Adaption – Der Orchideen-Dieb (OT: Adaptation.)
Wie schon drei Jahre zuvor im Falle von „Being John Malkovich“ könnte man auch Spike Jonzes direktes Nachfolgewerk am ehesten als vexierenden „Film im Film“ jenseits jedweder Konventionen charakterisieren, dem man von Anfang an hochkonzentriert folgen muss, um nicht den Faden zu verlieren. Insbesondere dies führte dazu, dass mir „Adaption“ bei beiden meiner Sichtungen nicht nur sehr sperrig und gewöhnungsbedürftig anmutete, sondern auch viel zu sehr anstrengte, um zu gefallen. Selbstredend bildet Kaufmans Drehbuch in seiner mehrschichtigen und skurrilen Manier eine Extravaganz, die man nicht alle Tage zu Gesicht bekommt und etliche kluge, aber auch absurde Einfälle sowie Dia- und Monologe bereithält. All dies trägt zweifelsohne zur Erfüllung des erklärten Hauptzweckes bei, und zwar den Zuschauer zu irritieren, verfehlt es jedoch in emotionaler Hinsicht zu berühren, etwaige Identifikationsflächen zu den meisten der Protagonisten aufzubauen oder aber komödiantisch mitzureißen. Ursächlich dafür ist womöglich eine gewisse, erzählerische Überspanntheit sowie der Umstand, dass der Fokus auf Belanglosigkeiten gelegt worden ist statt das eigentlich sehr interessante und faktenorientierte Grundkonstrukt sowie die Personenzeichnungen zu konkretisieren. Erschwerend kommen längere Ruhephasen hinzu, wogegen die durch und durch überzeugenden Performances von Chris Cooper und Meryl Streep, eine souveräne Kameraarbeit und die wieder einmal hörenswerte Filmmusik von Carter Burwell unglücklicherweise nicht anzukämpfen imstande sind.
Basic Instinct – Neues Spiel Für Catherine Tramell (OT: Basic Instinct 2)
Was 1992 von Paul Verhoeven voller Nervenkitzel, Provokation, Raffinesse und obendrein mit finanziellem Erfolg auf die Leinwand projiziert wurde, erlebte fünfzehn Jahre später eine geradezu unverschämte und vollkommen unnötige Fortsetzung, die für nichts anderes sorgt als beschämtes Kopfschütteln und in der einfach alles falsch gemacht wurde, was im Bereich des Möglichen war. Ein hanebüchener, miserabel kopierter und ein krampfhaft nach Coolness geifernder Plot am Rande der Idiotie bestimmt die beinahe an eine pornografische Laien-Produktion angelehnte Dramaturgie ohne den Hauch von spannenden oder substantiellen Momenten. In Kombination mit schmerzhaft hirnrissigen und belanglosen Dialogen und einer insgesamt billig anmutenden Produktion trägt dies dazu bei, dass „Basic Instinct 2“ weder als Erotikthriller, Kriminalfilm noch als unfreiwillige Parodie taugt und in etwa so viel Sinnlichkeit besitzt wie eine Magenspiegelung. Während die oscarnominierte (!) Sharon Stone die unbestritten schlechteste Darbietung ihrer gesamten Karriere liefert, schockiert vor allem der Umstand, dass sich renommierte Schauspieler wie Charlotte Rampling oder David Thewlis für diesen dilettantischen Schund hergaben, ihn allerdings mit unbeholfenen Interaktionen auf unterstem Soap-Niveau nicht im Geringsten aufzuwerten vermochten. Deshalb dürfte jeder weiterer Kommentar für Caton-Jones filmgewordenes Ärgernis, das nicht von ungefähr als eines der misslungensten Sequels der Filmhistorie gilt, nichts anderes darstellen als Lebenszeitverschwendung.
Betty Und Ihre Schwestern (OT: Little Women)
Sowohl der zeitlose, bereits 1868 erstveröffentlichte Jugendroman von Louisa May Alcott als auch die darauf basierende, japanische Zeichentrickserie „Eine Fröhliche Familie“ zählten sicherlich nicht nur zu den Highlights meiner persönlichen Kindheit. Im Zuge der inzwischen vierten Realverfilmung rund um die Familie March lancierte die australische Regisseurin ein starbesetztes, intimes, im besten Sinne konventionelles sowie stets am literarischen Original orientiertes Drama und begeht dabei nicht den häufig zu beobachtenden Fehler, einer altehrwürdigen Vorlage krampfhaft feministische und hochmoderne Lesarten hinzuzufügen. Dennoch überzeugt die bestmöglich ausgestattete und von wunderschönen Kameraeinstellungen bestimmte Inszenierung, indem man gesellschaftliche Untertöne und innerfamiliäre Konflikte sehr subtil auf das individuelle Erwachsenwerden der Protagonistin Jo zugeschnitten hat, was sie im Besonderen von den beiden Filmversionen mit Katharine Hepburn und Elizabeth Taylor unterscheidet. Neben einer fabelhaften, das Ohr erfreuenden Filmmusik von Thomas Newman ist es vor allem die harmonische Schauspielriege, die zu fesseln vermag. Das frauendominierte Ensemble offeriert nicht nur den letzten Leinwandauftritt der sympathischen Mary Wickes, eine gewohnt souveräne, glaubhaft mütterliche Darstellung von Susan Sarandon, erfrischende Nachwuchsperformances von Kirsten Dunst und Claire Danes, sondern auch die vielleicht stärkste und facettenreichste Leinwanddarbietung von Winona Ryder. Trotz gelegentlicher, dramaturgischer Süßlichkeit stellt die emotionsbetonte Realisierung zweifelsohne einen rundum gelungenen Beitrag des familienkompatiblen Kinos vor historischer Kulisse inmitten eines von Kriminalfilmen dominierten Jahrzehnts dar, dem ich mehr gewünscht hätte als drei Oscarnominierungen.
Brokeback Mountain
Über die fünfte, englischsprachige Leinwandproduktion des Taiwanesen Ang Lee wurde bekanntermaßen nicht nur innerhalb unseres illustren Forums vielfach diskutiert beziehungsweise explizit die von vielen als ungerechtfertigte Niederlage empfundene Nichtauszeichnung in der Königskategorie. Dass „Brokeback Mountain“ seinerzeit „L.A. Crash“ in dieser Sparte unterlag, bildete zwar auch aus meiner Sicht nicht die allergrößte Sternstunde unter den Festlegungen der Academy, dennoch sprechen acht Nominierungen inklusiver dreier gewonnener Statuetten weniger für die so oft angeprangerte Homophobie als für eine knappe, subjektiv geleitete Entscheidung der Mitglieder. Dessen ungeachtet ändert dies natürlich nichts an der Genialität des Werkes in seiner Gesamtheit, welches nicht nur Lees mit Abstand beste und sensibelste Arbeit markiert, sondern auch zu jenem Typus nachwirkender Dramen gehört, das sowohl inhaltlich, formal als auch inszenatorisch in selber Dimension überzeugt und die sich intensivierende Liebschaft zweier junger Cowboys inmitten von Wyoming schildert. Für den Erfolg verantwortlich sind nicht nur die jeweils stärksten Verkörperungen von von Jake Gyllenhaal und Michelle Williams ihrer (bisherigen) Karrieren sowie DIE beste des leider zu früh verstorbenen Heath Ledger, sondern ein ungemeines Feingefühl, was die Widerspiegelung der einzelnen Gefühlswelten der Beteiligten und den zeitlos Kraft erfordernden Weg zum Coming Out mit all seinen Konsequenzen anbelangt sowie die äußerst lebensnahen Dialoge anbetrifft. Insbesondere für zwei heterosexuelle Akteure dürfte es überdies doppelt schwierig gewesen sein, diese Rollen derart inbrünstig und glaubhaft zu spielen wie es geschehen ist. Neben der tiefen Tragik der Geschichte lassen gekonnt eingesetzte Elemente wie die natur- und emotionsfokussierte Kinematographie sowie die berührende, musikalische Zusammenstellung diesen Film zu einem echten Erlebnis werden und speziell das brillante Schlussbild führt dem Publikum eindrucksvoll und gleichermaßen unaufdringlich vor Augen, dass es innerhalb der menschlichen Existenz viel weniger darauf ankommen sollte, WEN man liebt, sondern, DASS man liebt…
Cruising
Ein weiterer Film mit (andersgearteter) homosexueller Thematik sorgte zum Auftakt der 1980er für einen regelrechten Skandal im prüden Amerika sowie aufgrund der rabiaten Darstellung der schwulen SM-Szene sogar für Boykottaufrufe vieler LGBT-Aktivisten. Freilich muss man im Zuge einer heutigen Beurteilung im Hinterkopf behalten, dass „Cruising“ vor inzwischen dreieinhalb Dekaden produziert wurde und die gesellschaftlichen Umstände andere waren als die heutigen, weswegen ich den Film nicht als ebenjene Katastrophe erachte, die viele Kritiker aus ihm gemacht haben und auch drei Nominierungen für die „Goldene-Himbeere“ empfinde ich trotz vorhandener Mankos als etwas voreingenommen. Zunächst liefert nämlich Al Pacino als Undercover-Polizist auf der Suche nach einem homophoben Serienmörder gemeinsam mit dem Männer-Ensemble rund um Paul Sorvino und Ed O’Neill in einer Gastrolle erneut eine überaus überzeugende Performance, der man sich nur mit äußerster Mühe entziehen kann. Abseits dessen funktioniert der Film vor allem als düsterer, kaltschnäuziger Großstadtkrimi und als passabel geschnittene, atmosphärische Milieustudie, die auf dem Weg zum Showdown etliche nervenkitzelende Momente für den Zuschauer bereithält. Gleichwohl stimme ich mit den Kritikern insofern überein, dass man speziell den käuflichen Sex vor allem um seines Selbstzweckes willen in seiner plakativen und körperlichen Rohheit illustrierte und auch der Killer von allzu bekannten Motiven getrieben wird. Nichtsdestotrotz ist der Thriller vom Macher des Horrorklassikers „Der Exorzist“ ein Genrevertreter, dem man zumindest eine Chance geben kann.
Der Elefantenmensch (OT: The Elephant Man)
Damals zum Lehrplan des Englischunterrichts gehörend, sah ich das düster gestaltete, britische Historiendrama namens „Der Elefantenmensch“ erstmals im Alter von vierzehn Jahren. In befremdlicher und involvierender Weise hält die biographische Aufarbeitung des Lebens von Joseph Merrick (1862 – 1890), der nach heutigem Wissen an schlimmsten Deformierungen infolge einer Neurofibromatose litt, durchgängig die Waage zwischen historischer, anfangs dezidiert nüchterner Chronologie und einem feinfühligen Drama mit angenehm unsentimentaler Prägung. Insbesondere die Entscheidung für die schwarz-weiße Kolorierung erwies sich als regelrechter Segen und trägt neben den aufgeschlüsselten Schlechtigkeiten von Merricks Mitmenschen zur atmosphärischen Kälte bei, die einem wiederholt eine Gänsehaut verschafft. Bemerkenswert ist darüber hinaus neben den zeittypischen Kulissen und einer gekonnten Schnitt- und Kameraarbeit die grandiose, visionäre Arbeit der Maskenbildner, welche ferner direkt dazu führte, dass die Academy sich 1983 endlich zur Einführung der Sparte „Bestes Make-Up“ entschied. Obschon John Hurt unter ebendieser Masse verborgen bleibt, gelingt es ihm dennoch mit Bravour, die Verkörperung mit Courage und sichtbarer Würde auszufüllen und auch Anthony Hopkins offeriert seinen präsentesten, zugleich im positiven Sinne reduziertesten Auftritt seit „Der Löwe Im Winter“. „Der Elefantenmensch“ stellt mit Sicherheit alles andere dar als leichte Kost für zwischendurch, fesselt allerdings trotz seiner Länge vor allem als sinnbildliches Porträt über den Umstand, dass das charakterliche Verhalten mancher Personen als abscheulicher zu beurteilen ist als jedwede Form physischer Entstellung. Folglich stellt das Drama nicht nur die gelungenste aller Leinwandproduktionen von David Lynch dar, sondern auch einen eigenwilligen Meilenstein des ansonsten überwiegend nach Modernisierung strebenden Jahrzehnts.
Die Unicorn Und der Aufstand Der Elfen (OT: Voyage Of The Unicorn)
Wieder einmal bescherte uns das US-Fernsehen einen aufwendigen Zweiteiler, der sich mit vielen Kino-Spektakeln der Fantasy-Sparte durchaus messen kann und außerdem für einen Emmy nominiert wurde. In „Die Unicorn Und Der Aufstand Der Elfen“ geht es um die durch einen Schicksalsschlag in schwerer Trauer befindliche Familie Aisling, welche durch höhere Gewalt in ein spannendes Abenteuer inmitten einer Parallelwelt gerät, das letzten Endes aber zur allseitigen Gewinn von Selbstvertrauen und zu gegenseitiger Annäherung beiträgt. Im Rahmen dieser schlüssigen Storyline wurden mythologische Motive und Figuren wie Medusa oder der Minotaurus ebenso einfallsreich eingebunden und spannend umgedeutet wie Grundzüge des Shakespeare‘schen Werkes „Ein Sommernachtstraum“. Sporadisch imprägnierte, philosophische Denkmuster und der Leitsatz „Credendo Vides“ mögen zwar das Fassungsvermögen von Heranwachsenden übersteigen, sprechen dafür jedoch adulte Genrefans an, während neben der fantastisch inszenierten, visuellen Sphäre und teilweise überragenden Szenenbildern ebenfalls ein angemessener Raum für Emotionalität gelassen wurde. Ein weiteres Highlight der Miniserie stellt die mystische musikalische Untermalung und speziell die brillante Arbeit der viel zu selten gewürdigten Maskenbildner dar, welche in Gestalt der Trolle wahrgewordene Alpträume schufen sowie eine charismatische Darstellungen von Beau Bridges und seinen beiden Filmtöchtern. In Summe erscheint der Dreistünder zwar nicht derart namhaft besetzt, allumfassend durchdacht und mitreißend wie das im selben Jahr gedrehte „Das Zehnte Königreich“, dennoch bietet er überaus unterhaltsame, aktionsreiche Stunden, insbesondere für Liebhaber märchenhafter Stoffe.
In einem Land Vor Unserer Zeit (OT: The Land Before Time)
Überdurchschnittlich häufig sind es Zeichentrickfilme der Marke „Disney“, die einem in der frühesten Kindheitsphase genauso gut gefallen haben wir im Erwachsenenalter, doch im konkreten Fall ist eine amerikanisch-irische Koproduktion mit überaus geringem Budget, die mich nach neuerlicher Sichtung absolut im selben Maß faszinierte wie vor annähernd zwanzig Jahren. „In Einem Land Vor Unserer Zeit“, koproduziert von Steven Spielberg und angelegt im prähistorischen Zeitalter, stellt für mich eins der besten, von einem unabhängigen Filmstudio vertriebenen Zeichentrickabenteuer aller Zeiten dar, das auf sämtlichen Ebenen zu überzeugen weiß. Dazu brauchte es erfreulicher Weise nicht viel mehr als einen hervorragenden Zeichen- und Animationsstil, liebenswerte Dinosaurier mit zutiefst menschlichen Stärken und Schwächen sowie eine herzzerreißende, schlüssige und außerordentlich lehrreiche Geschichte über bedingungslose Freundschaft, Mut und Selbstvertrauen rund um den kleinen, verwaisten Littlefoot, der mit Sicherheit nicht nur für Kinder als idealer Identifikationsträger dienen dürfte. Durch das perfekt ausgewogene Zusammenspiel von herrlichem Humor, Emotionalität, Spannung und Lebensrelevanz sowie die Verwendung von traumhaften Kompositionen von James Horner dürfte wohl selbst Hartgesottenen mindestens eine Träne über die Wange laufen, weswegen es in der Tat als schade erachtet werden muss, dass die Laufzeitlänge um 10 Minuten gerafft wurde, um die kleinsten Zuschauer nicht zu sehr zu ängstigen. Inzwischen zwölffach fortgesetzt, kann das leider viel zu unbekannte Abenteuer schlicht und ergreifend nur äußerst nahe an der Perfektion verortet werden, da es ebendies offeriert, woran es nahezu allen Genrevertretern der Gegenwart unglücklicherweise mangelt.
Kirschblüten & Rote Bohnen (OT: あん)
Wer mich kennt, weiß, dass ich Arthausfilmen beziehungsweise kleineren Produktionen mit Untertönen für zwischenmenschliche Aspekte, die das Leben schreibt, zumeist äußerst viel abgewinnen kann, doch dass dies nicht per se der Fall sein muss, legt ein vor Kurzem in ausgewählten Programmkinos präsentierter Film aus dem „Land der aufgehenden Sonne“ eindeutig dar. Wenngleich die Regisseurin mit ihrem Porträt über eine Köchin, die mit ihren kulinarischen Ideen einem Restaurant zum Aufschwung verhilft, gleich mehrere wunderschön fotografierte Bilder von poetischer Kraft offeriert, hat man es dennoch fast vollständig versäumt, den zugrunde liegenden, inhaltlichen und kulturspezifischen Ansätzen einen konkreten, höheren Sinn oder nachvollziehbaren Nährwert zu verleihen. Ursächlich dafür sind allerdings nicht die verwendeten Stilmittel oder aber die weitestgehend ordetnlichen, im Zuge der Filmfestspiele von Cannes gelobten Schauspielleistungen, sondern in erster Linie ein überaus dröges Erzähltempo ohne den Hauch von Klimaxsituationen, nur oberflächlich gestreifte Lebensmotive sowie ein Verzicht auf konsequent zu Ende gedachte Dialoge. Dass mir „Kirschblüten & Rote Bohnen“ somit letztlich keinerlei Befriedigung oder aber ein gewisses Maß an Gedankenanregung verschafft hat, hängt daher nicht nur untrennbar damit zusammen, dass es selbst im 21. Jahrhundert noch nicht zur Erfindung des Geschmackskino gekommen ist, sondern ist ferner dem Umstand zu schulden, dass sich für die reine Beobachtung der Zubereitung fernöstlicher Gerichte auch Kochsendungen als ausreichend und weitaus unterhaltsamer erweisen dürften.
Little Children
Auch im Falle von Todd Fields vortrefflich betiteltem Sozialdrama „Little Children“, das in diesem Jahr bereits sein 10-jähriges Veröffentlichungsjubiläum feiert, wird man einmal mehr einem erheblichen Missverhältnis zwischen Kritikerresonanz und Publikumswirkung gewahr, denn trotz dreier Oscarnominierungen entpuppte sich der Film als internationaler Kinoflop, der nicht einmal die Hälfte seiner Kosten wieder einspielen konnte. Dies führt einem erneut schmerzhaft vor Augen, wie genügsam der Bevölkerungsquerschnitt augenscheinlich ist und, dass er um ein anspruchsvolles Werk wie dieses leider allzu oft bewusst einen Bogen macht. Getragen von einem stark dialogisierten und hochintelligenten Drehbuch entstand nämlich eine dieser nachwirkenden, ehrlichen, sexuell aufgeladenen und dennoch überaus unangenehmen Produktionen, welche das Lexikon des Internationen Films prägnant als „…darstellerisch fesselnde, ironisch-kritische Betrachtung des „American Way Of Life“ mit diversen inszenatorischen Finessen…“ charakterisierte. Augenscheinlich, aber nicht zu deutlich wird die trotz Unzulänglichkeiten nach außen hin stets um Wahrung des äußeren Scheins bemühte Kleinbürgerlichkeit angeprangert und sämtliche Hauptcharaktere durch raffinierte Überspitzungen sinnbildlich nackt gezeigt, ohne sie jedoch der Bloßstellung preiszugeben. Lediglich eine zu ausgedehnte Laufzeit im letzten Drittel kann als einziger größerer Kritikpunkt augemacht werden, im Gegenzug können die brillanten, reduzierten Klänge von Thomas Newman sowie eine zutiefst involvierende Kameraführung in ähnlicher Weise lobend hervorgehoben werden wie die bis in die Nebenrollen hervorragend besetzte Darstellerriege. Während Kate Winslet den Zuschauer an einer ihrer hypnotischsten, expressivsten Leistungen teilhaben lässt, agierten auch Wilson, Haley und Somerville allesamt oscarreif und mit atemberaubender Präsenz, da sie sich trauten, besonders tief in ihre herausfordernden Figuren einzudringen. Es bleibt aus all diesen Gründen inständig zu hoffen, dass diese reflektierte, unverbogene Sozialstudie nicht der letzte Spielfilm von Todd Field gewesen ist.
P.S. Ich Liebe Dich (OT: P.S. I Love You)
Fast zehn Jahre hat es gedauert, bis ich die Verfilmung des vor allem bei der Damenwelt mittleren Alters frenetisch gefeierten, mir ebenfalls unbekannten Romans erstmals zu Gesicht bekam. Im Nachhinein ist jedoch festzustellen, dass es nicht allzu tragisch gewesen, wenn es bei dieser Unkenntnis geblieben wäre, denn „P.S. Ich Liebe Dich“ gleicht einer klischeehaften Schnulze der unteren Kategorie und bietet trotz immenser Lauflänge nur eine Handvoll an sehenswerten, anrührenden und substantiellen Sequenzen. Der basalen Intention über die Schwierigkeit des Umgangs mit dem Verlust des Liebsten kann man freilich noch eine gewisse, romantische und lebensweltlich orientierte Daseinsberechtigung attestieren, nicht aber der platten Umsetzung im Stil einer Seifenoper mit teilweise sehr manipulativen Zügen, größtenteils dürftigen Dialogen und einer Handlung, die man sich bereits nach einer Viertelstunde frustriert zusammenreimen kann. Während man in LaGraveneses Romanze zumindest die Zusammenstellung musikalischer Stücke und zumindest einen erneut respektablen, kurzen Leinwandauftritt von Kathy Bates loben kann, sind es leider vor allem die beiden Protagonisten, die den sinnbildlichen Untergang ermöglichen. Während Gerald Butler erneut eine eindimensionale Performance ohne die notwendige Präsenz und Glaubwürdigkeit liefert, kann insbesondere die darstellerische Leistung von Hilary Swank, die mich kürzlich mithilfe von „The Homesman“ nach langer Zeit endlich einmal vollends begeisterte, lediglich als eine einzige, fehlbesetzte Enttäuschung betitelt werden. Nicht nur deswegen interessiert einen die süßliche Liebesgeschichte schon ab der Mitte des „Geisterfilmes“ nur noch peripher.
Schneewittchen (Snow White: A Tale Of Terror)
Kürzlich im Rahmen der Sichtung des ernüchternden „Huntsman“-Sequels wieder in mein Gedächtnis zurückgerufen, fungiert eine Adaption der vielleicht bekanntesten Grimm’schen Erzählungen als schaurig schönes Indiz dafür, dass Märchen und Horror zwei ausgesprochen gut miteinander kombinierbare Filmgenres sind und, wie man die Figur der bösartigen Stiefmutter bestmöglich verkörpern kann. Düster und modern, jedoch wiederum sehr nah an der Ursprünglichkeit der literarischen Vorlage voller Barbarei gehalten, schuf Michael Cohn 1997 eine legitime, optisch und psychologisch gleichermaßen subtile Neuinterpretation von „Schneewittchen“, welche nicht nur mithilfe hochgotischer, ästhetischer Dekorationen und Kostüme sowie einem grandiosen Make-Up punktet, sondern auch durch den steten dramaturgischen Wechsel zwischen Spannung und Ruhe sowie Szenen, die von Licht und Schatten bestimmt werden. Wie angesprochen bildet Sigourney Weaver den mit Abstand größten Vorzug, da sie eine brillante und nuancenreiche Vorstellung offeriert und den Film mit unverwechselbarer Niedertracht und erhabener Kälte nahezu im Alleingang trägt. Während auch Sam Neill ein weiteres Mal zu überzeugen vermag, muss Monica Keena als schwächstes Ensemblemitglied identifiziert werden, da sie in der Protagonistenrolle einfach zu blass und austauschbar agiert. Nichtsdestotrotz zählt diese märchenhafte Verfilmung zu den wenigen gelungenen Versuchen, ein Märchen für die Bedürfnisse von Erwachsenen zu kreieren, weswegen ich die FSK-Freigabe von 12 Jahren nach wie vor für bedenkenswert erachte, da ich für meinen Teil selbst als 14-Jähriger schrecklichste Alpträume angesichts des Gruselfaktors einiger Szenen hatte.
The End Of The Tour
Bereits im Januar 2015 auf dem Sundance Festival uraufgeführt, stieß „The End Of The Tour“ auf eine ganze Reihe euphorischer Rezensionen unzähliger Kritikerverbände, schaffte jedoch in den wenigsten Ländern überhaupt den Einzug in die Kinosäle – bedauerlicherweise, wie ich finde. Ponsoldts faktenbasierte Independent-Produktion zentriert die Beziehung zwischen dem für den Pulitzerpreis nominierten, unter schweren Depressionsschüben leidenden, introvertierten Autoren David Foster Wallace (1962 – 2008) zu einem jungen Journalisten. Nur sporadisch trifft man auf Filme, die so sehr auf seine beiden Protagonisten sowie deren innere und äußere Konflikte fixiert ist wie dieser. Obwohl die partielle Filmbiographie nicht das vollumfängliche Maß ihres dramatischen Potentials ausschöpft und manchmal einfach zu stark danach strebt, ein unkonventionelles Roadmovie zu sein, werden dem geduldigen Zuschauer dennoch wertvolle, lebensnahe und unterhaltsame Denkanstöße auf Diskussionsbasis geliefert, ohne die Geschichte mit Pathos aufzublähen. Dreh- und Angelpunkt des Ganzen ist jedoch zweifelsohne der Hauptdarsteller, denn Jason Segel liefert nach unzähligen Misserfolgen eine grandiose und nuancierte Performance, die man in dieser Dimension nicht hätte erahnen können und einer Oscarnominierung absolut würdig gewesen wäre. Ihm ist es gelungen, vollständig mit der vielschichtigen, herausfordernden Figur zu verschmelzen, über die neun Staffeln überdauernde Rolle des neurotischen, aber liebenswerten Marshall Eriksen in „How I Met Your Mother“ hinauszuwachsen und selbst dann Interesse zu wecken, wenn einem die Vita des Autoren vorab gar nicht geläufig war. Doch auch Jesse Eisenberg, der mit Sicherheit nie zu meinen Lieblingen zählen wird, machte seine Sache als investigativer Gegenpol überaus solide. Und „solide“ erscheint letzten Endes auch als treffendes Adjektiv für die Einschätzung desWerk in seiner Gesamtheit…