordan, der in seiner Doppelrolle als die beiden Smoke-Stack-Zwillinge allerdings kaum nuancierte Charakterzüge verleihen kann. Das man die beiden Zwillinge so kaum nur durch eine rote oder blaue Krawatte unterscheiden kann, macht sein Spiel nicht besser. Das hat er schon besser hinbekommen Allerdings meistert er den Action-Part am Ende recht gut. Neben ihm glänzen vor allem Miles Caton in der Rolle des jungen Cousins Sammy, sowie Veteran Delroy Lindo und Wunmi Mosaku mit starken Auftritten. Auch Hailee Steinfeld kann Akzente setzen. Jack O´Connell, den ich eigentlich immer gerne sehe, agiert völlig überzogen und wie ein stereotyper Weißer. Soll er auch wohl auch, aber da kommen wir auch zum Hauptproblem des Films.
Leider ist es mal wieder stereotypisch, dass die Weißen nur böse sein können, mit Ausnahme von Steinfeld. Gerade im deutlich von From Dusk till dawn inspirierten Schlussakt, trieft es nur so voller Klischees. Das dann dazu noch gesungen wird, macht es nicht besser. Da verhebt sich der Film leider völlig und man fragt sich, was einem das Ganze nun sagen soll? Zwar überzeugen auch hier die langen Actionsequenzen der zweiten Hälfte, doch kann die herausragende Inszenierung nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ganze Vampirteil mehr für Kopfschütteln, als für nachhaltige Unterhaltung sorgt. Ohne den Teil hätte es locker eine 8/10 werden können, die kann ich aber nicht mehr zücken, tut mir leid. Auch gerade wegen des starkes Sooundtracks vom zweifachen Oscarpreisträger Ludwig Göransson, der im Laufe des Films Elemente des klassischen Blues mit moderner Musik mischt und sich für eine weitere Nominierung empfiehlt.

Fazit: Mit Blood & Sinners bricht Ryan Coogler nicht nur aus dem Gefängnis des Franchise-Kinos aus, sondern liefert einen ambitionierten Genre-Mix, ohne sich dabei zu verlieren. Im Rahmen seiner extravaganten Exposition stellt Coogler klassische Fragen des Black Cinema und krönt seinen Film in der zweiten Hälfte mit brachialer, roher und exzellent inszenierter Action und verhebt sich damit aber auch ein Stückweit. Wird seinen Vorschusslorbeeren dadurch nur zum Teil gerecht. Mal abwarten, wie präsent er bei der Academy Ende des Jahres noch sein wird. Den Oscarhype kann ich nur bedingt folgen.

Regie: Ryan Coogler
Genre: Musik, Horror, Drama
Darsteller: Michael B. Jordan, Miles Caton, Delroy Lindo, Wunmi Mosaku, Saul Williams, Andrene Ward-Hammond, Jack O’Connell, Hailee Steinfeld, Omar Benson Miller, Tenaj L. Jackson, uva.