Das Schicksal Ist Ein Mieser Verräter (OT: The Fault In Our Stars)

1

Es gibt bekanntermaßen zwei Sorten von Dramen, die man als „schmerzhaft“ titulieren. Einerseits sind das jene, die den Zuschauern aufgrund von signifikanten, qualitativen Merkmalen sinnbildlich körperliche und psychische Schmerzen zufügen können, auf der anderen Seite aber auch die raren Beispiele, welche einen emotional so tief mitnehmen und berühren, dass man hinterher Zeit benötigt, um wieder lächeln zu können und zu sich zu kommen. Genau so erging es mir bei der Sichtung der Verfilmung des Bestsellers „Das Schicksal Ist Ein Mieser Verräter“ von John Green. Der vielversprechende Trailer lockte mich ins Kino und ich bin dankbar, mich über meine anfängliche Skepsis hinweg gesetzt zu haben, dass ich die Hauptdarstellerin Shailene Woodley bisher noch nie wirklich überzeugend fand.

In dem Zweistünder wird die Geschichte der sechzehnjährigen Hazel Grace beleuchtet, welche an Schilddrüsen- und Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium leidet. Ihre Eltern kümmern sich aufopferungsvoll um sie und überreden sie dazu, eine Selbsthilfegruppe zu besuchen, wo sie den smarten, anscheinend vom Krebs geheilten, jedoch beinamputierten Augustus kennenlernt. Die Leidensgenossen sind sich auf Anhieb sympathisch, denn sie verbindet vor allem ihr Galgenhumor und das Gefühl, so viel wie möglich zu erleben. Doch Hazel hat aufgrund ihrer Krankheit Angst, sich zu binden. Auf einer gemeinsamen Urlaubsreise in die Niederlande treffen sie den Lieblingsautor der jungen Frau. Der Besuch sowie die darauffolgenden Ereignisse gestalten sich jedoch anders als erwartet…

3

Mit seiner erst zweiten Kinoproduktion ist dem 35-jährigen Josh Boone aus dem Stegreif etwas gelungen, das viele seiner Kollegen sicherlich auch nach Jahren im Filmgeschäft noch nicht geschafft haben. Er hat die aus meiner Sicht sowohl dankbare als auch schwierige literarische Vorlage, die ich allerdings nicht kenne, allem Anschein nach originalgetreu, aber auch mit wohl dosierten, künstlerischen Freiheiten auf die Leinwand gebracht. Die Thematik der unglücklicherweise zur Volkskrankheit mutierten, grausamen Beschwerde wurde oft behandelt, wohl aber noch nie in dieser grundehrlichen und unbeschönigenden, teilweise überraschend unsentimentalen Art und Weise. Dies betrifft primär die Begleitumstände des Leidens. Man wird Zeuge gleich mehrerer unbeschreiblicher, wenngleich realistischer Schicksale, welche nicht nur den „Krebs“ an sich tangieren, sondern gleichermaßen die äußeren Umstände sowie Ängste und Hoffnungen aller Betroffenen und ihrer Mitmenschen. Motive wie das zumeist vorhandene Mitleid sowie etwa der ständige Versuch, die Leidtragenden möglichst glücklich machen zu wollen, hätten kaum authentischer dargestellt werden können. Die Balance zwischen Feingefühl und Realismus, begünstigt durch die Jugendsprache der Protagonistin, passte perfekt, wenn auch einige Aspekte (z.B. die Darstellung von Selbsthilfegruppen) für mein Empfinden etwas überspitzt worden sind.

2

Die abwechslungsreiche Story mit einer klassisch-dramatischen, retardierenden Trendwende sowie die Dialoge sind zweifelsohne die großen Vorzüge von „Das Schicksal Ist Ein Mieser Verräter“, dessen deutscher Titel mir im Übrigen weitaus besser gefällt als der des Originals, weil die Quintessenz besser zum Tragen kommt. Mehrere wiederkehrende Symbole (z.B. die nie angezündeten Zigaretten) zogen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Laufzeit, lediglich der Umstand, dass die beiden Jugendlichen sich ausnahmslos theatralisch mit ihrem kompletten Namen ansprachen, hätte getrost weggelassen werden können. Ins Kitschige driftete der Regisseur allerdings nie wirklich ab, sondern bleibt mit wenigen Ausnahmen immer auf dem konstanten Niveau, das mich öfters so sehr berührte, dass meine Taschentücher danach verbraucht waren. Doch auch viele feinhumorige Momente waren vorzufinden. Anlasten könnte man in Bezug auf die Gestaltung maximal die unauffällige Filmmusik und das zu lang gezogene Ende, schließlich wirkten auch die Kameraarbeit sowie der Schnitt effektvoll und absolut solide. Zuletzt beeindruckte mich auch der Kontrast zwischen den hellen, frühlingshaften Farben sowie der malerischen Kulisse der Innenstadt von Amsterdam samt dem Grachtengürtel in Relation zur inhaltlichen Tragik. Zwar möchte ich nicht spoilern, nichtsdestotrotz fand ich es sehr stimmig, wegen der Handlungselemente den Eindruck vermittelt zu bekommen, dass es zwischen der in der niederländischen Hauptstadt untergetauchten Anne Frank und Hazel gewichtige Parallelen gibt. Gerade dies vermochte zu zeigen, dass das Leben oftmals von Rückschlägen bestimmt wird, von denen sich die meisten zu früh besiegen und entmutigen lassen. – Nicht aber die beiden Hauptcharaktere.

4

Shailene Woodley hat in meinen Augen mit dieser einen Performance einen darstellerischen Quantensprung sondergleichen unternommen. In „Divergent“ fand ich sie ja, wie bereits erwähnt, schon beinahe unterirdisch schlecht, hier jedoch überzeugt sie weitestgehend mit enormer Authentizität, gutem Timing sowie Mimik und Gestik, obschon nicht in jeder einzelnen Sequenz. Drei ihrer Szenen bleiben jedoch dauerhaft im Kopf und gerade in diesem Zusammenhang war ich zutiefst überrascht und möchte sogar von Ansätzen einer Höchstleistung sprechen. Ihr ist es geglückt, sich in ihren Rollencharakter einzufinden. Genau so begeistert war ich, ebenfalls überraschend, von Woodleys kürzlichem Filmpartner Ansel Elgort, welcher für sein Alter ebenfalls charmant, stets präsent und glaubhaft auftrat, wenn auch vielleicht eine Spur zu süßlich. Laura Dern sowie ihre Rolle als Filmmutter waren mir demgegenüber übertrieben – „over the top“ könnte man sagen. Willem Dafoe, den ich als Darsteller sehr schätze, war aber mein persönliches Highlight. Er hat es gemeistert, in höchstens fünfzehn Minuten an Screentime, alle Register seines Könnens zu zeigen, brillierte als verbitterter und für den Handlungsverlauf signifikanter Autor und agierte in der Tat beängstigend gut, sodass man kaum noch von Schauspiel sprechen kann. Hiermit möchte ich ihn als einer der ersten Anwärter für den Oscar als bester Nebendarsteller ins Gespräch bringen. Auftauchen müsste er, wenn sich Vergaben wirklich nach Leistungen richten sollen.

Herausgekommen ist, um die mal wieder viel zu lang geratene Rezension zum Abschluss zu bringen, ein Werk, das an Ehrlichkeit und positiver wie negativer Emotion kaum hätte übertroffen werden können und der nur minimale Defizite aufweist. „Das Schicksal Ist Ein Mieser Verräter“ ist mit Sicherheit alles andere ein Wohlfühl-Film, doch er erscheint mir für unsere heutige Gesellschaft trotz oder insbesondere wegen seiner Tragik wichtig und betrachtenswert. Gerade das lässt die bemerkenswerte Liebesgeschichte so dermaßen „echt“ werden. Ein erstes Saison-Highlight!


USA – 2014 – 2 Std. 6 Min.
Regie: Josh Boone
mit Shailene Woodley, Ansel Elgort, Nat Wolff, Laura Dern, Sam Trammell, Willem Dafoe
Genre: Drama / Tragikomödie

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Filme, Reviews. Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.